"Historisches mit Zeitgenössischem verbinden"
Dr. Alban von Stockhausen gibt einen Ausblick auf das kommende Japanfest

Im vergangenen Jahr feierte das Japanfest im Völkerkundemuseum Heidelberg große Erfolge. Am Wochenende geht es in die zweite Runde. Im RNZett-Interview mit Sabrina Ranaldi erzählt Museumsdirektor Dr. Alban von Stockhausen von der japanischen Kultur im Allgemeinen, und dem Potenzial von Jugendsubkulturen im Speziellen.
Herr von Stockhausen, wie kam es ursprünglich dazu, dass Sie beschlossen haben, ein Japanfest im Völkerkundemuseum zu veranstalten?
Ich habe vorher in Bern am Historischen Museum gearbeitet und dort auch ein Japanfest ins Leben gerufen. Es wurde zu einem Selbstläufer. Es hat mir großen Spaß gemacht, weil dieses Thema viele Leute anzieht – vor allem junge Leute. Die möchte ich auch ins Museum bringen. Im vergangenen Jahr wollten wir dann einfach mal versuchen, ob so etwas auch hier in Heidelberg funktioniert. Letzten Endes kamen zweieinhalbtausend Leute an einem Wochenende. Das Japanfest wurde aus dem Stand heraus zum größten Publikumsmagneten des Museums.
Was fasziniert Sie besonders an der japanischen Kultur?
Dass Japan es schafft, Historisches mit Zeitgenössischem zu verbinden. Das sieht man, wenn man dort hinreist. In Tokio hat man Pop-Kulturviertel voll von Neon-Reklamen, Computerspielen, Animes sowie Mangas. Gleichzeitig gibt es auch das alte Japan, das nach wie vor sehr präsent ist. Es existieren keine Berührungsängste oder Vorbehalte, etwas zu übernehmen und sich gegenseitig zu inspirieren. Das ist auch ein Punkt, der jetzt in unserer Cosplay-Ausstellung im Zentrum steht.
Cosplay, das Nachstellen von fiktiven Charakteren, ist gerade bei jungen Menschen sehr beliebt. Was hat Sie dazu bewegt, das Thema als Ausstellung aufzugreifen?
Ich habe in Bern eine Samurai-Ausstellung und eine Japan-Sammlung betreut. Eines Tages wurde ich auf die Fantasy-Messe in Basel und andere Messen mit Japan-Bezug eingeladen, um dort kunstgeschichtliche Vorträge zu halten. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Besuch bei einer sogenannten Convention, die mehr als 10.000 Besuchende anzog. Aber das Publikum bestand nicht – wie man das im universitären Kontext gewohnt ist – aus älteren Akademikern in Tweed-Jacketts, sondern aus jungen Menschen in Pokémonkostümen und anderen bunten Figuren. Manche reckten ihre rosa Schwerter in die Luft und man kam ins Gespräch, weil sie viele der vorgestellten Gegenstände schon kannten. Ich fand das faszinierend, weil das alles junge Leute waren. Besonders gefreut hat mich zu sehen, dass die Cosplayer oft ein sehr umfangreiches Wissen über historische Objekte haben. Denn um die Dinge traditionstreu nachzubauen oder zu nähen, muss man verstehen, wie sie aufgebaut sind.
Dann haben Sie beschlossen, diesen jungen, interessierten Menschen Raum zu geben?
Diese Jugendsubkultur hat mich enorm fasziniert. Gleichzeitig habe ich festgestellt, dass viele Museumsbesuchende der Meinung sind, die alten Objekte seien wertvoller als die neumodischen. Über diese lachen sie meistens. Zum Beispiel, wenn da plötzlich ein rosa Samuraischwert aus Plüsch liegt. Das ist für viele Jugendkultur und wird nicht im selben Maß ernst genommen. Dem stimme ich nicht zu. Der Respekt vor zeitgenössischen Objekten sollte genauso vorhanden sein wie vor historischen.
Haben Sie selbst auch schon mal ein Cosplay-Kostüm entworfen oder getragen?
(lacht) Habe ich tatsächlich noch nicht. Meine Frau versucht mich immer zu überreden, meine Kinder auch. Noch schaffe ich es, als Museumsdirektor auf eine Convention, also eine Cosplay-Messe, zu gehen und diese Rolle zu spielen. Aber ich habe mich viel mit der Thematik auseinandergesetzt. Ich weiß gar nicht, welche Rolle ich einnehmen wollen würde.
Wie gut ist Ihre Cosplay-Ausstellung besucht?
Tatsächlich ziemlich gut. Viele junge Menschen kommen ins Museum, aber auch unser Stammpublikum. Grundsätzlich versuchen wir gerade, das Museum interaktiver zu gestalten und neue Besuchergruppen herzulocken. Ich glaube, mit dieser Cosplay-Ausstellung sind wir auf einem sehr guten Weg.
Womit rechnen Sie in diesem Jahr bei den Feierlichkeiten?
Das Publikum ist immer sehr respektvoll gegenüber der japanischen Kultur. Wir veranstalten das Fest gemeinsam mit dem Heidelberger Freundeskreis Kumamoto der den Kontakt zur Partnerstadt in Japan pflegt. Ich glaube, dass die Menschen unglaublich neugierig auf das sind, was die japanische Kultur zu bieten hat. Wegen der zahlreichen Angebote für Kinder rechne ich mit vielen Familien und generell einer sehr guten und friedlichen Stimmung, so wie im vorigen Jahr.
Welche Höhepunkte sind geplant?
Beispielsweise verschiedene Workshops, unter anderem für Origami. Für Kinder gibt es einen Bereich, in dem sie japanische Kimonos anziehen können. Der Kumamoto-Freundeskreis hat einen eigenen Stand, und es sind Konzerte, auch mit Taiko-Trommeln, geplant. Eine Teemeisterin veranstaltet eine Tee-Zeremonie und eine bekannte Kalligrafin aus London stellt uns einige ihrer Arbeiten für eine Ausstellung zur Verfügung. Zwei ihrer Schülerinnen werden im Rahmen des Fests großflächige Kalligrafien live ergänzen. Außerdem sind Kampfsport-Vorführungen geplant sowie ein Open-Cosplay-Catwalk. Hier können Cosplayer ihre Kostüme zeigen. Und dann wird es ganz viel Kulinarisches geben: verschiedene japanische Köstlichkeiten, darunter Getränke wie Yuzu-Limonade oder Matcha. Das Programm ist sehr breit aufgestellt und im Internet einsehbar.
Würden Sie sagen, das Fest ist hauptsächlich für Anime- und Cosplayfans?
Nein, ich glaube, es ist ein Familienfest – und ein Fest für alle, die Japan lieben und die japanische Kultur feiern möchten.
Info: Samstag, 28. Juni, 10 bis 22 Uhr und Sonntag, 29. Juni, 10 bis 18 Uhr, Garten des Völkerkundemuseums, Heidelberg. Eintritt frei. Weitere Informationen unter: www.vkm-vpst.de