"Die Schriftstellerin, ihr Film und ein glücklicher Zufall"

Hong Sang-soos Film läuft im Heidelberger Karlstorkino

Künstler und ihre Schaffenskrisen: Der Film von Hong Sang-soo läuft an mehreren Tagen im Januar.

05.01.2023 UPDATE: 06.01.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 35 Sekunden
Szene aus „Die Schriftstellerin, ihr Film und ein glücklicher Zufall“. Foto: Grandfilm

Von Wolfgang Nierlin

Heidelberg. Die angesehene Schriftstellerin Kim Jun-hee (Lee Hye-young), die zu Beginn des Films eine Buchhandlung betritt, leidet unter einer Schreibblockade. Später erläutert sie ihren Plan, einen Film drehen zu wollen – und definiert damit ihr ästhetisches Programm. Ihr digital aufzunehmender Film sollte in einer einfachen Geschichte die Nähe zu den Figuren ins Zentrum stellen und dabei echt und realistisch ihre Gefühle, Blicke und Gesten einfangen, und zwar jeweils möglichst in einer Einstellung. Genau und strukturiert sollte die Handlung sein, die wirkliches Leben abbildet, ohne dieses dokumentarisch beglaubigen zu wollen.

Die filmpoetologischen Grundsätze von Jun-hee treffen auch auf die Filme des südkoreanischen Autorenfilmers Hong Sang-soo zu. In seinem neuen, selbstreflexiven Werk "Die Schriftstellerin, ihr Film und ein glücklicher Zufall", in dessen Mittelpunkt die Schaffenskrisen mehrerer Künstler stehen, zeichnet er insofern zugleich die Umrisse eines Selbstporträts.

Der Besuch von Jun-hee in der Buchhandlung eröffnet den Reigen einer Reihe zufälliger Begegnungen. Die klare, eng verzahnte Struktur des in harten Kontrasten aufgenommenen Schwarzweißfilms enthüllt eine kunstvoll gebaute Erzählung mit spiegelbildlicher Motivik, die sich in langen Gesprächen entfaltet. Nachdem Jun-hee von der Buchhändlerin erfahren hat, dass diese nicht weiter ihre schriftstellerischen Ambitionen verfolgt, trifft sie auf den Filmregisseur Hyojin. Dieser gibt zu verstehen, dass er nach der Überwindung einer Schaffenskrise in eine entspanntere und reinere künstlerische Phase eingetreten sei. Schließlich treffen die beiden die beliebte Schauspielerin Kil-soo (Kim Min-hee), die sich trotz ihres Erfolges aus dem Filmgeschäft zurückgezogen hat.

Während Hyojin bedauert, Kil-soo verschwende ihr Talent, verteidigt Jun-hee die Entscheidung: "Jeder bestimmt sein Leben selbst." Kurz darauf schlägt sie der Schauspielerin ihr Filmprojekt vor, um ihre eigene Schaffenskrise zu überwinden. Da die bekannte Darstellerin Kim Min-hee im wirklichen Leben die Frau des Regisseurs Hong Sang-soo ist, resultiert aus der fiktiven Konstellation eine persönliche Referenz, die am Schluss in einer intimen, in Farbe gedrehten Liebeserklärung kulminiert. Leben und Film sind in den vielzähligen Variationen von Hongs stetig wachsendem Werk also eng verzahnt.

Scheinbar absichtslos und in Abschweifungen folgt der Regisseur seinen Protagonisten, um in Details und mit genauer Verhaltensbeobachtung ebenso ernst wie ironisch ihre Charaktere, Krisen und Absichten zu enthüllen. Dabei verfolgt Hong Sang-soo keine "Lösungen", sondern bevorzugt offene Enden. Diese sind so ungewiss wie der rätselhafte Blick jenes kleinen Mädchens, das einmal sein Gesicht in einer magischen Szene aus dem hellen Gegenlicht an die Scheibe eines Restaurants drückt, um Kil-soo zu beobachten. Die beiden könnten Mutter und Tochter sein.

Info: Heidelberg, Karlstorkino/Südstadt: 8., 13., 15. und 21. Januar.

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