Mannheim/Ludwigshafen

Zieht das Nationaltheater über den Rhein?

Die Stadtspitzen der Nachbarstädte sehen den Pfalzbau in Ludwigshafen als Ausweichspielstätte

15.05.2018 UPDATE: 16.05.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 50 Sekunden
Pfalzbau-​Intendant Tilman Gersch. Foto: dpa

Von Isabelle von Neumann-Cosel

Mannheim. Der Druck, unter dem Pfalzbau-Intendant Tilman Gersch und die Ludwigshafener Bürgermeisterin Cornelia Reifenberg (früher Kulturdezernentin) stehen, war allseits zu spüren. Den spannenden Neuigkeiten aus der Spielplan-Pressekonferenz des Pfalzbau-Intendanten lief ein anderes Thema den Rang ab: Sein Haus soll, zumindest nach dem Willen des geschäftsführenden Direktors am Nationaltheater, Marc Stefan Sickel, als Ausweichspielstätte für das Mannheimer Theater fungieren. Die wird dringend gesucht, denn das Mannheimer Nationaltheater muss ab 2022 für geschätzte 220 Millionen Euro grundsaniert werden und für vier Jahre den Spielbetrieb einstellen.

Wohin mit der Opernsparte, wohin mit den großen Tanzaufführungen? Im Ludwigshafener Pfalzbau gibt es kein festes Ensemble, und so könnte das Theater mit seinen rund 1000 Sitzplätzen prima das fehlende Opernhaus ersetzen - dachte man sich in der Quadratestadt. Die Stadtspitzen der beiden Nachbarstädte haben schon mal getagt und ringen, wie es Cornelia Reifenberg im untadeligen Amtsdeutsch formuliert, um "Rahmenbedingungen" für eine Zwangskooperation. Denn die Forderungen aus Mannheim belaufen sich auf eine Bühnennutzung an 180 Tagen im Jahr.

Damit hat der Pfalzbau-Intendant Gersch nicht gerechnet, und das will er auch nicht. Denn wenn man nicht nur die beträchtliche Zahl der Vorstellungen, sondern auch Auf-, Abbau und Probenzeit für vom Theater (ko)produzierten Stücke mit in die derzeitige Auslastung ein- und die Theaterferien im Juli und August herausrechnet, dann bleiben viel, viel weniger Tage übrig als die Hälfte des Jahres. Die aus Mannheim gewünschten 180 Tage wären im Wirtschaftsjargon eine "feindliche Übernahme".

Das Nationaltheater winkt natürlich mit Geld. Denn es verfügt über einen viel größeren Etat als der Pfalzbau, der in der letzten Spielzeit mit vier Millionen aus dem Stadtsäckel unterstützt wurde. Diese Tatsache könnte im Ludwigshafener Gemeinderat Begehrlichkeiten wecken und die kurzsichtige Idee, für eine Weile das chronisch magere Stadtsäckel zu schonen. Den Pfalzbau vermieten und gleichzeitig noch den Zuschuss kürzen - das ließe sich ja sozusagen noch als Win-Win-Lösung verkaufen. Nun hat der Pfalzbau in den letzten Jahren mit steigender Auslastung gepunktet, sich mit großartigen Gastspielen einen Namen gemacht und ein Tanzprogramm geboten, das aus Stuttgart oder Frankfurt neidvolle Blicke auf sich ziehen konnte. Um dieses Niveau zu halten und das Publikum weiterhin anziehen zu können, braucht Tilman Gersch eigentlich mehr Geld - und keine Beschneidung seiner Handlungsoptionen.

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Entscheidungen sind zum Glück noch keine gefallen. Man kann daher dem Ludwigshafener Kulturausschuss, der im Juni tagen wird, noch dringend einen klaren Durchblick auf die Tragweite der anstehenden Beschlüsse wünschen. Denn da könnte in vier Jahren der Belagerung durch das Nationaltheater die Aufbauarbeit von viel, viel mehr Jahren im Pfalzbau kurzsichtig verspielt werden.

Marc Stefan Sickel, der Geschäftsführende Intendant des Nationaltheaters, wollte bei der gestrigen Pressekonferenz seines Hauses die Zahl von 180 Spieltagen in Ludwigshafen nicht kommentieren. Er wunderte sich, dass "vertrauliche Gespräche" überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt seien, und meinte nur, beide Seiten, also Mannheim und Ludwigshafen, befänden sich im Prozess der Entscheidungsfindung.

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