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Pressemitteilung von "Heidelberg.aktiv"

28.04.2023 UPDATE: 28.04.2023 08:37 Uhr 3 Minuten, 17 Sekunden

Pressemitteilung von "Heidelberg.aktiv" zur Podiumsdiskussion am 27. April 2023 in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert Gedenkstätte Wer schützt uns vor der Polizei?

Nach kritischen Äußerungen bei einer Veranstaltung mit dem Titel "Wer schützt die Demokratie? Wer schützt die Polizei?" im Friedrich-Ebert-Haus wurden vier junge Menschen von der Polizei in der Unteren Straße unter Anwendung von Gewalt festgehalten. "Demokratie muss gelebt, weiterentwickelt und geschützt werden", so die Veranstaltungsbeschreibung - das gezielte Vorgehen gegen Kritiker zeugt jedoch eher vom Gegenteil.

Heute fand in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte eine Podiumsdiskussion unter dem Titel "Wer schützt die Demokratie? Wer schützt die Polizei?" statt.

Eingeladen waren der Leiter des Polizeireviers Mannheim-Innenstadt, Polizeioberrat Peter Oechsler, die Heidelberger Bürgermeisterin Stefanie Jansen und der Geschäftsführer der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Prof. Bernd Braun, die laut Ankündigung in einem Gespräch mit dem Publikum über das Verhältnis von Polizei und Demokratie diskutieren sollten.

An diesem Format und an der Polizei war Kritik zu äußern. Anders als im Veranstaltungsteaser suggeriert, gibt es derzeit keinen Anlass, eine Diskussionsveranstaltung zu der Frage "Wer schützt die Polizei?" durchzuführen. Im Gegenteil: die Teilnahme an demokratischen Protesten wurde zuletzt durch juristische Verschärfungen in Form von Polizeigesetzen erschwert, während auf Seite der Polizei fortlaufend rechte Strukturen offengelegt werden.

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Darüber hinaus nimmt die teils tödliche Polizeigewalt stetig zu. Daran direkt beteiligt ist auch die Wache H4 in Mannheim, die durch den geladenen Gast Peter Oechsler geleitet wird. Die Wache H4 hat den Tod eines sich in einer psychischen Notsituation befindlichen Mannheimers am 2. Mai des vergangenen Jahres zu verantworten. Bis heute gibt es weder eine Entschuldigung der Stadt, noch der Polizei Mannheim bei den Hinterbliebenen.

Schon vor Beginn der Veranstaltung waren einige Personen vor Ort und machten sichtbar, welche Menschen nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten. Sie reservierten Plätze für Personen, die in Deutschland in Polizeigewahrsam zu Tode kamen: A.P., der am 2. Mai 2022 in Mannheim auf offener Straße durch Polizisten getötet wurde, sowie für Vitali N., Yaya Jabbi, John Amadi, Halim Dener, Oury Jalloh, Laye-Alama Condé, Mamadou Alpha Diallo, Mouhamed Lamine Dramé, Mohamed Idrissi und Achidi John.

Diese Schilder wurden schon vor Beginn von den Veranstaltern wieder entfernt, ohne dabei auf die inhaltlichen Hintergründe der Aktion einzugehen.

Um 19 Uhr war der Saal der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte mit einem großen Publikum gefüllt, das sich großteils aus den Kritiken der Veranstaltung zusammensetzte. Nach der ersten Begrüßung und der Vorstellung der Gäste intervenierte eine Person aus dem Publikum. Sie unterbrach Polizeioberrat Peter Oechsler und kritisierte dessen Einladung als falsche Symbolik, kurz vor dem 1. Jahrestag der Tötung A.P.s am Mannheimer Marktplatz. Im weiteren Verlauf der Unterbrechung intervenierten einige weitere kritische Teilnehmer abwechselnd mit kurzen Beiträgen, in welchen sie sowohl das Format der Veranstaltung als auch die gravierenden strukturellen rassistischen und antidemokratischen Tendenzen innerhalb der Polizei kritisierten.

Während schon in der ersten Intervention einzelne aufgebrachte Stimmen Außenstehender aus dem Publikum laut wurden, verstärkten sich diese während der Vorträge so sehr, dass ein Zuhören unmöglich wurde. Eine Veranstalterin der Podiumsdiskussion versuchte aktiv, die Reden zu unterbrechen, indem sie versuchte, Notizzettel aus der Hand zu ziehen. Dennoch wurden die Kurzvorträge zu Ende geführt, bis zuletzt durch die Teilnehmer zu einer Schweigeminute für die Opfer von Polizeigewalt aufgerufen wurde. Die Durchführung dieser wurde sofort unterbrochen: "Nein, wir machen jetzt hier mal keine Schweigeminute", so eine Publikumsteilnehmende. Gegen die kritischen Gäste der Veranstaltung wurde vom Hausrecht Gebrauch gemacht, dem diese friedlich Folge leisteten. Ein Großteil des Publikums schloss sich ihnen an.

Die geladene Polizeiführung aus Heidelberg, die sich ebenfalls im Publikum befand, hatte zu diesem Zeitpunkt schon Verstärkung angefordert. Die Polizeikräfte verfolgten die Teilnehmer, die Kritik geäußert hatten, nach Verlassen des Hauses auf der Straße. Dabei setzte die Polizei Pfefferspray ein, warf Teilnehmende zu Boden und umstellte sie mit mehreren Polizeifahrzeugen sowie circa 20 Polizisten. Sie hielten die Personen anschließend unter Anwendung von Gewalt fest. In dem gesamten Zeitraum blockierte die Polizei die Untere Straße und gewährte Passanten sowie Pressevertretern keinen Durchgang. Eine Passantin zeigte sich schockiert über das unverhältnismäßige Vorgehen seitens der Polizei: "Hier wird doch klar, warum so viele Menschen die Polizei kritisieren. Was ich sehe, sind junge Menschen, die einfach deshalb festgehalten werden, weil sie ihre Meinung gesagt haben. Das ist doch lächerlich."

Bei der Festnahme wurde eine Person leicht verletzt. Drei der jungen Menschen wurden erst nach einer halben Stunde und unter Abgabe der Personalien gehen gelassen. Eine weitere Person nahm die Polizei mit auf die Wache. Bei der Aufnahme der Personalien ging scheinbar zudem der Ausweis einer Person verloren, sodass dieser nicht wieder ausgehändigt wurde. Wofür die nun gesammelten persönlichen Daten weiterhin verwendet werden, bleibt unklar.

Für die Aktivisten ist klar: "Dieses repressive Verhalten der Polizei hat ihr heute einen Bärendienst erwiesen. Von der im Teaser der Veranstaltung geforderten 'Stärkung des demokratischen Denkens in der Polizei' ist nichts sichtbar. Heute wurde Polizeikritik mit allen Mitteln niedergeschlagen, das muss ein Nachspiel für die Heidelberger Polizei haben." Einer von der Polizei verletzten Person wurde direkt im Anschluss ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. "Hier zeigt sich konkret, wie die Verschärfung des Polizeirechts gegen demokratischen Protest eingesetzt wird, um diesen mundtot zu machen."