Astrid Kessler (Cio-Cio-San), Uwe Eikötter (Goro) und Irakli Kakhidze (Pinkerton) in Mannheim. Foto: Hans Jörg Michel
Von Matthias Roth
Mannheim. Neulich sagte jemand, das Corona-Virus sei wie Aids: Man müsse einfach damit leben, dass es das gibt und sich entsprechend verhalten. Heißt auch: Das wird uns noch lange begleiten.
Am Mannheimer Nationaltheater hat man sich offenbar darauf eingerichtet, denn man rüstet Repertoire-Opern nach im "Corona-Design": 90 Minuten lang, keine Kontakte auf der Bühne, das Orchester abgespeckt auf Instrumentalsolisten. Nach der "Zauberflöte" folgte nun "Madama Butterfly" in Kurz-und-knapp-Fassung. Ob das die Lösung ist?
Es wirft zumindest Fragen auf: Warum waren Opern vorher so lang, wenn es jetzt auch kurz geht? Warum waren die Orchester so groß, wenn es kleinere Besetzungen ja offenbar auch tun? Nun sind es 16 statt 90 Musiker im Graben, das ist Kurkapellengröße und -Sound (Musikalisches Arrangement: Christian Dellacher). Ein Zukunftsmodell? Aber die wichtigste Frage lautet: Würde man das mit Wagner auch machen? "Tristan" in 90 Minuten mit solistisch besetztem Orchester? Kaum anzunehmen. Zumindest nicht in der Wagner-Stadt Mannheim. Doch Puccini, der kann das vertragen?
Nein, das kann er nicht. Das bewies die jetzige Produktion, die zwischen halbszenisch-konzertanter Aufführung (1. und 3. Akt) und reduziertem Bühnengeschehen (2. Akt) schwankt und mit viel Videos arbeitet. Das Ideenkonzept von Roland Horvath in der Regie von Maria-Magdalena Kwaschik gaben mit queerem Pfeffer ein bisschen Transengewürz hinzu, wohl in der Hoffnung, dass dann die vorgenommenen Kürzungen von ca. eine Stunde weniger ins Gewicht fallen.
Aber ein wirklicher Opernabend wird das Ganze dadurch nicht. Cio-Cio-San, genannt "Butterfly", als Hermaphrodit – dieser szenische Ansatz ist darüber hinaus recht abwegig. Aber mehr als ein überzeugender Regieeinfall fehlt dem Abend die Sinnlichkeit des Klangs. Und die Zeit für die Entfaltung von Gefühlen, das Nachsinnen über Hoffnung und Enttäuschung, Mutterglück und Einsamkeit.
Puccini als musikalischer Comic Strip, das ist, bei aller Kürze, vertane Zeit, zumal die Reduktion auf die Größe eines Kurorchesters durch Originalität in der Bearbeitung nicht wettgemacht wird. Das ist Musiktheater, das große Oper mimt mit nur dürftigen Mitteln. Ein fragwürdiges Konzept für echte Opern-Junkies, denen es letztlich egal ist, ob ihr Stoff mit Strychnin versetzt ist.
Als Solistin ließ Astrid Kessler in der Titelrolle erahnen, welche Chance Puccini für sie wäre, würde ihr Sopran in Streichersamt gebettet. Ihre Stimme gibt der Rolle viele Facetten, die hier aber meist vom rauen Putz des Orchesters überdeckt werden. Irakli Kakhidzes Pinkerton war demgegenüber vor allem laut, und sein ernster Ton wurde schnell larmoyant.
Das extrem eingedampfte Nationaltheaterorchester konnte die Balance zwischen Bläsern und Solostreichern kaum ausgleichen. Dirigent Janis Liepins versuchte es kammermusikalisch, doch die Schlussszene war so freilich kaum überzeugend. Da braucht es einfach mehr Wumms – und folglich mehr Instrumente.
Info: Kartentelefon: 0621/1680150.