Tausch Leinwand Computer

Burghart Klaußner erzählt Kriegsgeschichte seines Vaters

Burghart Klaußner vertauscht die Leinwand mit dem Computer. Der Schauspieler und gefragte Vorleser hat erstmals selbst ein Buch geschrieben.

11.09.2018 UPDATE: 11.09.2018 11:55 Uhr 1 Minute, 20 Sekunden
Burghart Klaußner: Vor dem Anfang, Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln, 176 Seiten, 18,00 Euro, ISBN 978-3-462-05196-4​. Foto: Kiepenheuer & Witsch Verlag/dpa

Von Nada Weigelt

Als Schauspieler gehört Burghart Klaußner zu den Großen des Metiers. Er spielte den gnadenlosen Vater in Michael Hanekes oscarnominiertem Drama "Das weiße Band", er war der entscheidende Richter in der Bestsellerverfilmung "Der Vorleser" und übernahm die Titelrolle des unerschrockenen Nazijägers in Lars Kraumes Film "Der Staat gegen Fritz Bauer". Mit 68 tritt Klaußner jetzt erstmals als Autor an. Unter dem Titel "Vor dem Anfang" legt er sein literarisches Debüt vor.

Um es vorweg zu sagen: Der schmale 173-Seiten-Band ist nicht wirklich - wie angekündigt - ein Roman, sondern eher eine Erzählung. Und sie scheint inhaltlich wie stilistisch seltsam aus der Zeit gefallen: Es geht um zwei schräge Typen der Fliegerreserve, die 1945 in den allerletzten Kriegstagen doch noch zwischen die Fronten geraten - schlicht, manchmal fast etwas altbacken erzählt.

Sein Vater habe ihm kurz vor seinem Tod 1987 berichtet, dass er am Kriegsende auf einer Toilette im Berliner Strandbad Wannsee erschossen werden sollte, sagte Klaußner im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Seither habe ihn das Thema beschäftigt, er habe die möglichen Umstände dieser Geschichte erzählen wollen.

Nach exakten historischen Recherchen zu den letzten Kriegstagen in Berlin schickt der Autor seine beiden Antihelden dann auf eine Odyssee quer durch die Stadt. Sie sollen die Geldkasse ihrer Einheit ins Reichsluftfahrtministerium bringen, verlieren sich in den Wirren der Rückzugsgefechte aus den Augen und treffen erst ganz am Schluss wieder zusammen - "Vor dem Anfang" eben, vor dem Neuanfang nach dem Krieg.

Fritz, Hauptfigur und Alter Ego von Klaußners Vater, nimmt alles um sich herum mit einer eigentümlichen Distanz wahr - als sei diese Apokalypse eine Art Abenteuerspielplatz, auf dem er nur zu seinem geliebten Schiff am Wannsee gelangen will. Selbst dass er in Notwehr eine russische Scharfschützin erschießt, trifft ihn nicht wirklich. "Verdammte Scheiße", denkt er, und: "Weg hier, weg!"

Reicht das mehr als 70 Jahre nach Kriegsende und angesichts der deutschen Schuld an der Katastrophe als Perspektive aus? Ein zweites Buch will Klaußner dem Vernehmen nach nächstes Jahr bei seinem Stipendienaufenthalt in der Thomas-Mann-Villa in Los Angeles schreiben.