Hintergrund - Hochwasserschutz
Nebenflüsse des Rheins betroffen - Rückhalteräume werden gebaut
Warum auch der Hochwasserschutz wichtig ist
Es ist noch nicht lange her, da dachte man in Sachen Hochwasserschutz nur an sich selbst. Höhere Deiche zum Schutz der eigenen Region oder Stadt waren das Mittel der Wahl. Dass das allerdings nur dazu führte, dass anderswo der Rhein über die Deiche schwappte, blendete man aus. So kam es, dass insbesondere die Stadt Köln am Mittelrhein zunehmend gefährdet wurde. Dort war der Schutz der direkt am Rhein gelegenen Stadtteile nur schwer möglich. Heute hat ein Umdenken stattgefunden, wie bei einer breit angelegten Diskussion beim 17. Hochwasserschutzforum des Verbands Region Rhein-Neckar deutlich wurde.
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Seit 20 Jahren gibt es Versuche, die Hochwassersituation am Rhein in den Griff zu bekommen. Sie laufen heute unter dem Motto "Wasser zurückhalten – Raum für den Fluss". Letztlich hat die Rheinbegradigung von Tulla und die Vernichtung von Auwäldern entlang des Flusses aus dem mäandernden Gewässer eine effektive Flussautobahn gemacht, die für den Warenverkehr auf dem Binnenschiff günstige Bedingungen geschaffen hat, die aber auch ihre Tücken aufweist. Nicht nur die Binnenschiffe haben verkürzte Fahrzeiten, auch das Wasser des Flusses rauscht weitgehend ungebremst in Richtung Nordsee.
Staustufen können eine regulierende Funktion haben, aber das reicht nicht aus zur Kontrolle der Pegelstände. Günstig ausgewirkt auf die Schadenshöhen haben sich verbesserte Vorhersagemethoden. Die Vorwarnzeiten am Rhein liegen bei 24 bis 96 Stunden. An kleinen Fließgewässern, die durch Starkregenereignisse über die Ufer treten, dagegen oft nur bei drei bis vier Stunden.
In Baden-Württemberg hat man deshalb das Integrierte Rheinprogramm (IRP) aufgelegt, um die Pegelschwankungen des Flusses durch so genannte Polder zu steuern. Polder sind großflächige Räume, die bei Bedarf, also wenn eine Hochwasserwelle den Fluss hinunter rollt, geflutet werden und so zeitweilig Wassermengen aus dem Strom aufnehmen. Das senkt den erwarteten Wasserpegel flussabwärts.
International beteiligen sich die Schweiz, Frankreich und die Niederlande an ähnlichen Projekten. 1988 erfolgte die erste Maßnahme, der Polder Altenheim. Das war ein Anfang, mehr nicht. Bis 2030 will man Rückhalteräume mit insgesamt 540 Millionen Kubikmetern Wasser gebaut haben. Erreicht hat man bislang etwa die Hälfte. Aber bereits das würde bei vollem Einsatz den Rheinpegel um 70 Zentimeter absenken. Allerdings ist die Hochwasserproblematik am Rhein in den letzten Jahrzehnten zunehmend kleiner geworden, wie Anne Schulte-Wülwer-Leidig von der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheines erläuterte. "Inzwischen ist das Niedrigwasser als Problem viel stärker im Bewusstsein der Menschen angekommen (siehe weiteren Artikel). Aber Hochwasser und Niedrigwasser sind nur zwei Seiten derselben Medaille", betont sie. Das gilt übrigens auch für häufigere Starkregenereignisse und andauernde Trockenheit. Gemeint ist damit, dass beides etwas mit dem Klimawandel zu tun hat.
13 Polder, auch bezeichnet als Rückhalteräume oder Retentionsräume, sind zwischen Basel und Mannheim auf rechtsrheinischer Seite geplant. Vier sind fertig gestellt, zwei sind im Bau, drei in der Planfeststellung, der Rest in der Planung. In der Region sind die Kollerinsel bei Brühl und Elisabethenwörth bei Philippsburg als Rückhalteräume vorgesehen. Doch Hochwasserszenarien betreffen nicht nur den Rhein, sondern auch kleinere Nebenflüsse. Alle Maßnahmen werden von Anwohnern hinterfragt. Sie fordern Sicherheit für sich selbst. Darauf müssen die Behörden reagieren.
Grundwassereffekte und die Beeinträchtigung von Bebauungen in der Nähe von Poldern müssen berechnet, gegebenenfalls Entschädigungsregelungen erarbeitet werden. Aber auch ökologische Flutungen der Polder werden in regelmäßigen Abständen vorgenommen, damit sich die Tier- und Pflanzenwelt an die veränderten Lebensräume anpassen kann. Das reicht bis zur Einrichtung von Fluchtwegen für Wildtiere.
Ziel ist die Vermeidung von Personenschäden, aber auch wirtschaftliche, kulturelle, landwirtschaftliche und Gebäudeschäden will man verhindern. Auf acht Milliarden Euro werden potenzielle Hochwasserschäden in Baden-Württemberg kalkuliert. Dem steht eine Investitionssumme von 1,7 Milliarden Euro gegenüber. (hab)