Ruth Tesmar fügt für ihre Arbeiten verschiedene Materialien zusammen. „Für Friedrich Hölderlin“ ist eine Collage aus Bild, Brief- und Notenpapier. Foto: Hentschel
Von Ingeborg Salomon
Heidelberg. Es war einmal eine junge Frau. Sie hieß Gertrud Nauhaus. Sie heiratete den Germanisten Alfred Hübner, der in Göttingen am Grimmschen Wörterbuch mitarbeitete. Sie bekam Kinder und entdeckt Grimms Märchen neu und Ende der 1930er Jahre beginnt sie, das Märchen von Rotkäppchen mit feinen Fäden auf Leinwand zu sticken. Viele weitere Märchen sollten folgen, bis sie 1989 stirbt. Es gab noch eine andere Frau. Sie heißt Ruth Tesmar, lebt in Schwerin und hat mit dem Dichter Friedrich Hölderlin eine sehr persönliche Korrespondenzform entwickelt. Die Märchenbilder von Gertrud Hübner-Nauhaus und die Collagen von Ruth Tesmar werden jetzt in einer Ausstellung "Hölderlin und die Brüder Grimm" im Heidelberger Museum Haus Cajeth gezeigt.
"Wir präsentieren gerne Werke verschiedener Künstler, die miteinander korrespondieren", erläuterte Kuratorin Karin Mysz. So ist es auch bei Hölderlin und den Brüdern Grimm, die Zeitgenossen waren, auch wenn sie sich auf sehr verschiedene Art in ihren Werken ausdrückten. Hölderlin sei für sie immer weiß, hell und geheimnisvoll, so Ruth Tesmar. Mit dem Haus Cajeth verbindet sie eine langjährige Freundschaft. "Als die Künstlerin 1992 auf den Spuren von Hölderlin am Neckar unterwegs war, entdeckte sie die Sammlung Hassbecker", erinnert sich Kuratorin Karin Mysz. Seitdem hat die 69-Jährige hier in einigen Ausstellungen sehr reizvolle korrespondierende Zwiesprachen gezeigt.
Ausgedruckte oder selbst abgeschriebene Textzeilen des Dichters verbindet Tesmar mit Holz, Federn, kleinen Eicheln und Pinienzapfen und gestaltet so ungewöhnliche Assemblagen. Diese Fundstücke stehen für die Künstlerin als Metaphern für die Einheit mit der Natur, die auch Hölderlin in seinen Gedichten immer wieder thematisiert hat, so auch im "Hyperion". Fünf mit der Hand beschriebene transparente Schreibbahnen schmücken die Ausstellungsräume des barocken Palais und zeigen Ruth Tesmars ganz persönliche Lesart von Hölderlins "Hyperion".
Ein interessanter Kontrast dazu sind die fein gestichelten Märchenbilder von Gertrud Hübner-Nauhaus, die beim Betrachter die eigene Kindheit wieder lebendig werden lassen. Da lohnt es sich, genau hinzuschauen, denn bei dem Märchen vom "Fischer und seiner Frau" wird der Wellengang auf der Bildfolge in dem Maß stürmischer und bedrohlicher, in dem sich die Fischersfrau in ihre Wünsche versteigt.
Es war einmal eine reizvolle Ausstellung, die Corona bedingt erst verspätet eröffnet werden konnte. Jetzt aber verdient sie viele Besucher, die sich in eine märchenhafte Welt versetzen lassen.
Info: "Hölderlin und die Brüder Grimm", Museum Haus Cajeth, Haspelgasse 12, geöffnet mo bis sa von 11 bis 17 Uhr; zu sehen bis 31. Oktober.