Biotechnologie - "Das fehlende Geld ist eine faule Ausrede"

Kapital und Köpfe gehen an die Standorte mit kritischer Masse - In Heidelberg konnte die Branche Erfolge feiern

26.11.2013 UPDATE: 26.11.2013 15:39 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden
Die Biotechnologie ist auf der Suche nach den Medikamenten und Technologien von morgen. Foto: Peter Steffen
Von Harald Berlinghof

"Geld ist da. Die notwendigen Persönlichkeiten fehlen". Professor Ulrich Abshagen hatte dies im Oktober 1997 gesagt. Gemessen an der Schnelllebigkeit unserer Zeit und der sich alle zwei Jahre verdoppelnden Wissensmenge war das gewissermaßen in "Urzeiten" der deutschen Biotechnologiebranche.

In den mittlerweile verstrichenen knapp 20 Jahren scheint sich oberflächlich betrachtet kaum etwas verändert zu haben, denn Christian Tidona, Geschäftsführer der Heidelberger BioRN Cluster Management GmbH schlägt in dieselbe Kerbe. "Das angeblich fehlende Geld ist eine faule Ausrede. Das internationale Risikokapital geht dahin, wo die Köpfe sind. Und die gehen dahin, wo sich eine kritische Masse an Unternehmen und Forschungseinrichtungen an einem Ort zusammengefunden haben", analysiert Tidona.

Und diese kritische Masse wurde in der jüngeren Vergangenheit von Experten stets bei etwa 4000 Arbeitsplätzen angesiedelt. 2002 waren es in der BioRegion Rhein-Neckar etwa 1500 bis 1800 Beschäftigte, je nachdem wie eng man die Grenzen zu benachbarten Branchen zieht. Heute nach dem Gewinn zweier großer bundesweiter Förderwettbewerbe (siehe nebenstehenden Bericht) liegt man im Biotechnologiecluster Rhein-Neckar, dessen Nukleus sich im Technologiepark Heidelberg im Neuenheimer Feld befindet, bei rund 3800 Mitarbeitern in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU 's). Die Biotech-Abteilungen der "Großen" wie Roche, AbbVie (ehemals Abbott) und Merck sind dabei nicht miteingerechnet. "Das ist ein Zuwachs von 20 Prozent seit 2009, dem Gewinn des Spitzencluster Wettbewerbs, der mit 40 Millionen Euro, auf fünf Jahre verteilt, dotiert war.

"Die Umsätze dieser Unternehmen sind zwischen 2009 und 2012 von 34,4 Millionen Euro auf 53,2 Millionen Euro angestiegen", erklärt Tidona. Klassenbester war die Firma Phenex, die sich von einer Million Euro auf über sechs Millionen Euro steigerte. Ende Oktober ist nun die Förderung aus dem Topf des Bundesforschungsministeriums ausgelaufen. Der Gewinn des BioRegio Wettbewerbs hatte bereits 1996 26,1 Millionen Euro in die Region gespült (50 Millionen D-Mark), kaum noch überschaubar ist die Höhe der Investitionen von Risikokapitalgebern in bestehende Kleinunternehmen und von Business-Angels in Biotech-Neugründungen.

Darunter Wagnisfonds der Heidelberg Innovation GmbH und nicht zu vergessen rund 800 Millionen Euro von Dietmar Hopps DieVini GmbH. Die allerdings flossen nicht ausschließlich in Firmen der Region, sondern auch nach außerhalb, wie etwa Tübingen und München. Es ist also Zeit Bilanz zu ziehen.

"Es gibt durchaus Erfolgsgeschichten aus der Region wie Cellzome, die aus dem EMBL Heidelberg hervorgingen, und an GlaxoSmithKline verkauft wurden, oder von MTM Laboratories, die aus dem DKFZ kamen und an Roche gingen", so Tidona. Dem stehen allerdings auch einige Misserfolge gegenüber, wie der einstige Biotech Superstar der Region die lion bioscience AG, heute Sygnis, deren Geschichte allerdings noch nicht zu Ende erzählt ist.

Dennoch ist Christian Tidona eher skeptisch, was die Biotech-Branche in Deutschland angeht. "Der Vorsprung von rund 20 Jahren der Spitzencluster in der Welt ist vermutlich nicht mehr aufzuholen", befürchtet er. Auch wenn der Standort der Rhein-Neckar-Region gegenüber vielen deutschen Standorten Vorteile bei der Gewinnung von Spitzenkräften hat. "Aufgrund des Juwels des Campus Neuenheimer Feld und der weltbekannten Marke Heidelberg kann man hier noch Erfolge verbuchen", so Tidona. In einer globalisierten Arbeitswelt zieht es aber die besten Köpfe eher nach Boston, San Francisco oder San Diego, vielleicht noch nach Shanghai oder Bangalore. "Schon nach Singapur kriegen Sie niemanden mehr hin", meint er.