Ihre Arbeit ist ihr wichtiger als die eigene Person: Die Heidelberger Kalligraphin Kornelia Roth hinter dem von ihr gestalteten Motiv „Carpe Momentum“ (Nutze den Augenblick) – ein Motto, das auch in Corona-Zeiten gilt. Der Spruch basiert auf der Empfehlung „Carpe diem“ (Nutze bzw. genieße den Tag) des römischen Dichters Horaz. Foto: privat
Von Timo Gass
Heidelberg. "Schreiben gehört zu den größten evolutionären Errungenschaften der Menschheit. Einen Text zu verschönern heißt, seinem Inhalt Ehre zu erweisen, ihn wertzuschätzen, und somit auch dem, der ihn geschaffen hat." Mit diesen Worten beschreibt die Heidelberger Künstlerin und Kalligrafin Kornelia Roth die Bedeutung des Schreibens, des Schönschreibens. Schreiben sei ein Bedürfnis, das der Mensch in sich trage. Sie hat sich der Kunst des Schönschreibens verschrieben und versucht, diese Leidenschaft weiterzutragen. "Ich möchte die Menschen immer wieder dazu inspirieren, sich kreativ auszudrücken. Kunst ist das Band, das Menschen verbindet."
Das tut Kornelia Roth auch in den für alle belastenden Corona-Zeiten. Im vergangenen Frühjahr noch täglich, inzwischen wöchentlich setzt sie inspirierende Denkanstöße kalligrafisch um und hängt sie in ihrer Nachbarschaft auf. Nicht nur den Spaziergängern möchte sie so auf andere Gedanken bringen. "Diese Initiative ist sehr gut angekommen. Ein netter Nachbar hat mir sogar ein kleines Häuschen für die Texte gezimmert. Es ist wundervoll, diese Wertschätzung zu erfahren", berichtet sie.
Im Herbst zeigte sie ihre Werke im Heidelberger Café Yilliy: "Der kurzen Rede langer Sinn / Le long sens du court discours" lautete der Titel, da der Künstlerin Aphorismen und geistreiche Zitate besonders wichtig sind. Kornelia Roth beschreibt ihre Faszination für die Fähigkeit, in derart prägnanter Art und Weise tiefen Sinn zu schaffen, so: "Ich denke, jeder Mensch kennt Momente von Geistesblitzen oder Erkenntnissen, doch zeichnen sich große Denker und Schriftsteller dadurch aus, diese in kurzer, prägnanter Form festzuhalten".
In letzter Zeit hat sie vor allem Aphorismen französischer Herkunft künstlerisch-kalligrafisch gestaltet – auf Papier, Stoff, Holz und Keramik. Eines der Ausstellungswerke wurde von der Stadt Heidelberg kürzlich angekauft. Der Inhalt steht bei den Arbeiten Kornelia Roths im Vordergrund, er muss noch für den Betrachter erkennbar, lesbar sein. Sie hat den Anspruch, "künstlerische Gestaltung nicht nur um ihrer selbst willen zu schaffen, sondern durch kreative Ausgestaltung den Inhalt der Texte zu tragen". Kornelia Roth ist die Vielfalt der Ausdrucksformen sehr wichtig, sowohl bei der Kalligrafie selbst, aber auch auf anderen Feldern der bildenden Kunst und bei interdisziplinären Experimenten – zum Beispiel in Zusammenarbeit mit dem Heidelberger Rapper Marcel Reif aka M.C. Wallace. Sehen, Lesen und Hören bildeten dabei eine Einheit.
Neben Visitenkarten, Einladungen, Gästebüchern, Grafiken und vielem mehr gestaltet Kornelia Roth seit gut zehn Jahren auch das Goldene Buch der Stadt Heidelberg. In dieser Chronik prominenter Besucher der Stadt hat sie schon die Seiten für Königin Silvia von Schweden, Prinz William und Herzogin Catherine von Cambridge geschaffen. "Das Goldene Buch gestalten zu dürfen, ist mir immer wieder eine große Freude. Besonders, da ich in der bildlichen Gestaltung keine Vorgaben bekomme und frei gestalten kann. Natürlich gibt es eine klare Vorgabe für den Text aus dem Rathaus. Aber die Zusammenarbeit mit dem OB-Referat ist wirklich hervorragend."
Ihr Konzept besteht darin, für jeden Eintrag eine oder mehrere Pflanzen aus der Herkunftsregion des Gastes auch bildlich zum Text zu gestalten. Diese Arbeitsweise ist sehr zeitaufwendig: "Die Recherchen und Vorarbeit nehmen mindestens zwei Drittel der jeweiligen Arbeit am Goldenen Buch ein. Ich versuche immer, eine Pflanze mit der Herkunftsregion des Gastes, aber auch mit der Person selbst in Beziehung zu stellen." Bei ihrer Arbeit ist Perfektion gefragt, zu der sie absolute Ruhe und Konzentration benötigt. Da sich nichts korrigieren lässt, muss alles bis ins Detail vorbereitet werden. Jede Seite im Goldenen Buch ist ein Unikat. So entstehen beeindruckende künstlerische Werke, die glanzvoll an die berühmten Besucher der Stadt erinnern.
Kornelia Roth gelingt es in beeindruckender Art und Weise, die Ästhetik der Kalligrafie mit dem tiefen Gehalt sprachlicher Schöpfungen in ihren Werken künstlerisch zusammenzuführen. In Zeiten von Digitalisierung und zunehmend verblassendem Interesse für diese Ausdrucksform ist es für jeden lohnenswert, sich mit der Kunst des Schönschreibens zu beschäftigen. Einen bezaubernden Einstieg dazu liefern die Werke Kornelia Roths.