Mal provokant, mal familiär: Sido. Foto: dpa
Von Carolin Oesterreich
Frankfurt. Richtig gehört: Sido ist „wieder zurück“, jedoch nicht so, wie es 2008 in dem Album „Ich und meine Maske“ verkündet wurde. Stattdessen zeigt er mit seinem jüngsten, eher massentauglichen Projekt, dass er auch eine andere Seite aufziehen kann. Deshalb passt der Titel „Ich und keine Maske“ für den ehemaligen Maskenträger besser.
Stücke des neuen Albums und seine „Klassiker“ bilden eine gute Mischung beim Liveauftritt in der Frankfurter Jahrhunderthalle. Die Fans kamen voll auf ihre Kosten. Vom ersten Moment an. In seiner authentischen Art spulte Sido sein Programm nicht etwa ab, sondern er gestaltete ein rundes Konzert mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Er kokettierte damit, bei der Show „The Voice of Germany“ auf dem letzten Platz gelandet zu sein. Seine Sympathie und Energie ließen in Frankfurt sogar seine angeschlagene Stimme und die daraus resultierenden kleinen Patzer komplett in den Hintergrund rücken.
Sido präsentierte sich sehr nahbar, indem er auch das Publikum mit einbezog. So sprach er auch die Jüngsten direkt an, spielte anschließend ein passendes Lied und ging weiter zu persönlichen Songs über das Elterndasein. Es kam eine richtig familiäre Stimmung auf, unterstützt durch Sidos Sohn, der am Schlagzeug den Ton angab.
Nicht nur seine Familie wurde einbezogen, auch seine diversen Gäste setzte er gekonnt in Szene. Besonders herausstechend war Sidos Interaktion mit der Backgroundsängerin Karen Firlej, die er auf der Hauptbühne positionierte, während er selbst auf der kleinen Bühne in der Menge verblieb. Hier erreichte das sonst eher nüchterne Bühnenbild eine ideale Wirkung. Bei „Carmen“ wurde eine kitschig-romantische Atmosphäre geschaffen, die nicht besser dazu hätte passen können.
Ganz klar wird: Sido, bürgerlich Paul Würdig, ist nicht nur einer der erfolgreichsten Rapper, sondern auch eine Legende der deutsch Rap- und HipHop-Szene, die er maßgeblich geprägt hat. Alles begann mit zwanglosen Open-Mic-Sessions im Royal Bunker in Berlin, nach dem später auch ein Album benannt wurde. Er gründete das Rap-Kollektiv „Die Sekte“, das von dem erfolgreichen Label „Aggro Berlin“ entdeckt wurde und insgesamt sechs „Ansagen“ herausbrachte. 2004 kam mit „Maske“ sein erstes Soloalbum heraus, ausgezeichnet mit einer Goldenen Schallplatte. Die kurz zuvor erschiene Single „Mein Block“ gilt als Klassiker des deutschen Raps.
Naheliegend, dass mit „Mein Block“ und „Wie Papa“ das Konzert der „Tausend Tattoo“-Tour eröffnet wurde. Dass sich unter den Konzertbesuchern Euphorie und der Wille nach mehr ausbreitete, merkte man daran, dass immer wieder die eingängige Melodie des „Arschficksongs“ skandiert wurde. Dieser provokante Song ist ein Muss auf jedem Sido-Konzert. Er ließ die Menge jedoch lange darauf warten und stichelte seine Fans mit der Wahl, ob sie diesen Song oder doch lieber den aus dem Radio bekannten Hit „Einer dieser Steine“ hören wollen. Es sind gerade solche kleinen Provokationen, die beim Publikum so gut ankommen.
Nach gut zwei Stunden leerte sich die Jahrhunderthalle in der Gewissheit: Das nächste Sido-Konzert wird wieder ausverkauft sein.