Mannheim

Stadt will sich unabhängiger von Gas machen

Derzeit werden Heizungsanlagen in vier Gebäuden umgestellt. Die Task Force hat die kritische Infrastruktur im Blick.

16.07.2022 UPDATE: 16.07.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden
Weg vom Gas und hin zu einem klimaneutralen Wärmeträger: Das Jugendfreizeithaus in Herzogenried ist eines der Gebäude, in denen gegenwärtig die Heizungsanlage umgestellt wird. Foto: Gerold

Von Olivia Kaiser und Julia Giertz

Mannheim. Noch bis kommenden Donnerstag soll die Wartung der Gaspipeline Nordstream 1 dauern. Die Sorge ist groß, dass Russland den Betrieb danach komplett einstellt – was in der kalten Jahreszeit für erhebliche Probleme bei Industrie und Verbrauchern sorgen könnte. Daher wird gerade eifrig an Notfallplänen gestrickt. So auch in Mannheim.

Schon seit Beginn der Sitzungen der städtischen Task Force Ukraine gibt es eine Unterarbeitsgruppe zu kritischen Infrastrukturen, die sich mit Aspekten der Energie- und Cybersicherheit befasst. "Die Stadtverwaltung erwartet, dass insbesondere in Bezug auf eine mögliche Gasknappheit die Energieversorgungssicherheit stark an Bedeutung gewinnt", erklärt eine Sprecherin des zuständigen Dezernats für Sicherheit und Ordnung.

Die erste Sparmaßnahme ist bereits in Kraft getreten: Die Stadtverwaltung hat die Beheizung in den zwei mit Gas betriebenen Freibädern – dem Carl-Benz-Bad in Gartenstadt und dem Freibad Sandhofen – abgestellt. Doch natürlich hängen noch zahlreiche andere kommunale Einrichtungen am Gasnetz.

Laut Stadtverwaltung werden derzeit noch circa 40 Gebäude mit Gas versorgt, darunter Kinder- und Jugendhäuser, Bürgerdienste und Bürgerhäuser oder Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr. Außerdem trifft das auf mehrere Sportanlagen zu – zum Beispiel die Lilli-Gräber-Halle in Friedrichsfeld oder die Leichtathletikhalle im Pfeifferswörth. "Eine Entscheidung, wie hier mit der Gasknappheit umgegangen wird, steht noch aus", teilt die Sprecherin mit.

Um sich unabhängiger von Gas zu machen, sollen die betroffenen Gebäude bis 2035 auf einen anderen klimaneutralen Wärmeträger umgestellt werden. Der Prozess hat bereits begonnen: Aktuell sind die Heizungsanlagen in den Jugendfreizeithäusern Schönau und Herzogenried, das Kinderhaus Veilchenstraße und das Tierheim auf der Friesenheimer Insel in der Umsetzung.

"Weitere zehn Objekte können nach aktueller Sachlage perspektivisch auf Fernwärme umgestellt werden", heißt es aus dem Rathaus. "Für weitere 24 Objekte müssen alternative Planungen wie zum Beispiel Wärmepumpen und Pellet-Heizungsanlagen geplant werden. Bei vier Anlagen, die mit Flüssiggas versorgt werden, kann eine Umstellung auf Bio-Flüssiggas erfolgen."

Einige deutsche Städte haben bereits verkündet, die nächtliche Beleuchtung von Sehenswürdigkeiten teilweise oder gar ganz einzustellen. In Mannheim ist das auch der Fall, hat aber weniger etwas mit einem drohenden Gaststopp als mit dem Naturschutzgesetz zu tun, wie die Sprecherin des zuständigen Baudezernats erklärt: "Am Alten Rathaus am Marktplatz, an der Alten Feuerwache, am Alten Rathaus in Seckenheim und der Alten Sternwarte in A 4 wurde die Außenbeleuchtung bereits vergangenes Jahr gemäß dem Naturschutzgesetz ganz oder teilweise abgeschaltet."

Das Gesetz legt fest, dass Fassaden baulicher Anlagen der öffentlichen Hand zwischen 1. April und 30. September ganztätig sowie zwischen 1. Oktober und 31. März von 22 Uhr bis 6 Uhr nicht beleuchtet werden dürfen. Bei klassischen Sehenswürdigkeiten diene die Beleuchtung oft der Verkehrssicherungspflicht und könne daher nicht ohne Weiteres abgeschaltet werden. Beispiel Wasserturm: Das Mannheimer Wahrzeichen ist an die Schaltung der Straßenbeleuchtung gekoppelt und dient seit einigen Jahren in der Nacht als zentraler Teil der Sicherheitsbeleuchtung des Friedrichsplatz-Ensembles. "Als Prävention gegen Vandalismus und Graffiti ist er schwach mit energiesparenden LED beleuchtet", erklärt die Dezernatssprecherin.

Doch was tun, wenn der schlimmste Fall eintritt und im Winter bei klirrender Kälte die Heizung großflächig ausfällt – oder Menschen mit wenig Einkommen es sich nicht mehr leisten können, sie aufzudrehen? Welche Notfallpläne dann in Kraft treten und wo man schnell vielen Menschen eine warme Umgebung bieten kann, ist ein Thema bei den Krisensitzungen. Noch hat die Verwaltung keine Ergebnisse parat – zumindest keine, die sie derzeit öffentlich machen will. Nur so viel: Man sei unter anderem über den Katastrophenschutzbeirat des Deutschen Städtetags mit anderen Kommunen in Kontakt. "Sobald nähere Informationen über eventuelle Maßnahmen der Bundesnetzagentur bei einer möglichen Gasmangellage vorliegen, werden wir informieren", heißt es.

Auch auf der anderen Rheinseite beschäftigt man sich mit dem drohenden Gasmangel in Herbst und Winter und den Folgen für Menschen mit geringem Einkommen. In Ludwigshafen wird über die Einrichtung von Wärmestuben nachgedacht, Landau plant ein ähnliches Angebot, und in Neustadt an der Weinstraße diskutiert man über diese Maßnahme für soziale Härtefälle. Der Gemeinde- und Städtebund begrüßt die Initiativen: "Man muss sich gedanklich mit solchen Szenarien auseinandersetzen", erklärt Verbandssprecherin Agneta Psczolla.

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