Von Matthias Roth
Seit Beginn der Spielzeit 2019/20 ist Michael Pichler Chordirektor am Theater der Stadt Heidelberg und damit Nachfolger von Ines Kaun. Er studierte bereits die Chöre zu "Fidelio" ein und dirigierte ein Konzert des Bachchors. Vor der Premiere von Hans Gáls Oper "Die heilige Ente" am 7. März sprachen wir mit dem 1988 geborenen Südtiroler.
Herr Pichler, Sie wurde in Brixen geboren. Prägen einen das Hochgebirge und die Sprachvielfalt dieser Region?
Ja, sehr. Man hat eine interessante Mischung aus alpinem und mediterranem Charakter. Das spiegelt sich in allem wieder, in der Küche genauso wie in der Sprache. Und die Natur ist gigantisch! Es ist verblüffend: Ganz viele Menschen, die ich jetzt hier kenne, sind Südtirol-Urlauber. Ich habe schon seit über zehn Jahren Bekanntschaften in Heidelberg, die bei mir im Dorf Urlaub machen!
Beim Lesen Ihrer Biografie fällt einem auf, dass Sie sehr viel Operette machen. Hat das möglicherweise auch mit dieser kulturellen Prägung in Ihrer Heimat zu tun?
Nein. Nach dem Studium schaut man erst einmal, was man machen kann. Ein Freund von mir hatte schon vor längerer Zeit die Südtiroler Operettenspiele gegründet, deshalb bin ich dort eingestiegen. Man weiß ja unter Dirigenten, dass Operette die beste Schule ist.
Und schwierig. Ist die Klippe zum Kitsch nicht sehr steil?
Das ist wahr! Wie man in alten Büchern liest: "Es soll mit gutem Geschmack vorgetragen werden!" Und gerade da zeigt sich, ob man weiß, was mit diesem "guten Geschmack" gemeint ist. Vielleicht habe ich Operette ein bisschen mehr "im Blut" als andere. Auch durch das Studium in Wien hat man einen speziellen Zugang. Es ist dort irgendwie ein besonderer Zustand, eine Art Lebensgefühl, das man nur ganz schwierig beschreiben kann, weil es eigentlich eine Mentalitätsfrage ist. Was in Operetten so wahnsinnig wichtig ist: ob man ein Gespür für den Moment hat. Und das ist genau der Punkt, den man nicht mehr beschreiben kann.
Lässt sich das denn überhaupt lernen? Oder muss man das einfach in den Genen haben?
Es ist immer anders. Das einfachste Beispiel ist der "Donauwalzer" (singt den Auftakt). Wo kommt diese Eins? Das zaubert sich in den Raum und beginnt sich zu drehen... Das sind so Dinge, die man als Dirigent gar nicht zeigen kann, denn dann zerstört man’s schon! Da ist immer auch ein bisschen Magie dabei. Wie Gustav Mahler sagte: Das Wichtigste steht letztlich nicht in den Noten.
Stand bei Ihnen das Chordirigieren von Anfang an an erster Stelle?
Ich studierte Orchesterleitung. Aber weil ich in den letzten Jahren vermehrt mit Chören gearbeitet habe und die Schule des Wiener Singvereins genoss, hat sich das so ergeben. Der Wiener Singverein ist einer der besten Konzertchöre der Welt, mit dem exzellenten Chorleiter Johannes Prinz, der auch als Pädagoge sehr gefragt ist. Dieser Chor hat mich als Mitglied sehr geprägt, ich konnte unter all den berühmten Dirigenten dieser Welt singen.
Wie lange sangen Sie im Haus-Chor des Wiener Musikvereins?
Vier Jahre. Ich bin eigentlich immer noch Mitglied. Wenn ich ein paar Tage frei habe und es steht die Zweite Sinfonie von Mahler auf dem Programm, dann würde ich mir überlegen, nach Wien zu reisen, um mitzusingen.
Wie kamen Sie nach Heidelberg?
Ich habe in Wien vier Jahre für das Bachelor-Studium verbracht und war dann zwei Jahre in Mannheim an der Hochschule, wo ich bei Klaus Arp studierte. Es ist so, dass man sich nach dem Dirigierstudium in Wien in Deutschland umsieht nach einem Job als Kapellmeister oder Korrepetitor, weil es hier viel mehr Möglichkeiten gibt. Ich habe am Theater Regensburg auch korrepetiert, bin aber am Klavier nicht so das Ass, weshalb ich lieber dirigieren möchte. Wir proben gerade "Die heilige Ente" von Hans Gál, und das ist schwer zu spielen am Klavier! Drei Stunden lang die Konzentration halten, also ich weiß, was Korrepetieren bedeutet. Das ist ein harter Job. Da will ich lieber eine Gruppe leiten und künstlerisch tätig sein. Das kann man als Chordirektor besser. Gerade hier in Heidelberg hat man die Möglichkeit, auch den Bachchor zu leiten und ein Konzert im Jahr zu machen. Frühere Kollegen haben auch Vorstellungen nachdirigiert. Ich hoffe, dass ich auch einmal in den Genuss komme.
Spielt in Hans Gáls Oper der Chor eine große Rolle?
Ja, ziemlich sogar. Das ist eine wunderbare Musik. Wie Richard Strauss, garniert mit Humperdinck und ein bisschen später Brahms. Das klingt alles sehr satt im Orchester und auch im Chor.
Kommen Sie aus einer Musiker- oder Künstlerfamilie?
Nein. Ich bin nicht einmal in einer Stadt aufgewachsen, sondern in einem kleinen Dorf. Ich komme wirklich aus den Bergen – abseits der Zivilisation, könnte man sagen. Ich weiß auch nicht, woher der Wunsch kam, Musiker zu werden.
Haben Sie früh ein Instrument gelernt?
Ich lernte Tuba spielen, dann Klavier und Orgel.
Die Orgel wird auch auf dem Dorf gebraucht.
Tatsächlich bin ich bis heute in meinem Heimatort Organist und spiele an Weihnachten oder Ostern, wenn ich zu Hause bin. Da kann ich auch den Chor begleiten. Aber ich merke, dass ich langsam aus der Übung komme. Das Chorleiten hier und die Büroarbeit benötigen viel Zeit, ich bin ja auch Sekretär des Chordirektors und sein Assistent. Alles in einer Person. Das macht natürlich viel Arbeit, aber die mache ich gerne. Und es ist eine gute Schule und macht wahnsinnig viel Spaß!
Info: Hans Gál "Die heilige Ente". Premiere im Heidelberger Theater am 7. März um 19.30 Uhr. Kartentelefon: 06221 / 5820000.