Daniel Hope (unten rechts) und Mitmusiker in der Stadthalle. Foto: Philip Benjamin
Von Simon Scherer
Heidelberg. Immer weiter geht der Kampf gegen den Krebs. Werden Forschungsprojekte nicht von der Pharmaindustrie finanziert, sind Wissenschaftler verstärkt auf Spenden angewiesen. Gerade der erste Anstoß hierfür ist oft die Herausforderung, wozu das "Takte gegen Krebs"-Konzert wieder einen klingenden wie finanziellen Beitrag leistete. Verkauft werden hier keine Tickets, sondern Takte, die diesmal für eine vollständige Darbietung allesamt verkauft waren.
Gleichzeitig ist dieser Abend ein Signal der Wertschätzung, wie wichtig die Arbeit des "Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen" (NCT) ist, was Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hervorhob, als sie eine volle Stadthalle mit viel Prominenz aus Wissenschaft und Politik begrüßte.
Ähnlich wie das NCT in unerforschte Gebiete vordringt, wenn es sich aktuell etwa mit neuen Therapiestrategien für Knochen-Metastasen beschäftigt (wie Prof. Sarah Schott berichtete), wurden auch Musiker gewonnen, die Altbekanntes aus völlig unbekannten Blickwinkeln betrachten. So servierten Star-Geiger Daniel Hope mit "L’arte del mondo" definitiv keine glatt polierte Version von Vivaldis "Vier Jahreszeiten", als sie voller Courage in den "Frühling" hineinbrausten.
Nicht nur Hope ist ein wahrer Individualist, der gern eigene Wege geht und mit leicht rustikalem Klangideal überall auf neue Dinge stößt. Auch das Ensemble agierte bisweilen richtig frech, wenn Bratschen dem Solisten geradezu patzig ins Wort fielen. So war Hope einmal ebenbürtiger Dialogpartner, ein andermal der souveräne Anführer, dem mit gleichem Entdeckergeist gefolgt wurde. Sei es im flächigen Gesamtklang eines malerischen Pianissimo oder bei waghalsigen Fortestellen.
Gerade durch das Zusammenwirken solch unterschiedlicher Charaktere wirkte Vivaldis Dauerbrenner extrem lebendig und nah am Geschehen, da die Sprache der Interpreten ebenfalls im "Sommer" unglaublich bildlich war. Nach sportlicher Rasanz ging es dort sogar ins verwunschene Fantasiereich mit persönlicher Innenschau, was die Interpretation sehr menschlich machte. Als voller Leidenschaft das Gewitter losbrach, war flinken Fingern trotzdem keinerlei Kraftanstrengung anzumerken.
Der "Herbst" wurde zunächst in genüsslicher Breite angegangen, bevor in vorwitziger Abenteuerlust gar gegenseitige Wettrennen voreinander stattfanden. Höchst amüsant war das, wobei später auch verlorene Einsamkeit zu spüren war. Lediglich im "Winter" geriet das himmlische Largo etwas zu freizügig.
Dasselbe gab es nach der Pause fast noch einmal. Denn genau wie es ein "NCT 3.0" gibt, komponierte Max Richter die "Jahreszeiten 3.0 - Vivaldi recomposed", ein Stück, das sich allerdings stark am Original orientierte. Typisch waren herausgegriffene Momentaufnahmen einzelner Stimmungsbilder, flüchtig in den Raum geworfen. Wurden Melodien weitergesponnen, geschah das meist in romantischer Manier.
Spannender wurde es, als aus manchen Motiven gar Abenteuerfilme oder Gefühlsdramen kreiert wurden, während sich an anderer Stelle mit diversen Verkürzungen und Zusammenlegungen stille Geheimnisse auftaten; so auch zum Ende.
Aufhören wollte ein bestens gelaunter Moderator Mirko Spohn damit jedoch nicht, weshalb er zahlreiche Besucher noch zu Spenden für Zugaben-Takte motivierte: aus Vivaldis Doppelkonzert a-Moll, Bachs "Air" und Brahms’ "Gute Nacht". Musik vermittelt einfach die größte Zuversicht.