Archiv-Foto: Stefan Kresin
Von Georg Patzer
Heidelberg. Typisch Bukowski. Da steht er auf dem Schlossaltan in Heidelberg, hoch über dem Neckar, und was sagt er: "Wenn du ein Schloss kennst, kennst du alle." So erzählt jedenfalls Michael Buselmeier die Szene. Bukowski wollte 1978 seine deutschen Wurzeln in Andernach aufspüren und in Hamburg mit einer seiner seltenen Lesungen für seine Bücher werben. Mit "Kaputt in Hollywood", "Aufzeichnungen eines Außenseiters" oder "Fuck Machine" hatte er Aufsehen erregt, weil er vom dreckigen, armen und alkoholkranken Amerika erzählte.
In Heidelberg besucht er seinen Übersetzer Carl Weissner, der den verehrten Dichter mit Buselmeier und dem Wunderhorn-Verleger Manfred Metzner durch die Stadt führt. Zwei Berichte gibt es: Respektlos schreibt Bukowski 1979 über seinen Besuch, charakterisiert seine Führer, zu denen auch der Dichter Christoph Derschau stieß, als "nice boys with nice eyes". Sie trinken mit ihm, sehen einen Film, schleppen ihn zum Politischen Buchladen von Jörg Burkhard in der Marstallstraße, sitzen in einer Kneipe, wo er die einsamen Trinker beobachtet, ältere Heidelberger, jeder allein an einem Tisch. Und: "We did the Heidelberg castle". Wo er das berühmte Fass zu sehen bekommt, an dem er vor allem kritisierte, dass es leer war. Dennoch: "We drank a bit more". Er schwankte (wohl nach zu viel Alkohol) und hat so getan, als würde er auf den Fluss und die Stadt schauen – wie es sich für einen Touristen aus Amerika gehört. Buselmeier allerdings erinnert sich völlig anders: "Er trank still Tee mit Honig, keinen Rotwein!" Und Christoph Derschau sei überhaupt nicht dabei gewesen.
In einem wunderschön gestalteten Heft der Marbacher Reihe "Spuren" erzählt der Göttinger Literaturwissenschaftler Heinrich Detering von Bukowskis Selbststilisierung und der von Buselmeier erzählten Version, der betont, dass sich Bukowski auch hier treu blieb, indem er dem romantisierten Heidelbergs eine eigene Poetik entgegensetzt. Die des desillusionierten Säufers, der die Klischees unterläuft und in seiner frechen Düsterkeit ein neues Heidelbergklischee erfindet, das einer langweiligen Stadt, in der man gut trinken kann. Denn sein Credo ist auch hier: "I write about what’s left over (…), life in the factory, life in the streets and rooms of the poor and mutilated and the insane, crap like that."
Info: Heinrich Detering: "Charles Bukowski in Haydleburg", in der Reihe "Spuren" der Deutschen Schillergesellschaft. Marbach, 2020. 16 S., zahlreiche Abb. Mit einer Beilage von Manfred Metzner. 4,50 Euro.