Von Heide Seele
Der berühmte Heidelberger Ehrenbürger und Privatgelehrte, den zu seinen Lebzeiten kaum einer kannte - auch diejenigen nicht, die wie etwa Hilde Domin in seiner Nähe am Karlsplatz wohnten - lebte von 1884 bis 1966. Es war ein einziges Buch, das Richard Benz bekannt machte: "Heidelberg - Schicksal und Geist", das der Thorbecke Verlag in Sigmaringen 1961 veröffentlicht hatte. Da war sein Autor 77 Jahre alt.
Das bekannte Standardwerk ist für jeden unverzichtbar, der sich mit Heidelbergs Geistesleben näher beschäftigen möchte. Zu diesem Kreis gehört Michael Buselmeier, dem die Neckarstadt so sehr am Herzen liegt, dass er - wie er einmal bekannte - glücklich wäre, wenn sie als Geburtsort in seinem Pass stünde. (Eher aus Zufall war er 1938 in Berlin geboren worden.) Seine innige Verbindung mit Heidelberg, die er stets bei seinen Stadtführungen vermittelt, wird auch in seiner jüngsten Publikation offenbar, in der er sich eingehend mit Richard Benz befasst. (Nach ihm hatte die Stadt 1976 ihre kulturelle Verdienstmedaille benannt.) Benz, der ab 1908 fast 60 Jahre lang publizierte und um den es nach seinem Tod 1966 rasch still wurde, wird von Buselmeier zu den "beharrlich Unangepassten" gezählt, die literarische Qualität für sich beanspruchen dürfen. Dass der Autor 2003 im Heidelberger Rathaus mit der nach Richard Benz benannten Medaille ausgezeichnet wurde, war für ihn daher eine besondere Freude.
In seiner aktuellen Publikation moniert Buselmeier die Ignoranz der Germanisten, die unfähig gewesen seien, die Qualität des "bekennenden Konservativen" zu erkennen, und er rückt deren Versäumnis zurecht, indem er die Meriten des Autors erwähnt, der in über 60 Jahren wohl über 100 Titel publizierte. Richard Benz hatte eigene Wege eingeschlagen und sich vom akademischen Betrieb ferngehalten, obwohl er gesellschaftlich und reformatorisch wirken wollte. In den 1950er und 60er Jahren gewährte ihm dann die Stadt Heidelberg einen "Ehrensold", den in späteren Jahren auch einige bildende Künstler erhielten, die von ihrem Einkommen nicht leben konnten.
Buselmeier beleuchtet daher mit seinem Essay erneut ein Kapitel hiesiger Kulturgeschichte, indem er viele illustre Namen ins Gedächtnis zurückruft. Im Werk von Richard Benz erkennt er den Versuch, vor dem Hintergrund der von diesem als krisenhaft erlebten Gegenwart eine retrogewandte Alternative zur "Moderne" zu formulieren. Buselmeier sieht Benz als Sympathisanten der frühen "Moderne", und die Lektüre des Essays belegt, wie gründlich sich der Biograf mit dem Privatgelehrten, dem er so manches Mal zufällig bei einem Spaziergang begegnete, befasst hat. Buselmeier verdankt Richard Benz mancherlei Anregungen, entdeckt auch Gemeinsames und konfrontiert seine ehemalige Einschätzung des Schriftstellers mit seiner heutigen Meinung über ihn. So schien er in seinen jungen Jahren nicht bemerkt zu haben, dass Benz ein elitärer Denker war. Der Leser sieht sich durch Buselmeiers ebenso prägnante wie informationsreiche Darstellung zur eigenen Stellungnahme aufgefordert.
Info: Michael Buselmeier: "Richard Benz und die Liebe zur nationalen Kultur". Edition Literaturhaus Heidelberg, 47 Seiten, sechs Euro.