Hintergrund 2
Eine kleine Geschichte des deutschen Waldes: Die großen Sieger heißen Buche und Fichte
Die großen Sieger heißen Buche und Fichte
Bei der Auswahl der Bäume, die nun auf den kahlen Flächen im Heidelberger Stadtwald wachsen sollen, spielt auch das Zertifizierungssystem eine Rolle: Momentan hat der Heidelberger Wald zwei Gütesiegel: das vom Forest Stewardship Council (FSC) und das vom Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC). Besonders streng ist der FSC, der einen naturnahen Wald mit heimischen Baumarten fordert. Auf einer Liste des FSC sind 38 solcher heimischen Arten aufgeführt. Nicht dazu zählen: Douglasie, Japanische Lärche, Roteiche, Robinie, Schwarznuss oder Weymouth-Kiefer; Echte Walnuss und Edelkastanie seien "außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets lange etabliert und eingebürgert. Sie gelten aber ebenfalls als nicht heimisch", so der FSC.
Das wichtigste Kriterium dabei ist, dass die Bäume in Deutschland seit dem Ende der Eiszeit, also seit knapp 12.000 Jahren, nachzuweisen sind. Vorher waren große Teile Mitteleuropas tundraähnliche Steppen, bis im Zuge der damaligen Klimaerwärmung immer mehr Arten einwanderten – die sommergrünen Mischwälder, wie wir sie heute kennen. Zunächst dominierten Eichen und Linden, an feuchteren Standorten Ulmen, Eschen und Bergahorn. Vor rund 5000 Jahren wanderten in der Südhälfte des Kontinents Buchen und Tannen ein. Ungefähr zu dieser Zeit mischten sich auch die Menschen, die sesshaft wurden und Ackerbau betrieben, in die Natur und damit in den Wald ein. Sie fällten vor allem Eichen, Ulmen, Linden und Eschen mit den neuen Metalläxten – sehr zum Vorteil der Buche, die sich danach rasant ausbreitete.
Gerade die Römer griffen dramatisch in die Waldstruktur ein: Nicht nur, dass sie umfangreich Tannenbestände für den Schiffbau rodeten; sie führten auch die Esskastanie und die Walnuss ein. Katastrophal war die landwirtschaftliche Nutzung des Waldes, die Waldweide: Schon in der Antike trieben die Menschen ihre Tiere in den Wald – besonders beliebt waren deswegen Bäume mit Früchten (Bucheckern, Eicheln oder Kastanien), was wiederum zu Lasten von Nadelbäumen, aber auch Ahorn oder Linden ging. Völlig desaströs wurde der letzte Aufschwung der Waldweide nach dem Dreißigjährigen Krieg, der letzte Wald war buchstäblich aufgefressen. Hinzu kamen auch noch die Köhlerei, Aschenbrennerei und die Harzgewinnung – Harz war einst ein wichtiger Rohstoff.
Dann wurde das Holz knapp, und die Landesherren schritten ein und verboten diese Form der Waldnutzung. Zwischen 1750 und 1850 war der Wald in Deutschland praktisch verschwunden, dann wurden die Wälder wieder aufgeforstet – und zwar meistens mit der Fichte – übrigens für das FSC eine heimische Art. Die wuchs schnell und kam mit den ausgelaugten Böden gut zurecht. Und kurioserweise half ausgerechnet die Industrialisierung den Wäldern: Statt der Holzkohle wurden Stein- oder Braunkohle zum wichtigsten Energieträger; Mineraldünger und Stroh ersetzten die weitverbreitete Streunutzung, die den Waldboden "aufräumte": Laub und Nadeln kamen früher als Viehstreu in den Stall oder als Dünger aufs Feld.
Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Waldfläche wieder zu – trotz des in den 80er Jahren diskutierten Waldsterbens. Seit der fast zeitgleichen Borkenkäferplage setzte in der Forstwirtschaft ein Umdenken ein: weg vom anfälligen "Brotbaum" Fichte, hin zu mehr Laubbäumen. (hö)