Christian Adam - Der Meister der Narrenhände
Adam starb mit 79 Jahren an Corona. Nicht das "Was", sondern das "Wie" war für den Heidelberger Künstler wichtig.

Von Hans Gercke
Heidelberg. Ist vor wenigen Tagen mit Jürgen Beß ein Politiker verstorben, der sich mit bemerkenswertem Engagement um das Heidelberger Kulturleben verdient gemacht hat – man denke nur an den Erweiterungsbau des Kurpfälzischen Museums mit dem Kunstvereins-Neubau –, und mit Manfred Lamy nur wenig später ein nicht minder engagierter Förderer von Kunst und Kunstschaffenden, so traf es jetzt einen der originellsten, um nicht zu sagen skurrilsten Vertreter der Heidelberger Künstlerszene: Am 21. Januar starb Christian Adam als Opfer der Corona-Pandemie.
Überregional bekannt wurde der 1941 im schlesischen Oppeln geborene Maler, der in Köln, Frankfurt, München und Berlin seine Ausbildung erhielt, vor allem durch seine seit 1978 entstandenen "MBO"s. Die Abkürzung steht für "Makrobiologische Organismen" und bezieht sich auf Bilder, die ihre Herkunft aus Tachismus, Action Painting und Abstraktem Expressionismus nicht verleugnen, sich auch durchaus der Einbeziehung des – mehr oder weniger gesteuerten – Zufalls bedienen, sich aber zugleich vom Schaffen der Avantgarde-Altmeister scharf abgrenzen. Denn, so Adam: "Hat der Abstrakte Expressionismus ausschließlich mit unterbewusster Gestik gearbeitet, so arbeite ich bewusst an den Bausteinen chaotischer, entropischer Ordnungszustände".
Das Zitat belegt, ebenso wie die Titel solcher Arbeiten – etwa "Urknall" oder "Antibodies", die Affinität des Künstlers zur Wissenschaft, von der er sich aber auch bewusst abgrenzte, denn, ein weiteres Zitat: "Für die Wissenschaftler beschränkt sich die Frage auf den Anfangs-, Endzustand, das Wenn-Dann, für den Bildenden Künstler jedoch, der den Endzustand eines Bildes noch nicht kennt, nicht kennen kann, geht es primär um den Prozess des Entstehens: Nicht das Was, sondern das Wie wird zur Prämisse erhoben".
Dass dabei immer auch Schalk und Ironie mit im Spiel sind, mindert nicht die Seriosität der zu Grunde liegenden Überlegungen und der daraus resultierenden künstlerischen Konzepte. Zu diesen gehört auch eine von Adam entwickelte sehr spezifische Variante jenes Themas, das die Malerei immer wieder und in der Moderne in besonderem Maß beschäftigt und zu vielfältigen, konträren, originellen, genialen und verblüffenden Lösungen inspiriert hat: die in der außerkünstlerischen Realität absolut unüberbrückbare, in Traum, Fantasie und Kunst aber sehr wohl überschreitbaren Grenze zwischen den Dimensionen Fläche und Raum.
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So folgen auf die mikrobiologisch wimmelnden MBOs Arbeiten aus Polyaethylen, die flächig bemalt, dann aber zu in Objektkästen gerahmten Reliefs zerknüllt werden, wobei das Gewimmel der Formen und Farben sich zu neuen, gleichermaßen virtuellen wie konkreten Konstellationen verbindet.
Der Schritt in die dritte Dimension führte dann zu einer weiteren Werkgruppe, zu allerlei postdadaistischen Jux-Objekten, die virtuos auf dem schmalen Grat zwischen Banalität und hintergründigem Tiefsinn balancieren. Szenische Lesungen, Musikperformances, Arbeiten im öffentlichen Raum, Einzel- und Gruppenausstellungen, keineswegs nur in der Region, komplettierten das biografische Spektrum des Künstlers, der 2011 am Projekt "Ver-rückt" der Sammlung Prinzhorn beteiligt war und 2012 mit dem Willibald-Kramm-Preis geehrt wurde.
Nicht zuletzt sind seine in mehreren Büchern publizierten Zeichnungen zu erwähnen, liebevoll-bösartige, erfrischend tabulose, mit kraftvoll energischem Strich hingeworfene Karikaturen, die mit kongenialen Texten konfrontiert werden, deren Bezug zum Bild manchmal offensichtlich, in anderen Fällen aber zumindest zunächst eher unerfindlich ist. Adam liebte das Spiel mit Gegensätzen, liebte die Provokation, die Herausforderung der Betrachtenden, die sich ihren eigenen Reim machen sollen auf das, was im Buchtitel als "Narrenhände" (Morio-Verlag Heidelberg) bezeichnet wird.
Manchmal freilich sind die Texte sehr ernst, vor allem, wenn es um den Tod geht: Eine Golgatha-Zeichnung hat Adam mit folgendem Text kommentiert: "Jesus starb als Erlöser, sein Tod hatte ein Motiv. Anders bei den unzählig Dahingemordeten, ihr Tod hatte keinen Sinn, ihnen hatte man das Motiv geraubt. Darum ist Sterben nicht gleich Sterben und Tod nicht gleich Tod". Ob er daran gedacht hat, dass Jesus nach der Legende – viele Male wurde dies in der Kunst dargestellt – über dem Schädel des ersten Menschen, dem Schädel Adams, gekreuzigt wurde?