Temperamentvolles Spiel gab es öfter bei den "Standpunkten" im Rahmen des Heidelberger Frühling: Hier mit Tianwa Yang (Violine), Igor Levit (Klavier) und Alisa Weilerstein (Cello). Foto: Studio Visuell
Von Christoph Wagner
Heidelberg. Mehr als ein Dutzend Kammerkonzerte bot der Heidelberger Frühling im Rahmen der Kammermusikakademie und der sich darauf beziehenden Reihe "Standpunkte" an - und das Heidelberger Publikum goutierte diesen Marathon: Alle Veranstaltungen waren gut besucht.
Und das hat sich gelohnt. Es wurde durchgängig auf sehr hohem Niveau musiziert und die Akademiedozenten Igor Levit (Klavier), Tianwa Yang (Violine) und Leonard Elschenbroich (Violoncello) führten die Stipendiaten zu einem Spiel, das sowohl musikalische Strukturen durch klare Phrasierung deutlich werden ließ als auch in hohem Maß die Emotionsgehalte der Musik auf das Publikum übertragen konnte.
Das französische Quatuor Bergen etwa überzeugte durch feinsinnige Leichtigkeit in Mozarts frühem Quartett F-Dur KV 168 ebenso, wie es im Abschlusskonzert zusammen mit dem Quatuor Debussy die saftige Sinnlichkeit in Osvaldo Golijovs (geb. 1960) "Last Round", einer Hommage an den argentinischen Tangokomponisten Piazzolla, mit Lust auskostete.
Die 17-jährige Geigerin Noa Wildschut fand zusammen mit der Cellistin Nina Hagen und Igor Levit in Beethovens "Geistertrio" zu solch einer interpretatorischen Geschlossenheit, dass man meinen konnte, ein seit Jahren eingespieltes Ensemble zu hören, während sie sich in den "Cinq danses champêtres" von Sibelius als selbstbewusste Solistin präsentierte.
Und immer wieder der 18-jährige Pianist Tony Yun aus Kanada: Er ist in Bu᠆sonis halsbrecherischer Bearbeitung von Bachs d-Moll-Chaconne ebenso brillanter Virtuose wie subtiler Erzähler von Kindergeschichten in Tschaikowskys "Kinderalbum" und Schumanns "Kinderszenen".
Und als umsichtiger Kammermusiker spielte er in dem Klavierquintett f-Moll von Brahms zusammen mit dem aus vier Geschwistern einer russisch-französischen Musikerfamilie bestehendem Quatuor Tchalik dessen existenzielle Dramatik so intensiv aus, dass diese Darbietung zu einem der Höhepunkte der Konzertreihe wurde.
Die boten dann auch die beiden "Bach-Intermezzi" von Tianwa Yang (Violine) und Alisa Weilerstein (Cello). In je zwei Partiten bzw. Suiten von Bach faszinierten sie durch technische Vollendung, hochintelligente, lebendige Strukturierung und tiefgehende emotionale Ausdrucksstärke.
Den fulminanten Schlusspunkt bildete dann am Sonntagvormittag Schostakowitschs letzte Sinfonie in einer Bearbeitung für Klaviertrio und vier Schlagzeuger: Bewundernswert, wie der beim Frühling vielseitig beschäftigte Schlagzeuger Gerassimez hier seine junge Truppe zu einem subtilen Kammermusikspiel führte, sodass zusammen mit Levit, Yang und Weilerstein eine Interpretation entstand, die das Publikum vollkommen in ihren Bann zog.
In seiner kurzen Dankesrede vor der Schostakowitsch-Sinfonie betonte der künstlerische Akademieleiter Igor Levit, dass gegenseitiges Vertrauen aller Beteiligten hauptursächlich für den Erfolg der Akademie sei, und wie von einer geheimen Regie bestellt, konnte man unmittelbar danach amüsiert bestaunen, wie locker man auch mit unvorhersehbaren Pannen umgehen kann, als Tianwa Yang in einen Kampf mit ihrem Notenständer geriet, der nur durch das Eingreifen zahlreicher Hilfskräfte und dem Aussortieren von zwei Exemplaren zu ihren Gunsten entschieden wurde. Auch Loriot hätte keine bessere Situationskomik erfinden können.