Letzter Rathaus-Center-Mieter bleibt bis zum letzten Tag
Advar Tolus darf bis Ende August nächsten Jahres bleiben. Nur wegen seines 18 Quadratmeter großen Ladens ist weiterhin ein Zugang zum Nordflügel offen.

Von Alexander Albrecht
Ludwigshafen. Man kann Advar Tolus Verhalten gut oder schlecht finden, ihn einen Geschäftsmann mit Herz und Seele nennen oder für blauäugig und taktisch unklug halten – eines aber kann ihm niemand nehmen: Er ist immer standhaft geblieben. Der 44-Jährige ist der letzte verbliebene Mieter im Ludwigshafener Rathaus-Center, dessen Abriss beschlossene Sache ist. Und darf es auch bleiben. Bis der Mietvertrag für seinen Schuhmacherladen am 31. August nächsten Jahres ausgelaufen ist.
Die von Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) ins Auge gefasste Zwangsenteignung ist inzwischen vom Tisch, auf Anfrage teilt die Verwaltung lediglich mit: "Im Fall des verbleibenden Mieters wurde eine Lösung gefunden, die dessen Verbleib bis zum Ende der Vertragslaufzeit ermöglicht. Insofern ist das Verfahren aus unserer Sicht abgeschlossen." Die Vorbereitungen für den Abriss des Rathaus-Centers liefen planmäßig. Tolu könne sein Geschäft fortführen, ohne dass der Zeitplan für die Bauarbeiten gefährdet sei. Und auch Tolu, der täglich mit der Bahn von Heilbronn nach Ludwigshafen pendelt, sagt: "Ich ziehe das durch."
Nur wegen seines 18 Quadratmeter großen Ladens ist weiterhin ein Zugang zum Nordflügel offen. Zwei Parkplätze wurden zudem eigens für den Schuh- und Schlüsseldienst eingezeichnet, nachdem das Center-Parkhaus geschlossen wurde. Laut Tolu ist auch ein Security-Wachmann im ansonsten leer stehenden Ex-Einkaufstempel vor Ort. Klimaanlage, Beleuchtung und Strom sind weiterhin angeschaltet.
Zu tun haben Tolu und seine zwei Aushilfen noch – vor allem mit Schuhen, die zu reparieren sind. Einige Stammkunden halten ihm nach wie vor die Treue. "Natürlich sind die Umsätze deutlich geringer als früher", räumt der Unternehmer ein, gibt sich aber unbeirrt kämpferisch. Er habe Rücklagen, sagt Tolu, seine Familie und Freunde stünden hinter ihm. "Ich kann mich hundert Prozent auf sie verlassen."
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Allerdings spiele er noch mit dem Gedanken, zu versuchen, die monatliche Miete in Höhe von 1600 Euro zu mindern. Tolu hätte es auch einfacher haben können. Um die Hintergründe zu verstehen, muss man ins Jahr 2018 blicken. Ein von der DWS-Gruppe verwalteter Immobilienfonds und der Center-Betreiber ECE versäumten es damals, den Mietvertrag für das Geschäft zu kündigen. Somit verlängerte sich die Vereinbarung um fünf Jahre bis Ende August 2023. Die Stadt kaufte im Frühjahr 2021 das Rathaus-Center – und will es Schritt für Schritt abreißen, um Platz für den Bau der Helmut-Kohl-Allee als ebenerdigem Ersatz für die Hochstraße Nord zu schaffen.
Die DWS wollte Tolu den Auszug mit einer Abfindung von 30.000 Euro schmackhaft machen, doch der lehnte ab. "Für das Geld bekomme ich nicht einmal eine Ladentheke", sagte er seinerzeit der RNZ, alleine der Rückbau verschlinge 7000 Euro, den er aus eigener Tasche hätte zahlen müssen. Einen "richtigen Neuanfang" könne er sich finanziell nicht leisten.
Stattdessen verklagte der Schuster die Stadt und forderte, dass alle drei Haupteingänge zum Center wieder geöffnet werden. Damit die Kundschaft nicht mehr nur über Umwege und einen Seitenzugang zu dem Laden kommen könne. Die Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal wies die Klage ab. Während der Verhandlung wollte die Richterin vom Anwalt der Stadt wissen, ob das Angebot über 30.000 Euro noch bestehe. Der Jurist verneinte, und Tolu ging ohne Entschädigung wieder an die Arbeit.
Einen Triumph gönnt der Schuhmacher der Stadt nicht. Er bleibt. "Die wollen mich zermürben, bis ich von alleine ausziehe", glaubt Tolu. "Aber das schaffen sie nicht." Die Hoffnung auf eine angemessene Abfindung der Stadt "von Minimum 50.000 Euro" hat er verloren. Andererseits geht Tolu aber auch davon aus, dass seine Standhaftigkeit die Verwaltung deutlich mehr Geld kostet. Und er will anderen Betrieben Mut machen: "Ich möchte, dass kleine Geschäfte mit Respekt behandelt werden. Das habe ich mir nun einmal in den Kopf gesetzt."




