Zwei Streiter für das gute Buch: der Verleger Manfred Metzner (links) und der "Börsenblatt"-Chefredakteur Torsten Casimir bei den Heidelberger Literaturtagen. Foto: Friederike Hentschel
Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Auf das Fragezeichen kommt es an. Wenn bei den Heidelberger Literaturtagen über das Thema "Kulturgut Buch am Ende?" diskutiert wird, so signalisiert das pointierte Symbol nach den Buchstaben, dass noch Hoffnung besteht. Zwar gehört eine gepflegte Portion Kulturpessimismus seit jeher zum guten Ton, egal ob in der Kino-, Theater-, Musik- oder Buchbranche, aber geistige Genüsse sind nach wie vor gefragt. Auch die Horizonterweiterung. Kein Grund also, mit krisengekräuselter Stirn zu menetekeln und eine Grabrede auf alles Schöne, Gute und Wahre anzustimmen.
Trotzdem sehen sich die Büchermacher, Händler und Leser mit einem rasanten Wandel konfrontiert, speziell in den vergangenen 10, 15 Jahren. Darüber diskutierten der stets umtriebige Heidelberger Wunderhorn-Verlager Manfred Metzner und der Kulturwissenschaftler Torsten Casimir, der seit 2006 Chefredakteur des "Börsenblatts des deutschen Buchhandels" ist.
Zwei Experten, zwei Positionen. Metzner klagte über "den Niedergang des unabhängigen Buchhandels", klagte über die Insolvenz des Großvertriebs KNV, der an seinem eigenen Größenwahn gescheitert sei, und er mokierte sich darüber, dass gute, fadengeheftete Belletristik aus den großen Buchhandelsketten verdrängt werde. Er sprach sich dennoch dafür aus, weiterhin für die Qualität zu kämpfen: in politischen Gremien, bei den Lesern - oder so wie jetzt im Spiegelzelt der Literaturtage, zu deren Initiatoren Metzner vor 25 Jahren gehörte.
"Vielleicht braucht es wieder eine Graswurzelbewegung wie in den 1960er und 1970er Jahren", sagte er. Ansätze dazu gebe es viele, "etwa die Fridays for Future"-Bewegung.
Torsten Casimir sieht keinen Grund dafür, Weh und Ach zu rufen: "Die Zahl der Buchkäufe wächst wieder", zeigte er sich optimistisch. Zwar habe man von 2013 bis 2017 ein Minus von 6,5 Millionen Buchkäufern verzeichnen müssen, aber jetzt gehe es überall bergauf: "Die Belletristik und die Ratgeber laufen gut, das Sachbuch geht durch die Decke." Auch im Kinder- und Jugendbuchbereich zeigten die Kurven nach oben.
E-Book und Lesegeräte führten nicht dazu, dem gedruckten Buch den Garaus zu machen. "Wir haben eine Plateaubildung erreicht, E-Books liegen seit mehreren Jahren konstant bei ca. zehn Prozent", 90 Prozent machten noch immer die gedruckten Bücher aus. Trotzdem müsse man sich Gedanken über das geänderte Konsumverhalten der Kunden machen.
Als Stimme aus dem Publikum wies der preisgekrönte Buchhändler Clemens Bellut darauf hin, dass in Heidelberg die Zahl der unabhängigen Buchhandlungen keineswegs rückläufig sei, "im Gegenteil, es wurden vier neue gegründet". Was ihn ärgert, ist die Tatsache, dass Käufer in manchen Buchhandelsketten aus purer Bequemlichkeit zu hören bekämen, dieser oder jener Titel sei nicht mehr lieferbar. "Zu Hause merken die Leute dann am PC sehr schnell, dass das nicht stimmt." So verprellt man Kunden, die an den Online-Handel verloren gehen. Merke: Ohne guten Service läuft nichts.