Ernst Tanner: Wer spart, macht sich nicht beliebt
Der Manager weist massive Kritik zurück: Wir haben Hoffenheim auf einen sehr guten Weg gebracht

Der Manager weist massive Kritik zurück: Wir haben Hoffenheim auf einen sehr guten Weg gebracht
"Nicht wenige Experten wundern sich, dass wir trotz des Kurs- wechsels so gut dastehen", sagt Ernst Tanner (45). Doch offenbar gilt einmal mehr der Prophet im eigenen Lande nichts. Der Geschäftsführer und Mana- ger von 1899 Hoffenheim steht derzeit mächtig in der Kritik. Tanner hat er- hebliche Einsparungen vorgenommen und dabei das Gesicht der Mannschaft grundlegend geändert. Freunde macht man sich damit nicht. Doch der bienen- fleißige Oberbayer, der als einer der bes- ten Talentspäher Deutschlands gilt, ist überzeugt davon, dass er sich nichts vor- zuwerfen hat. Im RNZ-Interview weist er die Anschuldigungen zurück. Vielmehr meint er: "Die TSG 1899 Hoffenheim ist auf einem sehr guten Weg."
Herr Tanner, Srdjan Lakic schaut ein bisschen blass um die Nase aus, so wie er in Ihrem Audi A 6 sitzt. Ihr Fahrstil gilt als rasant.
Das hat der Trainer mal so behauptet. Es musste ja aber auch alles sehr schnell gehen am Dienstag. Doch ehrlich, ich fahre zwar sportlich, aber im Rahmen des Erlaubten. Bei unserem Neuzugang rührt die Blässe wahrscheinlich daher, dass die letzten Stunden sehr aufregend waren.
Dafür haben Sie selbst eine gesunde Gesichtsfarbe. Trotz der negativen Presse in der letzten Zeit: Tanner nur eine Randfigur, Tanner ohne Konzept bei den Neuzugängen, Tanner kommt mit den Spielern nicht aus, Tanner verlässt den Sparkurs…
Das prallt an mir ab. Weil es schlicht und einfach nicht stimmt und ich ein gutes Gewissen haben kann.
Aber beim Wechsel von Lakic spielte Dietmar Hopp die Schlüsselrolle und nicht Sie als Manager.
Wir sind froh, dass Dietmar Hopp über derart gute Kontakte in die höchsten Kreise verfügt und den Transfer in Form einer Leihe noch möglich gemacht hat. Wie schwierig es war mit Wolfsburg, zeigt die Tatsache, dass kurz zuvor auch der VfB Stuttgart gescheitert ist – ohne dass jemand Fredi Bobic einen Vorwurf gemacht hat.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den Spielern?
Gut. Ich habe ja die meisten geholt. Natürlich muss man als Geschäftsführer und Manager auch Entscheidungen im Sinne des Vereins treffen, macht sich gerade mit Sparmaßnahmen nicht beliebt.
Es heißt, Sie würden den Sparkurs gefährden.
Wir haben uns bei den Gehältern innerhalb eines Jahres in einer atemberaubenden Geschwindigkeit in Richtung der Marke von 30 Millionen Euro entwickelt, schreiben schon jetzt im operativen Geschäft schwarze Zahlen. Dabei haben wir uns sportlich nicht wesentlich verschlechtert. Ich denke, damit können wir zufrieden sein.
30 Millionen sind Bundesliga-Mittelmaß?
Ja, irgendwas in der Mitte. Aber man muss bedenken, dass ein derartiger Kurswechsel mit Risiken verbunden ist. Uns haben mit Carlos Eduardo, Luiz Gustavo, Demba Ba, Chinedu Obasi und Vedad Ibisevic die besten Spieler verlassen. Doch es gab keine andere Möglichkeit, um den Verein wirtschaftlich unabhängig von Dietmar Hopp zu machen. Nicht wenige Experten wundern sich, dass wir es bisher so gut hingekriegt haben.
Was sagen Sie zum Vorwurf, Sie verpflichten die falschen Spieler. Ein Beispiel: Sandro Wieser wurde als Bankdrücker bezeichnet.
Der Junge ist gestern 19 Jahre alt geworden. Er hat mit Liechtenstein herausragende Länderspiele gemacht, nicht gegen San Marino, sondern gegen Spanien und Schottland.
Schauen wir mal auf Ihre Neuzugänge: Sebastian Rudy, Peniel Mlapa, Gylfi Sigurdsson aus der vergangenen Saison?
Rudy war in Stuttgart kein Stammspieler, hat sich bei uns in die Nähe der Nationalmannschaft entwickelt. Sigurdsson hat letzte Runde die meisten Tore erzielt. Wir hoffen, dass er in Swansea wieder Tritt fasst und mit Selbstvertrauen zurückkehrt. Mlapa hatte eine herausragende Vorrunde, danach Formschwankungen. Aber das muss man einem 20-Jährigen zugestehen.
Vor einem Jahr kamen Ryan Babel, Edson Braafheid und Roberto Firmino. Vor allem Babel steht in der Kritik.
Wir standen unter Druck, nachdem Demba Ba uns verlassen hat. Doch Ryan wird jetzt wieder besser zur Geltung kommen, wenn wir im Angriff rotieren. Braafheid war ablösefrei, ist Stammspieler. Firmino hat sich schneller entwickelt als gedacht, hat seinen Wert bereits gesteigert.
Und was ist mit Fabian Johnson, Daniel Williams, Sven Schipplock und Knowledge Musona, die im Sommer kamen?
Johnson ist ein Glücksgriff, Williams, der für nur 200.000 Euro kam, vielseitig einsetzbar und außerdem ein toller Typ. Musona zählt zu unseren besten Fußballern, wenn er robuster wird, werden wir viel Freude haben. Schipplock hat Pech mit Verletzungen. Ich schreibe ihn sicher nicht ab. Außerdem darf man Jannik Vestergaard nicht vergessen, und Dominik Kaiser, Kevin Conrad, Joseph Claude Gyau, Tobias Strobl, Niklas Süler, der mit 16 schon bei den Profis trainiert. Zur neuen Saison kommen mit Kevin Volland und Michael Gregoritsch zwei weitere junge, talentierte Spieler. Wir haben den Nachwuchsbereich neu strukturiert, die Scouting-Abteilung neu aufgestellt und sind gerade dabei, im Verein viele Dinge zu ändern.
Heute kommt der FC Augsburg nach Sinsheim, am Mittwochabend macht Hoffenheim gegen den Zweitligisten Greuther Fürth den fünften Anlauf, das Pokal-Halbfinale zu erreichen. Wie wichtig sind die beiden Spiele?
Mit einem Sieg gegen Augsburg würden wir den siebten Platz im Auge behalten. Wenn die zwei Pokal-Finalisten in der Liga unter den ersten Sechs stehen, dann darf man als Siebter die Qualifikation zur Europa League spielen. Und wenn wir das Pokal-Halbfinale erreichen, ist dies der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte. Ich glaube, sagen zu können: Hoffenheim ist auf einem sehr guten Weg.