Von Hans Böhringer
Heidelberg. Die Psychosoziale Beratungsstelle des Studierendenwerks ist eine kostenlose Erstanlaufstelle für Studierende bei Konflikten und Problemen wie Ängste oder Depressionen. In dem Infotext "Selbstfürsorge in Zeiten von Covid-19" adressiert das Studierendenwerk nun die psychische Belastung, die der öffentliche Stillstand hervorruft. Dr. Frank-Hagen Hofmann ist Psychologe und Psychotherapeut und leitet die Beratungsstelle, im folgenden Gespräch erklärt er, was Betroffene vorbeugend machen können.
Herr Hofmann, haben sich die Sorgen und Probleme der Studierenden bei der Psychosozialen Beratung geändert, jetzt durch die Corona-Krise?
Mit grundsätzlich anderen Problemen kommen die Studierenden nicht. Es ist eher so, dass sich bestimmte Symptomatiken verstärken. Das Depressive nimmt zu, weil beispielsweise Veranstaltungen, auf die sie sich gefreut hatten, abgesagt wurden. Die Ängste nehmen zu, weil es generell eine größere Unsicherheit darüber gibt, wie es weitergeht. Unser Eindruck ist aber auch, dass es bei vielen erst einmal eine große Erleichterung gab, als die Universität die Prüfungen abgesagt hat. Denn es gibt normalerweise viele Studierende, die sich bei uns wegen Prüfungsangst und Arbeitsstörungen melden.
Wie steht es aktuell um den Bedarf an Beratung?
Der Bedarf war während der Entwicklung der Krise durchgängig recht hoch. Mit den einschneidenden Maßnahmen hat sich das aber etwas verringert. Das liegt vermutlich daran, dass sich Studierende nun genau überlegen, welche Termine wirklich dringend sind. Es gibt außerdem viele, die zu den Eltern gefahren sind. Für uns war das gut, wir konnten die Anfragen so direkt bearbeiten. Das persönliche Beratungsgespräch im Haus haben wir reduziert auf den absoluten Notfall, das meiste machen wir telefonisch.
Bis Anfang nächster Woche ist ohnehin noch vorlesungsfreie Zeit. Ist die für Studierende generell eine besondere psychische Belastung?
Es ist jetzt anders. Zwar kennen wir das, was durch die Ausgangsbeschränkungen passiert, in einer milderen Form aus den normalen Semesterferien, in denen plötzlich Vorlesungen und Verpflichtungen wegfallen. Das ist jetzt aber noch schwieriger, denn man kann sich nicht mehr in Cafés setzen, auch Treffen mit Freunden fallen weg. Gerade beim sozialen Kontakt gibt es zwei Gruppen: Die einen leben allein und merken jetzt, dass sie einsam sind. Bei denen, die in Wohngemeinschaften oder bei der Familie leben, kann das Problem wiederum sein, dass eben die anderen auch da sind. Wenn man geballt miteinander zu tun hat, können sich die Konflikte schnell verschärfen.
Wie kann man Konflikte vermeiden?
Indem man Probleme frühzeitig anspricht. Unter normalen Umständen würde ich zu Abstand raten. Das ist im Moment schwierig, aber letztlich doch eine Möglichkeit, indem man sich Freiräume schafft, sich ins Zimmer zurückzieht oder einen Spaziergang macht. Beschäftigung und Struktur wären weitere Ratschläge, damit der Tag nicht mit Konflikten gefüllt ist. Das ist eine Art Selbstfürsorge.
Empfehlen Sie diese Selbstfürsorge auch für die Gruppe, die jetzt allein zuhause ist?
Ja, aber wenn man allein wohnt, ist das schwieriger. Dann sollte man sich auch mit Freunden telefonisch verabreden, sich selbst Struktur schaffen und sinnvolle Projekte suchen.
Wie schafft man sich selbst Struktur im Alltag?
Das ist sicher einfacher mit Taktvorgaben von außen. Ein guter Startpunkt sind die drei Mahlzeiten: Frühstück, Mittagessen, Abendessen. Es mag auch gut sein, sich festzulegen, wann der Tag beginnen soll, und sich ein Morgenritual zu überlegen: Zeitunglesen beim Frühstück beispielsweise. Struktur heißt nicht, dass Sie sich den Tag vollpacken, sondern, dass sie eine grobe Vorstellung davon haben, wie der Tag ablaufen soll. Da sind die Leute unterschiedlich, ob ihnen Vormittag und Nachmittag als Einteilung ausreicht, oder ob sie genaue Zeiträume brauchen. Ich rate zum Experimentieren.
Zukunftssorgen treffen in dieser Krise fast alle – wann werden die Sorgen und Ängste zu einem Problem, bei dem man Hilfe suchen sollte?
Wenn man seine Gedanken und Grübeleien nicht mehr im Griff hat. Wenn es ein Ausmaß annimmt, dass man das Gefühl hat, es hindert einen daran, sich auf andere Sachen zu konzentrieren. Dann kann man überlegen, sich Hilfe zu holen. Nachdenken ist erst mal völlig legitim für das Bewältigen von Problemen. Aber wenn es keinen Fortschritt gibt und Sie merken, dass Sie immer wieder dieselbe Frage durchgehen, dann kann das ein Hinweis sein, dass es problematisch wird.
Sollte man sich also zurückhalten mit dem Grübeln über die Krise, an der man persönlich ja ohnehin kaum etwas ändern kann?
Ja. Aus psychologischer Sicht ist auch die Frage, was das mit einem macht, wenn man sich über die Medien ständig mit Infektionszahlen und Todesraten beschäftigt. Bei Anwendungen für Push-Nachrichten auf dem Handy bekommt man ständig neue Nachrichten, das hält die permanente Verunsicherung aufrecht. Wenn man hingegen das Handy für ein paar Stunden weglegt, ist das anders. Information sind schon sinnvoll, aber wenn sie einen nur verängstigen, ist das eine Abwägung, gerade weil man nicht unbedingt selbst etwas ändern kann.