Heidelberg

Kaffeeklatsch mit Köpfchen im DAI

Am Deutsch-Amerikanischen Institut beleuchten Wissenschaftler das Thema Freiheit aus verschiedenen Perspektiven.

25.04.2024 UPDATE: 25.04.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden
Fokussierte sich auf das Thema Erinnerung: Neurobiologin Hannah Monyer. Foto: dpa

Von Lea Holland

Heidelberg. Sind Hunger und Durst gestillt, ist der Mensch bereit zu philosophieren. Das weiß auch das Deutsch-Amerikanische Institut Heidelberg. Dort gab es am vergangenen Wochenende Futter für Hirn und Magen.

"Wieviel ist genetisch bestimmt und wieviel ist durch die Umwelt bestimmt? – Es ist alles gleichzeitig genetisch und durch die Umwelt bestimmt!" Damit beantwortete Hannah Monyer, Neurobiologin und ärztliche Direktorin an der Universität Heidelberg, scheinbar die uralte Nature-versus-Nurture-Frage, über die sich vermutlich vor allem jene mit einer unglücklichen Familiengeschichte den Kopf zerbrechen. Genetisch seien wir zwar ein deterministisches Produkt, erklärte die Vortragende, doch die Gene würden durch die Umwelt täglich neu bestimmt. Klingt irgendwie erleichternd. Doch ist die Debatte damit tatsächlich abgehakt? Inwiefern wiederum die Fähigkeit, Umweltfaktoren zu beeinflussen, deterministisch bestimmt ist, blieb unbeantwortet. Aber das war ja auch nicht Thema dieses Vortrags. Denn der drehte sich eigentlich um Erinnerung, die für unsere Kapazität, Entscheidungen zu treffen, unerlässlich ist.

Hannah Monyers’ Beitrag reihte sich in eine Serie von interdisziplinären Vorträgen ein, die am DAI unter dem übergreifenden Thema Freiheit veranstaltet wurden. En masse floss der Kaffee unter den Zuhörern und regte vermutlich so einige schlaffe Hirnzellen an, sich doch bitte zumindest für die nächsten 90 Minuten zu konzentrieren, um den Vortragenden lauschen zu können, sie dann in der anschließenden Pause im Halbkreis zu belagern und dann schnell: mehr Kaffee! Dieses Mal vielleicht sogar einen Keks mit dazu. Trotz der gemütlichen Atmosphäre und des intellektuellen Austauschs wirkte die Veranstaltung doch etwas gehetzt. Da kann man den Gästen das Belagern der Redner gar nicht übelnehmen, denn für richtige Fragerunden blieb kaum Zeit. Die Vortragenden ließen sich zum Glück nicht beirren – auch nicht durch das fröhliche Geklirre der Porzellantassen, die während der Beiträge auf dem Boden herumpurzelten.

Eröffnet wurde die Konferenz von Walther Ziegler, Philosoph und YouTube-Phänomen, der in seinem Vortrag einen philosophie-geschichtlichen Abriss des Themas Freiheit von Perikles bis Sartre bot. Online erfreuen sich seine Videos über die bekanntesten Denker großer Popularität. So erzielte sein Beitrag "Nietzsche in 60 Minuten" über 600.000 Aufrufe, was möglicherweise zum Teil der Schnurrbart-und-Pfeife-Fraktion der Heidelberger Studenten zu verdanken ist.

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Weitere politische und philosophische Beiträge gab es von Antonia Grunenberg, Mitglied der Fachkommission für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, und Manfred Lütz, welcher über den Sinn des Lebens und die Kunst dozierte. Dieter Frey bot darüber hinaus Einblicke in die Positive Psychologie, die sich auf menschliche Ressourcen fokussierte und wie diese für ein erfolgreiches Miteinander eingesetzt werden können. Betont wurde hier Gemeinschaftlichkeit als Voraussetzung für eine freie und konstruktive Gesellschaft. In diesem Sinne beleuchtete der Psychologe am Rande auch politische Gegebenheiten und interpretierte das Erstarken rechts-populistischer Parteien als Resultat von Perspektivlosigkeit, Misstrauen und mangelnder Kommunikation.

Gelegentlich wirkte Frey leicht ungeschickt. "Wir brauchen die Ausländer, sonst wird unser Land zusammenbrechen", sollte vielleicht nicht das erste Argument für Toleranz sein, das einem einfällt. Möglicherweise ging da seine Expertise als "People Manager" etwas mit ihm durch. Auch die anschließenden, zumindest gut gemeinten Positionierungen zum Ukrainekrieg und dem gegenwärtigen Erstarken des Rechtspopulismus wollten nicht so recht ins Bild passen. Der Psychologe betonte wiederholt den Punkt der Verantwortung für die eigene Mentalität. Er lenkte selbst ein, diese sei nicht unbegrenzt, jedoch ohne dies weiter auszuführen. Insgesamt blieben Widrigkeiten des Lebens und wie sich diese auf unsere Freiheit auswirken sowohl in Dieter Freys als auch Hannah Monyers Beitrag unberührt. Somit hinterließen beide Vorträge einen dezenten Nachgeschmack von naivem Optimismus.

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