Carla (Sarah Zelt) und Nina (Nadja Duesterberg) machen sich auf die Suche nach ihrer Schwester Marie. Dazu müssen sie sich in virtuelle Welten begeben. Foto: Nils Klinger
Von Ingeborg Salomon
HEidelberg. "Ihr müsst mit mir spielen". Ältere Geschwister kennen diese meist in höchstem Quengelton vorgebrachte Forderung. Doch bei Nina (Nadja Duesterberg) und Carla (Sarah Zelt), den älteren Schwestern von Marie, kommt erschwerend hinzu, dass die Jüngste des Trios gestorben ist und nun aus der virtuellen Welt heraus Bespaßung fordert. Denn Marie war in der Welt der Games so aktiv, dass sie sich oft in virtuelle Sphären geflüchtet hat, wenn die familiäre Realität ihr zu ungemütlich wurde. "Every heart is built around a memory" ist ein Stück von Markolf Naujoks, das am 2. September 2018 am Staatstheater Kassel Premiere hatte. Am Montag wurde es im Wettbewerb um den Jugendstückepreis im Heidelberger Zwinger3 gezeigt.
Marie ist gestorben und der Zuschauer hört Einzelheiten von ihrer Beerdigung, berichtet von ihren Schwestern. Die gesamte knapp einstündige Inszenierung wirkt über weite Strecken wie ein bebildertes Hörspiel, in Szene gesetzt durch ein großartiges Bühnenbild und eine eindrucksvolle Lichtregie. Die zurückgelassenen Schwestern - die toughe Nina und die sanfte, Bratsche spielende Carla - durchwandern in wechselnden Kostümen virtuelle Welten, immer auf der Suche nach Marie. Dabei erinnern sie sich daran, was sie mit ihrer kleinen Schwester erlebt haben. Denn Erinnerungen sind das, was bleibt, wenn ein Mensch nicht mehr da ist - wie man den Titel frei übersetzen könnte.
Marie hat sich offenbar in einer Welt versteckt, die schöner und wärmer ist als ihre chaotische Familiensituation. Die Mutter dieses Schwestern-Trios ist nämlich nicht nur ein chaotischer Messie, sondern auch so sehr mit sich beschäftigt und auf dem Esoterik-Trip, dass sie nackt in der Garage Meditationskerzen sucht und dabei nicht einmal mitbekommt, wie Marie dort gerade ihren ersten Kuss bekommt.
Pfiffige Requisiten wie eine Konfettikanone und Star Wars-Rüstungen aus Wellpappe sorgen ebenso wie das gefühlsstarke Sounddesign (ebenfalls von Markolf Naujoks) dafür, dass der Erzählstrom nie langweilig wird. Sarah Zelt und Nadja Duesterberg spielen sehr intensiv und authentisch und wurden vom jugendlichen Publikum zum Schluss stürmisch gefeiert.
Info: Ob "Every heart ist built around a memory" den Jugendstückepreis erhält, entscheidet sich am Sonntag. Mitbewerber im Zwinger3 sind das Staatstheater Braunschweig mit "Iason" (30. April, 11 Uhr) und das Schauspiel Hannover ("Nathan", 2. Mai, 11 Uhr).