Die Heidelberger Sinfonikerunter ihrem neuen Chefdirigenten Johannes Klumpp probten währen der Pandemie mit gebotenem Abstand und konnten sogar ein paar CD-Aufnahmen für ihre Haydn-Serie machen. Foto Christian Bartle
Von Matthias Roth
Für freischaffende Musiker war das Jahr 2020 besonders hart: Nicht nur der erste "harte", auch der "weiche" zweite Lockdown zwang eine ganze Branche zum Stillstand. Die Zeit dazwischen war auch nicht, wie zunächst erhofft, verlaufen: Viele spielten vor meist weniger als halbvollen Sälen, oft zweimal hintereinander fürs gleiche Geld, und das Weihnachtsgeschäft fiel vollkommen aus. Eine finanzielle Katastrophe für Musiker jeder Couleur und alle Beschäftigten in der Musikbranche: Pop wie Klassik, Jazz und Avantgarde sind gleichermaßen betroffen wie Kirchen- oder Schulmusiker. Wir blicken mit Michael Neuhaus, Kontrabassist und Gründungsmitglied der Heidelberger Sinfoniker, zurück - aber auch nach vorn.
Herr Neuhaus, wie ist es Ihnen und den Musikern, mit denen Sie zusammen bei den Heidelberger Sinfonikern spielen, im Jahr der Pandemie ergangen?
Es war schwierig, Musiker in Not zu sehen und gleichzeitig die Diskussion über den Stellenwert der Kultur zu ertragen. Das war nicht leicht. Aber im Endeffekt hoffe ich, dass der "Solo-Selbständige" und die freischaffenden Ensembles endlich mehr in den Fokus gerückt sind und ihre große Funktion im regionalen und bundesweiten Kulturleben endlich bemerkt worden ist. So hätte auch dieses Jahr letztlich nicht nur schlechte Seiten gehabt: Denn die Vielfalt der Blumenwiese macht letztlich ihre Qualität aus.
Woran lesen Sie diese erhöhte Aufmerksamkeit für die freie Szene ab?
Sie war etwa bei unseren "Freunden und Förderern" zu spüren. Die Treue unserer Unterstützer hat uns viel Kraft gegeben. Allen voran die Sparkasse Heidelberg, unser Freundeskreis, Dr. Renate Keysser-Götze und Prof. Dietrich Götze mit ihrer Athenaeum-Stiftung, Sigrid Dulger und ihre Stiftung, Martina Zoebele und Ralph Weidenhammer mit ihrer Haus&Co Projektmanagement GmbH - sie alle haben uns Kraft gegeben, das durchzustehen. Wir freuen uns aber besonders, dass auch "alte Freunde" sich wieder mehr engagieren und uns helfen, das Erbe von Orchestergründer Thomas Fey fortzuführen. Wir danken besonders der "Kalkmann Wohnwerte GmbH", die wieder ganz stark mit ins Boot gekommen ist. Und auch neue Freunde wurden gewonnen!
Was war denn trotz Corona das für Sie positivste Ereignis des Jahres?
Das positivste Ereignis 2020 war sicher die Wahl von Johannes Klumpp zum neuen Künstlerischen Leiter unseres Orchesters. Das gibt Sicherheit und Auftrieb in der musikalischen Arbeit. Dank vieler Spenden konnten wir im sommerlichen Lockdown sogar zwei neue CDs unserer Haydn-Gesamteinspielung mit Johannes Klumpp im Palatin Wiesloch aufnehmen: Auch diesem Haus gilt ein herzliches Dankeschön dafür, dass das möglich war. Es war ein musikalisches Abenteuer, das uns alle enorm zusammengeschweißt hat. Wir freuen uns sehr, mit Johannes Klumpp einen genauso engagierten, wie kompetenten Partner gefunden zu haben, um nicht nur die Gesamteinspielung der 110 Haydn-Sinfonien zu Ende zu führen. Wir haben Pläne geschmiedet und Programme für die nächsten drei Jahre entworfen. Es soll schon am 14. März im Schwetzinger Schloss losgehen, wo wir ein furioses Programm mit der Starsopranistin Simone Kermes präsentieren wollen - wenn es das Virus erlaubt. Aber wir sind sehr guter Hoffnung.
In Heidelberg sieht es derzeit ganz unabhängig von Corona schlecht aus mit Veranstaltungsorten: Wie gehen die Sinfoniker damit um?
Das ist wirklich eine Katastrophe. Für ein Orchester unserer Größe gibt es hier einfach keinen geeigneten Saal neben der Stadthalle. Wir sind auf Veranstaltungsorte in Schwetzingen und Wiesloch angewiesen und können nur hoffen, dass unser Publikum uns dorthin folgt. Ein echtes Dilemma, da hinzukommt, dass nur, wer in Heidelberg veranstaltet, auch in Heidelberg an den offiziellen Tafeln plakatieren darf. Corona hat auch uns die "kleine Form" und flexible Besetzungen gelehrt. Dank der Unterstützung durch das Kulturamt und das Regierungspräsidium Karlsruhe konnten wir Veranstaltungen wie unser Tanzprojekt "Carl Theodors Ballettwerkstatt" und eine schöne Hölderlin-Veranstaltung mit Timo Jouko Herrmann im DAI machen.
Planungen in eine unbestimmte Zukunft: Wie lässt sich denn der erhöhte organisatorische Mehraufwand bewerkstelligen? Ist da nicht viel mehr zu tun als vorher?
Ksenija Fedosenko feierte dieses Jahr ihr fünfjähriges Jubiläum als Leiterin unserer Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings. Wir wären nicht da, wo wir heute stehen, würde sie die Heidelberger Sinfoniker nicht tatkräftig und kreativ promoten und managen. Eine ganz wertvolle Mitarbeiterin, besonders in diesen Tagen, Wochen und Monaten. Dank aber auch an jeden einzelnen Mitarbeiter - das Team hat sich enorm bewährt.
Noch ein Satz zu den staatlichen Hilfen, die freien Künstlern in Corona-Programmen gewährt werden: Wie sind die Erfahrungen damit?
In Baden-Württemberg ist es uns da noch ganz gut ergangen - Kollegen und Ensembles aus anderen Bundesländern hatten wohl größere Probleme. Natürlich haben wir uns bei allen möglichen Förderprogrammen mit klassischen und auch ausgefallenen Projekten beworben - einen Zuschlag haben wir nur einmal bekommen. Wenn man die Listen der geförderten Projekte anschaut und die Zielsetzungen der staatlichen Programme studiert, kann man schon mürbe werden. Wie ich schon sagte, es ist schwer, die momentane Diskussion über den Stellenwert der Kultur zu ertragen. Man hat den Eindruck, als müsste die klassische freischaffende Szene besonders angestachelt werden, um kreative Ideen zu entwickeln. Aber die freischaffende Szene war immer kreativ und in vielem ein Trendsetter. Nehmen Sie alleine die "historisch informierte Aufführungspraxis", um die heute kein "modernes" Orchester mehr herumkommt: Sie entwickelte sich zuerst in der freien Szene.