Christiane Lange, die Direktorin der Stuttgarter Staatsgalerie, hat im Vorfeld ein enormes Medienecho auf ihr geäußertes Unbehagen über die Zukunft der Kunstmuseen bekommen. Foto: Bernd Weißbrod
Von Harald Raab
"In einer demokratischen Welt ist am Ende das nichts wert, um das nicht gestritten und gerungen wird." Den offenen, kritischen Diskurs um die Zukunft der Kunstmuseen forderte Baden-Württembergs Kunstministerin Theresia Bauer ein - bei einem bundesweit beachteten Symposion in der Staatsgalerie Stuttgart. Der Titel, "Grenzen des Wachstums" schreckte auf und ließ Museumspraktiker und Kunsthistoriker aus der ganzen Republik in die baden-württembergischen Landeshauptstadt reisen.
Christiane Lange, die Direktorin des Hauses, hat ein enormes Medienecho auf ihr geäußertes Unbehagen über die Zukunft der Kunstmuseen bekommen. Sie gab zu bedenken, ob nicht auch über die Schließung von Museen nachgedacht werden sollte. "Ausgerechnet das Museum, das dem Sammeln, Forschen und Bewahren verpflichtet ist, scheint einer Wachstumslogik unterworfen zu sein, die der von entfesselten Märkten gleicht."
Der Auftaktvortrag des Münchner Kunsthistorikers Walter Grasskamp war eine Provokation: "Das Kunstmuseum als Fehlkonstruktion? Wie man Folgekosten erwirbt, die man nie wieder los wird." Er skizzierte das Auf und Ab der Diskussionen über die Einrichtung, vom idealistischen Ansatz eines Hilmar Hoffmann bis zum institutionskritischen, der das "Plat-zen des Museums" voraussagt. Aktuell sei der in die Krise geratene kulturpolitische Diskurs. Dieser fragt nach der Legitimität der Finanzierung der öffentlichen Kunstmuseen. Grasskamp: "Bei den Verteilungskämpfen um öffentliche Mittel sieht man so manchen Repräsentanten der Museen schlecht gerüstet." Außerdem: "Kulturinstitute rein betriebswirtschaftlich zu begreifen, ist nur der getarnte Versuch, sie volkswirtschaftlich im Stich zu lassen."
Der eher linke Kunsthistoriker breitete die Paradoxien aus, die es bei Kunstmuseen auszuhalten gilt: Ökonomisch sei eine solche Einrichtung eine "Fehlinvestition", weil sie Objekte erwirbt, deren Kosten folgenreich seien. Das Kunstmuseum sei die einzige museale Einrichtung, die Dinge erwirbt, die eigens für die Sammlung hergestellt werden. Obendrein werde in den Kunstmuseen mehr in den Depots verborgen als in den Schauräumen gezeigt. Während die höfische Gesellschaft ihre Kunstschätze zeigte, gehe es in der bürgerlichen um eine "Apotheose des Besitzens". Grasskamps Fazit: "Das Kunstmuseum ist eine gebaute Wohlstandserwartung - ein utopisches Unternehmen." Es sei mit dem Risiko der Überdehnung behaftet. Museen würden teuer gebaut, aber billig betrieben.
Bewunderung löste Kunstministerin Theresia Bauer bei den Teilnehmern aus anderen Bundesländern aus. Ihre Kompetenz in Sachen Erhalt und Ausbau der Kunstmuseen ist außerhalb Baden-Würt-temberg eher selten anzutreffen. Dabei erteilt auch sie den ungebremsten quantitativen Ausbau der Museen eine Absage. Wie in der ökologischen Debatte müsse das Stichwort qualitatives Wachstum das Gebot der Stunde sein. Das Museum brauche eine globale Perspektive. Die Ministerin: "Angesichts der fürchterlichen Ereignisse in Paris wird uns in besonderer Weise vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass wir die Museen als Orte der Verständigung und der Selbstvergewisserung pflegen und immer wieder neu beleben." In einer multireligiösen und multiethischen Gesellschaft könne das Museum "Potenziale als Verhandlungsraum entfalten, wo um die Zukunft gerungen werden kann".
Bauer gab auch ein Bekenntnis für eine ausreichende öffentliche Finanzierung und die inhaltliche Selbstbestimmung der Kunstmuseen mit entsprechenden Freiräumen ab. Zugleich forderte sie von den Verantwortlichen Mut.
Doch die Praxis setzt der Freiheit Grenzen. So sprach die Chefin der Mannheimer Kunsthalle, Ulrike Lorenz, den Kollegen aus dem bedrängten Herzen: Zu Recht sei intellektuelle Schärfe und unternehmerische Vitalität, Visionskraft und Weitsicht gefordert. Bei der Umsetzung stoße man in den Abläufen der Staats- und Kommunalverwaltungen schnell an die Grenzen des öffentlichen Dienstrechts, der Vergabeordnung und der Leistungsbindung. So könnten die begrenzten Betriebsmittel nicht in dem Umfang effizient eingesetzt werden, wie es notwendig wäre.
Der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Bernhard Maaz, pflichtete bei. Er zeigte am Beispiel der dringend erforderlichen Digitalisierung im Museumswesen auf, wie mühsam es sei, diese Entwicklung in Prozessen des bürokratischen Alltags voranzutreiben. Maaz, der erst in diesem Jahr von Dresden nach München gewechselt ist, erregte in Stuttgart auch mit einer unkonventionellen Forderung Aufmerksamkeit: Bei den Museums- und Ausstellungsmachern solle man künftig weniger auf eine Promotion Wert legen. Dafür sei Lebenstüchtigkeit für die Bewältigung der täglichen Museumsaufgaben dringender erforderlich.