Von Heribert Vogt
Heidelberg. Nah am Puls der Zeit sind die literarischen Neuerscheinungen aus dem Umkreis Heidelbergs im Frühjahr 2019 - denn Krimi-Spannung oder MeToo-Aktualität können unter die Haut gehen. Da legt etwa die Weinheimer Schriftstellerin Ingrid Noll (Jahrgang 1935), eine der erfolgreichsten deutschen Krimi-Autoren der Gegenwart sowie "Ehrenkommissarin" der Bonner Polizei, den neuen Roman "Goldschatz" vor. Und die in Heidelberg lebende deutsch-kroatische Schriftstellerin, Theaterautorin und Journalistin Jagoda Marinic (Jahrgang 1977), die als Kulturmanagerin das hiesige Interkulturelle Zentrum leitet, veröffentlicht den Titel "Sheroes", der von weiblichen wie männlichen Helden spricht. Marinic führt die weltweite MeToo-Debatte seit 2017 fort, die auch in Heidelberg hohe Wellen schlug.
Der mit Heidelberg eng verbundene syrisch-deutsche Schriftsteller Rafik Schami (Jahrgang 1946), einer der bedeutendsten Gegenwartsautoren, gibt den Band "Geheimnis" mit Kurzgeschichten prominenter Beiträger heraus. Zudem erscheint als Taschenbuch bei dtv Schamis Erinnerungstitel "Ich wollte nur Geschichten erzählen. Mosaik der Fremde" (24. Mai; 10,90 Euro). Allein bei dtv hat der Autor eine Gesamtauflage von über 1,8 Millionen Exemplaren erreicht.
Auch die Serie der Publikationen zu dem in Heidelberg geborenen Ernst Jünger (1895-1998) geht weiter. Im Erinnerungskorridor an den Ersten Weltkrieg vor hundert Jahren sind zahlreiche Veröffentlichungen über Jünger erschienen, einen der umstrittensten und bedeutendsten Schriftsteller der 20. Jahrhunderts. Nun folgt der Titel "Ernst Jünger. Gespräche im Weltstaat. Interviews und Dialoge 1929-1997". Der von Rainer Barbey und Thomas Petraschka herausgegebene Band gibt Einblick in Jüngers internationale Rezeption bis heute.
Schließlich ist die Heidelberger Poetikdozentur wieder Motor der lokalen Literaturtradition. Seit über 25 Jahren verstärkt die Reihe das literarische Beziehungsgeflecht Heidelbergs:
Hanns-Josef Ortheil (Poetikdozent 1998) veröffentlicht am 13. Mai das Buch "Wie ich Klavierspielen lernte" (Insel Verlag, 200 Seiten, 22 Euro). Der Autor, zugleich Pianist sowie Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus, wollte einst Konzertpianist werden.
Volker Braun (Poetikdozent 1996) wird am 7. Mai 80 Jahre alt. Zuvor erscheinen von dem Spitzenvertreter der früheren DDR-Literatur bei Suhrkamp, jeweils am 9. April, die Titel "Die Verlagerung des geheimen Punkts. Schriften und Reden" (320 Seiten, 28 Euro) sowie "Handstreiche" (112 Seiten, 18 Euro).
Ingrid Nolls aktueller Kriminalroman "Goldschatz" wird am 27. Februar 2019 erscheinen.
Von Krimi bis MeToo
Fünf junge Leute wollen es der Wegwerfgesellschaft zeigen: Tante Emmas altes Bauernhaus soll nicht abgerissen, sondern in eine alternative Studenten-WG verwandelt werden.
Allerdings für die Renovierung fehlt das Geld. Beim Ausmisten und Putzen stoßen sie auf allerhand seltsame Fundstücke. Gruseliges wie menschliche Knochen im Gemüsegarten, aber auch so manchen Flohmarktartikel, den man zu Geld machen kann. Und schließlich kommt ein Goldschatz wie gerufen für die aufwendige Instandsetzung.
Jedoch ist da noch jemand, der die Goldmünzen für sich beansprucht: ihr kauziger alter Nachbar. Die jungen Leute, die dem Konsumrausch eigentlich widerstehen wollen, vergessen zusehends ihre hehren Ideale, es kriselt in der neuen WG. Und tragische Folgen stellen sich ein. (Auch erhältlich als E-Book).
Ingrid Noll: "Goldschatz". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2019. Hardcover Leinen. 368 Seiten, 24 Euro.
Jagoda Marinic’ Buch "Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land" erscheint am 6. März.
Von Krimi bis MeToo
Derzeit bietet sich die Gelegenheit, offen über Männer und Frauen, über Rollenbilder und Macht zu reden. MeToo war ein öffentliches Gesprächsangebot, das wahrgenommen werden sollte.
Es sollte nicht scheitern in den gegenwärtigen Zeiten, in denen mit "Bikinis statt Burkas" um Wählerstimmen geworben wird. In der Vorschau des Verlags heißt es weiter:
"Geben wir der Debatte in Deutschland eine eigene Richtung. Nutzen wir als Frauen die Chance und definieren uns selbst. Erfinden wir neue Held*innenrollen. Und holen die Männer mit ins Boot. Denn im Kampf um Machtmissbrauch müssen alle an einem Strang ziehen. Dafür will dieses Buch ein Anstoß sein und Perspektiven zeigen. Ein Anstoß für all jene, die das längst wissen. Und für die anderen erst recht."
(Auch erhältlich als E-Book).
Jagoda Marinic: "Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land". S. Fischer Verlag, Frankfurt 2019. Hardcover, 144 Seiten, 12 Euro.
Rafik Schamis Sammelband "Geheimnis" mit Kurzgeschichten erscheint am 26. März.
Von Krimi bis MeToo
Geheimnisse werden gehütet, gepflegt und zärtlich gehegt - und sie sind der Stoff, aus dem die Literatur gemacht ist. Schriftsteller eignen sich Geheimnisse an und erschaffen dabei neue, nähern sich den Ambivalenzen, Unsicherheiten und Nuancen des Lebens, dem Dunklen und Zwielichtigen, dem Gefährdeten und Fragilen, mit denen das Geheimnis verwandt ist.
Root Leeb, Monika Helfer, Franz Hohler, Michael Köhlmeier, Nataša Dragnic sowie Initiator Rafik Schami spüren in den Kurzgeschichten dem Geheimnis in all seinen Erscheinungsformen nach, erzählen kunstvoll und sensibel von Spannungsfeldern, die Menschen bewegen: Öffentlichkeit und Intimität, Macht und Ohnmacht, Licht und Schatten.
Ein literarisches Abenteuer, ein Lesevergnügen. (Auch erhältlich als E-Book).
Rafik Schami (Hrsg.): "Geheimnis. Kurzgeschichten". ars vivendi Verlag Cadolzburg 2019. Hardcover, Leineneinband. 200 Seiten, 20 Euro.
Rainer Barbeys und Thomas Petraschkas Titel "Ernst Jünger. Gespräche im Weltstaat" erscheint am 22. Juni.
Von Krimi bis MeToo
Ernst Jünger international: Oft suchten Bewunderer und Journalisten aus aller Welt das Gespräch mit dem Schriftsteller. Viele Interviews erscheinen nun erstmals in deutscher Sprache.
In einer repräsentativen, kommentierten Auswahl wird die gesamte Zeitspanne abgedeckt, in der Jünger in seinem langen Autorenleben befragt worden ist. Von den ersten Interviews aus der Spätphase der Weimarer Republik bis zu letzten Gesprächen 1997, kurz vor seinem Tod.
Die Themen der Dialoge umfassen die vielen kontroversen Facetten des Autors. Jünger spricht aber nicht nur über seine polarisierenden Werke, sein Verhältnis zum Nationalsozialismus oder seine Erfahrungen mit Drogen. Verhandelt werden auch große politische und spirituelle Fragen in einer globalisierten Welt. (Auch erhältlich als E-Book).
Rainer Barbey, Thomas Petraschka (Hrsg.): "Ernst Jünger. Gespräche im Weltstaat". Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2019. 400 Seiten, 45 Euro.