Tanzbiennale Heidelberg

Ein Fest unter Freunden

Flamenco mit Israel Galván.

22.07.2021 UPDATE: 23.07.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden
Überzeugendes Trio: Der Tänzer und Choreograph Israel Galván (r.) mit David Lagos (Gesang) und Requena Barrionuevo (Gitarre). Foto: Krämmer

Von Isabelle von Neumann-Cosel

Heidelberg. Von den vielen Tänzen mit folkloristischen Wurzeln ist nur wenigen der internationale Durchbruch gelungen: Die Samba gehört dazu, der Tango und natürlich der Flamenco. Allen Dreien ist gemeinsam, dass sie weit mehr beinhalten als nur Tanzschritte und -bewegungen – in diesen Tänzen manifestiert sich eine ganze kulturelle Welt; sie sind untrennbar mit einer ganz eigenen Musik und einem speziellen emotionalen Kosmos verbunden.

Für ein regelrechtes Flamenco-Fieber in den 1980-er Jahren war ein Tänzer mitverantwortlich: Antonio Gades, männlicher Hauptdarsteller im "Carmen"-Film von Carlos Saura (1983). Flamenco ist ein Tanz der Stärke, der in eine Welt voll nahe liegender Klischees entführt zu stolzen Frauen und den Tod herausfordernden Toreros. Flamenco-Tänzer finden sich per se in der Macho-Rolle wieder. So klingt eine Anekdote glaubhaft, nach der sich Antonio Gades sich dem legendären Rudolf Nurejew als "bester Tänzer der Welt" vorgestellt hatte. "Willkommen im Club", soll dessen schlagfertige Antwort gewesen sein.

Superlative sind immer angreifbar – aber Antonia Gades, der regelrecht mit einer tänzerischen Rolle verschmelzen konnte, ist unvergessen für seine Kunst, Licht und Schatten im Tanz mit derselben Eleganz auszuleuchten. Gades war ein begnadeter Darsteller – sein Nachfolger im internationalen Flamenco-Rampenlicht, Joaquín Cortés, war ein begnadeter Selbst-Darsteller. Legendär wurde sein Auftritt auf der Weltausstellung in Hannover, wo er im roten Armani-Kleid mit meterlanger Schleppe und weit entblößtem Oberkörper die erotischen Phantasien beiderlei Geschlechter effektiv anheizte. Mehr Klischees gehen freilich nicht – ein neuer Flamenco-Weltstar musste notgedrungen auch neue Wege gehen.

Hier schlug die Stunde von Israel Galván aus Sevilla. Der 47-Jährige hat nicht nur eine ganz eigene, frappierende Tanztechnik entwickelt, sondern den Flamenco in seinen preisgekrönten Choreografien von folkloristischem Ballast befreit und in die Gegenwart katapultiert. So ist es eine kleine Sensation, dass der weltweit gefragte Tänzer bei der Heidelberger Tanzbiennale in der Hebelhalle gastierte, zum ersten Mal überhaupt in der Metropolregion. Gezeigt hat er eines seiner Signaturstücke, "La Edad de Oro", in dem er in das Goldene Zeitalter des Flamenco zum Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts führt. Zurück zu den Wurzeln – so könnte das alles einmal angefangen haben, mit einem Fest unter guten Freunden.

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Drei Männer – ein Gitarrist (Requena Barrionuevo), ein Sänger (David Lagos) , ein Tänzer (Israel Galván) befeuern sich gegenseitig im spielerischen Wettbewerb, wechseln die Stimmungen so schnell wie im wirklichen Leben und halten dabei auf frappierende Weise einen gemeinsamen Rhythmus. Schwarzes Outfit für alle, drei Stühle und ein perfekt komponiertes Licht – der Rest dieses Stückes lebt von den Fähigkeiten Galváns, das schwierigste aller Kunststücke perfekt zu beherrschen, nämlich Schweres ganz leicht aussehen zu lassen.

Seine rasante Fußtechnik, die mit "Steppen" nur unzureichend beschrieben ist, würde eigentlich eine hohe Spannung im Oberkörper erwarten lassen. Bei Galván hingegen bleibt der gesamte Körper lässig im Fluss. Umso wirkungsvoller sind eruptive Ausbrüche, in denen er für Momente wie eine Statue einfriert. Und wenn keine Steigerung mehr möglich erscheint, bricht ein Fingerschnipsen den Moment mit Selbstironie auf.

Galván tanzt nicht nur, sondern benutzt seinen Körper als Rhythmusinstrument – weit virtuoser als im zeitgenössischen Beatboxing. Dabei ergibt sich die Virtuosität beiläufig – der gesamte fast zweistündige Abend vermittelte den Eindruck spielerischer Improvisation. Natürlich ist jedes Detail austariert, setzt die Beleuchtung den Tänzer ins rechte Licht – aber Leichtigkeit und Humor als Zutaten für den Macho-Tanz verfehlten auch in Heidelberg ihre Wirkung nicht. Großer Beifall – und am Ende gar ein Kniefall von Hausherr Bernhard Fauser.

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