Sie machten die Halle 02 zu dem, was sie heute ist: Felix Grädler und Hannes Seibold (rechts) bauten vor 18 Jahren Heidelbergs größtes Veranstaltungshaus auf. Jetzt ziehen sie die Notbremse – und verabschieden sich vom Kulturgeschäft. Foto: Rothe
Von Anica Edinger
Heidelberg. 18 Jahre Kultur, Konzerte, Ausstellungen und Partys im alten Güterbahnhof in der Bahnstadt: Jetzt ist es vorbei. Das verkündeten die Geschäftsführer der Halle 02, Felix Grädler und Hannes Seibold, in einem Brief an Mitarbeiter, Partner, Wegbegleiter. Es ist das Ende des Veranstaltungshauses im Zollhofgarten. In dem Brief heißt es: "Wir haben uns schweren Herzens und nach Abwägung sämtlicher Vor- und Nachteile dazu entschieden, unser Konzept und die Marke Halle 02, die wir über 18 Jahre aufgebaut und entwickelt haben, bis auf Weiteres zu pausieren und uns zunächst auf andere Geschäftsmodelle zu konzentrieren, um ein Überleben des Betriebes vor Ort und damit seine Existenz zu sichern."
Konkret bedeutet das: Grädler und Seibold ziehen sich mit der Halle 02 aus dem Kulturgeschäft zurück, es wird keine öffentlichen Veranstaltungen mehr geben – und das gilt auch für die Zeit nach der Coronakrise, also auch, falls Club-Veranstaltungen wieder erlaubt werden sollten. Die Halle 02, wie die Heidelberger, Menschen aus der Region, Studentinnen und Studenten sie kennen: Es wird sie nicht mehr geben. Das sei aus betriebswirtschaftlicher Sicht der einzig "sinnvolle Schritt, damit unsere Firma nicht komplett sterben muss", erklärte Grädler gestern auf RNZ-Anfrage. Und das sei "leider unausweichlich". Man werde sich nun auf die in den letzten Jahren etablierte Marke "Güterbahnhof" konzentrieren, die zuletzt das Verlustgeschäft aus den Kulturveranstaltungen kompensieren konnte. Das heißt: auf Firmenevents wie Weihnachtsfeiern, auf Hochzeiten, auf Tagungen und Konferenzen.
Grädler ist sicher: "Wir sind zwar einer der ersten Clubs in Deutschland, der diesen Weg einschlagen musste – aber wir werden nicht der Letzte sein." Schon seit Jahren seien die Rahmenbedingungen für Clubs und nicht öffentlich subventionierte Kulturhäuser im ganzen Land katastrophal. Grädler drückt es so aus: "Der Markt für Konzepte wie unseres war schon vor der Krise kaputt." Und nach der Krise werde sich das nicht ändern. Im Gegenteil: Die Bedingungen für Clubs und privatwirtschaftlich betriebene Kulturhäuser verschlechterten sich tendenziell eher. "Keiner weiß, wie die Nachfrage nach der Krise aussehen wird", sagt Grädler. Vor allem könne man auf dem Markt dann nicht mehr mit den Betrieben konkurrieren, die öffentliche Gelder bekommen. Ganz zu schweigen davon, dass keiner weiß, was "nach der Krise" für Konzerte und Partys bedeuten kann. Diese sei frühestens Mitte oder Ende nächsten Jahres, vielleicht auch erst Anfang 2022 vorbei, mutmaßt Grädler. Tanzen und Schwitzen im Club jedenfalls sei erst dann wieder denkbar, wenn es einen Impfstoff oder ein wirksames Medikament gegen das Coronavirus gebe – und das sei nun einmal die Seele des bisherigen Geschäftsmodells. Dafür stehe die Halle 02. Man wolle sich nicht in Formate "reinzwängen lassen", die der Clubkultur die Seele raubten. Was an den beiden Geschäftsführern, aber auch an den Mitarbeitern der Halle 02 in den letzten Wochen besonders nagte – das ist die Perspektivlosigkeit.
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Wie es mit den 30 Festangestellten und den Auszubildenden weitergehe, das werde man laut Grädler in den nächsten Wochen individuell besprechen. Aber klar sei auch: "Wenn zwei Drittel unseres Geschäftes wegfallen, braucht man nicht mehr so eine dicke Personaldecke." Er wolle aber auch nicht ausschließen, den Kulturbetrieb im Güterbahnhof irgendwann wieder aufzunehmen – "wenn sich die Rahmenbedingungen doch noch einmal ändern, vielleicht in fünf Jahren", so Grädler. Zukunftsmusik also – noch weit entfernte.
Deshalb sagt der Geschäftsführer auch: "Für uns ist das alles sehr bitter." Aber man habe in all den Jahren gelernt, mit Krisen umzugehen. "Die plötzliche Betriebsschließung 2005 wegen der unzureichenden Dachstatik haben wir bewältigt, gegen den Abriss der Halle 02 im Zuge der Bahnstadtentwicklung wurde erfolgreich gekämpft, die Verzögerung der Sanierung 2014/2015 wurde gekonnt umschifft und der Wegfall des kommunalen Kulturzuschusses konnte mit Mehreinnahmen aus dem Konferenzgeschäft kompensiert werden", schreiben Grädler und Seibold in ihrem Brief. Jetzt ist es ein Virus, das den Todesstoß bringt. Die Folgen der Pandemie, so heißt es in dem Brief: "Aus eigener Kraft können wir sie nicht stemmen."