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Im Freilandmuseum der Imkerei nachgespürt

"Im Paradies für Honigbienen": Benedict Vierneisel klärte in Gottersdorf auf.

05.08.2024 UPDATE: 05.08.2024 04:00 Uhr 3 Minuten, 29 Sekunden

Von Janek Mayer

Gottersdorf. Der "Bienenpfarrer" Johann Dzierzon kümmerte sich im 19. Jahrhundert neben seiner Tätigkeit als Seelsorger um 400 Völker, revolutionierte mit dem Einbau von beweglichen Holzleisten die Imkerei und entdeckte 1845 die Jungfernzeugung männlicher Bienen.

Doch es war nicht diese für damalige Zeiten gotteslästerliche Erkenntnis, die den Geistlichen 1869 sein Pfarramt kostete: Er hatte zur Schwarmzeit gleich mehrere Messen und sogar eine Beerdigung schlicht vergessen.

Noch heute vermag das fleißige Insekt, seine Bewunderer aus dem Alltag zu reißen. Mit wie viel Leidenschaft die Bienenhüter sich um ihre Völker kümmern, hat Benedict Vierneisel aus Rippberg bei der jüngsten RNZ-Sommertour im Odenwälder Freilandmuseum verdeutlicht. Vor der herrlichen Kulisse der historischen Museumsgebäude nahm der passionierte Imker die 23 Teilnehmer mit auf eine lehrreiche Reise "Ins Paradies für Honigbienen".

Seine Zuhörer – darunter Imker, pensionierte Lehrer und zwei besonders aufgeweckte Kinder, die den Altersschnitt der Gruppe erheblich senkten – brachte Vierneisel zunächst mit einem groben Intro auf einen gemeinsamen Kenntnisstand. Da gab es Anekdoten zu den Anfängen der Imkerei mit den Zeidlern, die bewaffnet mit Armbrust und Hackebeil im Wald die natürlichen Behausungen der Völker zerstörten und ihren Honig raubten. Erst nach und nach setzte sich die Erkenntnis durch, dass ein nachhaltiges Imkern mit den kleinen Tierchen statt gegen sie möglich ist.

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"Cash in die deutsche Kasse"

Und der volkswirtschaftliche Nutzen steht außer Frage. "Die Honigbiene bringt nach Rind und Schwein am meisten Cash in die deutsche Kasse", weiß Benedict Vierneisel. Ökonomisch gesehen geht es da allerdings viel weniger um den Honig, das Propolis oder das viel gepriesene Gelée royale, mit dem die Völker die Larven der Königinnen füttern. Denn die Bestäubungsleistung der Bienen übersteigt den Wert dieser Erzeugnisse um das Zehn- bis Fünfzehnfache. Der Imkerbund schätzte ihn 2020 auf rund 2 Milliarden Euro jährlich.

Möglich macht dies die Blütenstetigkeit der Honigbiene, die sie von anderen bestäubenden Insekten unterscheidet: "Wenn die Kirsche blüht, fliegt sie die ganzen Kirschbäume in der Region ab und sorgt dafür, dass tatsächlich der Pollen von einer Kirsche zu einer anderen Kirsche kommt."

Gespannt auf das Aroma

Wer nun denkt, dass das dem Imker dabei hilft, sortenreinen Honig zu ernten, täuscht sich. Denn jede Arbeiterin für sich ist zwar blütenstet, in jedem Volk gibt es aber ganz unterschiedliche Spezialisten. "Für sortenreinen Honig brauchen sie große Plantagen. Hier in der Region ist alles zu kleinteilig strukturiert", wirft Museumsleiterin Margareta Sauer ein. Auf das Aroma des Gottersdorfer Honigs aus den Museumsbeuten sind Sauer und Vierneisel trotzdem schon sehr gespannt. Immerhin haben die Bienen dort sechs Wochen lang Zeit gehabt, benachbarte Kornblumenfelder anzufliegen.

Ihr Ziel dabei ist es natürlich, möglichst viel Proviant für die kalte Jahreszeit anzuhäufen. "Jedes Bienenvolk sollte für den Winter 16 bis 18 Kilogramm Futter haben." Das ist besonders wichtig, weil sie bei kühlen Außentemperaturen sehr viel Energie dafür aufwenden, ihren Stock auf einer konstanten Temperatur jenseits der 30 Grad Celsius zu halten. Das Museum veranschaulicht diese Thermoregulation an einem Schaukasten mit Glasfront: Einfaches Handauflegen reicht aus, um die Wärme zu spüren, die die Tierchen per Muskelzittern erzeugen können.

Imkern ist es natürlich gar nicht recht, wenn das Bienenvolk den leckeren Honig auf diese Weise selbst verbraucht. Sie können den Tieren zum einen mit sogenannten Wärmeschieden unter die Arme greifen, zum anderen ihnen als Ersatzenergielieferant Sirup oder Zuckerwasser zuführen. "Die Arbeit mit Bienen macht unglaublich viel Spaß, aber es sollte am Ende doch auch etwas Honig dabei rauskommen", sagt Benedict Vierneisel mit einem Schmunzeln.

Parthenogenese und Patriarchat

Ebenso wichtig ist es dem Rippberger Imker aber, das Wissen über die Imkerei zu verbreiten. Dafür gibt er im Freilandmuseum Führungen und hält im Rahmen des Streuobstprojekts Vorträge für Schulklassen, die sich von allerhand Wissenswertem rund um die Honigbiene begeistern lassen.

Dabei waren viele neue Erkenntnisse aus der Imkerei zunächst noch kontrovers. Was die Entdeckung der Parthenogenese in der Kirche anrichtete, taten zwei weitere Eigenschaften der Bienenvölker für das Patriarchat. Da ist zum einen die Königin – mit einem Fokus auf der weiblichen Endung. "Das war für einige schon ein großer Schock, dass da kein ,Weiser‘, sondern eine Weisel quasi das Zepter schwingt", berichtet der Museumsimker.

Zum anderen wäre da noch die "Drohnenschlacht", wie es Vierneisel bezeichnet. Damit meint er die Zeit, in der Drohnen, die nur zum Begatten der Prinzessin benötigt werden, ausgedient haben. Die Bienen lassen sie nicht mehr ins Volk – ein Todesurteil. "Eine Drohne hat nie gelernt, selbst irgendwie Nektar zu saugen", erklärt der Imker. Sie verhungert, damit die Gemeinschaft leben kann: "Ein Bienenvolk ist grundsätzlich unsterblich und ersetzt immer nur die Einzelteile, die es braucht."

Dem Geist auf der Schliche

Zuständig dafür ist die Königin, die Benedict Vierneisel lieber als Stockmutter bezeichnet. "Sie haut an einem Tag mehr an Eiern raus, als sie selbst wiegt." 2000 an der Zahl sind das in der Hochzeit. Das funktioniert nur, weil der Hofstaat sie rund um die Uhr betüdelt, pflegt, füttert und putzt. Während viele Mechanismen im Leben der Biene inzwischen bekannt sind, bleiben für Vierneisel doch noch viele Fragezeichen: Wer steuert? Wer lenkt?

"Dem Geist im Bienenvolk sind wir immer noch nicht so ganz auf die Schliche gekommen", sagt er, ohne damit das geringste Problem zu haben. Denn sowohl er als auch die Teilnehmer der Sommertour dürften einem Zitat des eingangs erwähnten "Bienenpfarrers" Johann Dzierzon beipflichten: Bienen "verwandeln für denjenigen, der für die Wunder der Natur ein empfängliches Gemüt hat, selbst eine Wüste in ein Paradies".