Von Volker Oesterreich
Schrillen Punks, schrägen Vögeln und deprimierten Werktätigen nach der Maloche – ihnen allen begegnet man in dem Bestseller "Ost-Berlin" des Fotografen Harald Hauswald und des Schriftstellers Lutz Rathenow. 1987 erschien der Band der beiden DDR-Künstler zum ersten Mal. Nicht etwa im Osten, sondern im Westen. Das brachte die Stasi mächtig auf Trab und die Autoren erheblich unter Druck, denn sie zeigten einen ungeschminkten Blick auf den sozialistischen Alltag jenseits der Propaganda-Parolen des SED-Regimes.
Rathenow streifte als Flaneur durch Ost-Berlin und fing mit großer Sensibilität die unterschiedlichsten Impressionen ein, sei es in der "Wüste" der Plattenbau-Siedlung Marzahn, beim Studium der "authentischen Dichtung" hinter den Kneipen-Klotüren, in der Subkultur der bröckelnden Altbauten, wo auch schon mal gekifft wurde, in der selbstbewussten Schwulen-Szene oder bei den randalierenden Fans des Fußballklubs Union. Wehe, wenn die auf die Stasimannschaft des BFC Dynamo Berlin trafen.
30 Jahre nach der Wiedervereinigung wirkt dieser Band noch immer enorm frisch und belebend. Zugleich stimmt er nachdenklich. Es sind knappe, expressionistische Sätze, die einen da bannen. Und Bilder voller Wucht. Etliche Auflagen sind schon erschienen, nun liegt eine erweiterte Jubiläumsausgabe vor. Sie wurde um rund 30 Fotos, ein Grußwort des Schauspielers Jan Josef Liefers und einen klugen Essay des Historikers Ilko-Sascha Kowalczuk ergänzt. Letzterer beleuchtet die Machenschaften der Stasi-Offiziere und Kulturfunktionäre mit großer Genauigkeit.
Info: Harald Hauswald und Lutz Rathenow: "Ost-Berlin". Jaron Verlag, 144 S., 24 Euro.