Heidelberger Frühling

Es gibt noch Hoffnungsschimmer "in der oft trostlosen Zeit"

Das zweite Liedfestival ist eröffnet und findet auf diversen Bühnen in der Stadt statt.

16.06.2023 UPDATE: 16.06.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden
Konzentrierte Klangarbeit: Thomas Hampson, Alla Belova (am Klavier) und David Kennedy. Foto: Studio Visuell

Von Christoph Wagner

Heidelberg. Zum zweiten Mal geht das Liedfestival des Heidelberger Frühlings über diverse Bühnen der Stadt. Dabei gingen die Veranstalter das Wagnis ein, ausschließlich Nachwuchssängerinnen und -sänger vorzustellen und Lieder zu präsentieren, die überwiegend nicht zum gängigen Repertoire gehören und für viele der Zuhörenden unbekannt sind. Der Publikumszuspruch bei den beiden Veranstaltungen am Eröffnungstag lässt vermuten, dass dieses Konzept aufgeht.

Aus der Logik des Gesamtprogramms folgte fast zwingend, dass das Festival nicht mit einem Konzert begann, sondern im Eugen-Biser-Saal des Hauses der Begegnung im Rahmen der Liedakademie mit dem öffentlichen Meisterkurs des US-amerikanischen Starbariton Thomas Hampson, dessen Engagement für den Heidelberger Frühling sicher zu den größten Glücksfällen für das hiesige Musikleben der letzten Zeit zählt.

Was Hampsons Arbeitsweise charakterisiert, ist seine Forderung nach unbedingter Gestaltung. Das ließ sich auch bei der Einheit mit dem in Heidelberg geborenen Bariton Gerrit Illenberger beobachten, der schon zahlreiche Opernengagements hatte und eigentlich ein fertiger Sänger ist. Nun präsentierte er "Ging heut‘ morgen über ‘s Feld" aus den "Liedern eines fahrenden Gesellen" von Gustav Mahler derart überzeugend, dass man sich fast fragen konnte, was er in einem solchen Kurs eigentlich noch lernen will. Aber man konnte eben auch erleben, dass Hampson gerade dann zu pädagogischer Hochform aufläuft, wenn er es mit einem besonders begabten Studenten zu tun hat. Ausgehend von einer hochintelligenten und tiefempfundenen Textdeutung, wies er auf zahlreiche notwendige Gestaltungsdetails hin, die er in immer positiver Emotionalität rüberbrachte.

Am Abend dann in der Alten Aula der Universität das erste Konzert – gleich ein Leckerbissen. Die Tenöre Ilker Arcayürek, Kieran Carrel (ehemaliger Liedakademie-Stipendiat) und Jan Petryka, der Bariton Samuel Hasselhorn (1. Preis bei "Das Lied" 2017) und Bassist David Steffens präsentierten unter der Überschrift "Nachthelle" Sololieder und vier- bis fünfstimmige Ensembles von Franz Schubert, die es allesamt nur selten auf Konzertpodien schaffen. Der Pianist des Abends, Markus Hadulla, Professor für Liedbegleitung an der Musikhochschule in Wien, hatte dieses Programm konzipiert und mit den Sängern erarbeitet, das im steten Wechsel zwischen Sololiedern und Ensembles die Themen Nacht, Einsamkeit, Sehnsucht, aber auch Licht und Liebe kombiniert. Dabei formte er die fünf jungen Sänger zu einem klanglich ausgesprochen homogenen, dynamisch ausgewogenen und intonationssicheren Ensemble, das die Emotionen der einzelnen Sätze stets glaubhaft vermitteln konnte. Einzig die Textdeutlichkeit im Forte-Bereich blieb noch ausbaufähig.

In den Sololiedern zeichneten sich alle Ensemblemitglieder durch ausgesprochen differenzierte Gestaltung und farbenreiche Stimmgebung aus, wobei der Bariton Samuel Hasselhorn mit "Totengräbers Heimweh" den Höhepunkt des Abends setzen konnte. Dabei half ihm, dass es sich hier um eines der tiefsinnigsten Lieder Schuberts handelt.

Markus Hadulla hielt sich als buchstäblich graue Eminenz im Hintergrund, konnte aber dezente Akzente setzen, die maßgeblich zur interpretatorischen Überzeugungskraft des Abends beitrugen. Viel Beifall am Schluss und eine Zugabe für einen Abend, den Hadulla in einem im Programmheft abgedruckten Interview seinen ganz persönlichen "Hoffnungsschimmer in der oft trostlosen Zeit" nennt. Das taugt doch auch als Überschrift für das gesamte Festival.

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