Heidelberg

Wenn das Baby mit in die Werkstatt muss

Schreinerin Maxime Krämer kämpft für eine Reform des Mutterschutzes. Sie sieht Selbstständige gegenüber Angestellten benachteiligt.

30.03.2022 UPDATE: 31.03.2022 06:01 Uhr 3 Minuten
Maxime Krämer in ihrer Werkstatt in der Weststadt. Wegen der Arbeit mit schwerem Gerät und des Staubs gilt für Schreinerinnen normalerweise direkt zu Beginn einer Schwangerschaft Beschäftigungsverbot bei vollem Gehalt – aber nicht für Selbstständige. Foto: Philipp Rothe

Von Julia Schulte

Heidelberg. Mit 25 Jahren machte sich Maxime Krämer mit ihrer eigenen Schreinerei in der Weststadt selbstständig. Das Geschäft lief gut, sie hatte in ihrer Werkstatt in der Speyerer Straße viel zu tun – doch dann wurde sie schwanger. Und Krämer musste erleben, wie schwierig die Rahmenbedingungen für selbstständige Frauen, die Kinder bekommen, sind. Die heute 30-Jährige hat gemeinsam mit einer anderen Betroffenen nun eine Petition gestartet, um den Mutterschutz für Selbstständige zu reformieren.

Als die Schreinerin Ende 2020 erfuhr, dass sie schwanger ist, begann sie frühzeitig, sich um die Bürokratie zu kümmern. Denn für Selbstständige bedeutet eine Schwangerschaft in der Regel viel Aufwand – und finanzielle Einbußen. "Ich habe mich extra privat Krankentagegeld-versichert, um bei Krankheit während der Schwangerschaft sowie während des Mutterschutzes Geld zu erhalten", erzählt Krämer. Allerdings habe der Versicherungsmakler nicht klar erklärt, dass jeweils eine Karenzzeit von drei Wochen gilt, in denen es kein Geld gibt.

Knapp drei Wochen vor Beginn des Mutterschutzes wurde Krämer dann krankgeschrieben, weil sie nicht mehr schwer heben sollte. Wegen der Karenzzeit bekam sie kein Geld. Und mit Beginn des Mutterschutzes galt die Karenzzeit erneut. 85 Euro pro Tag entgingen ihr dadurch, sodass Krämer an ihre Reserven musste. Denn die Kosten für die angemietete Werkstatt musste sie weiter bezahlen. "Eigentlich waren meine Reserven für Maschinenreparaturen und Neuanschaffungen gedacht", so Krämer.

Nach der Geburt ihrer Tochter im Juli 2021 gingen die Probleme weiter. "Weil mein Partner studiert, beziehe ich das Elterngeld", erzählt Krämer. Doch darf sie nichts dazuverdienen, sodass sie nur gerade so viel arbeitet, dass sie die laufenden Kosten der Werkstatt decken kann. Schon acht Wochen nach der Geburt startete sie wieder in den Job. Zunächst nur mit Akquise, im Oktober dann wieder in der Werkstatt. "Anders wäre das nicht gegangen, denn das Geld hätte nicht gereicht." Und das, obwohl sie gerne noch ein bisschen länger mit ihrem Kind zu Hause geblieben wäre, wie sie sagt.

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Stattdessen kam ihr Partner mit dem Baby in die Werkstatt, wo Krämer regelmäßig stillte. "Die beiden sind auch mit auf Baustellen gekommen", erzählt sie. Aktuell ist Krämer wieder an drei Tagen die Woche in der Schreinerei und sagt: "Mir geht natürlich schon viel Zeit mit meiner Tochter flöten."

Weil es sich um einen Risikoberuf handelt, erhalten angestellte Schreinerinnen von Tag eins ihrer Schwangerschaft an Beschäftigungsverbot – bei vollen Bezügen. Krämer versteht nicht, warum sie nicht die gleichen Rechte wie eine Angestellte habe, obwohl sie genauso Steuern und Beiträge zahle. Zudem schaffe sie mit ihrer Werkstatt Arbeits- und Ausbildungsplätze in einem Bereich, in dem Fachkräftemangel herrsche.

Im Sommer wurde Krämer auf Johanna Röh aufmerksam, eine Tischlermeisterin aus der Nähe von Osnabrück. Diese berichtete bei Instagram über ihre Schwangerschaft, die beiden begannen sich auszutauschen. Daraus entstand eine Petition, mit der die Frauen eine Reform des Mutterschutzes für Selbstständige anstreben. Sie fordern, dass der gesetzliche Mutterschutz allen Frauen gezahlt wird. Zudem sollen auch Selbstständige während einer Krankschreibung in der Schwangerschaft Ausgleichszahlungen erhalten sowie im Fall von Risikoberufen ebenfalls ab dem ersten Tag ins Beschäftigungsverbot gehen. Und: "Das Geld, das man vor der Geburt ausgegeben hat, um das Unternehmen zu halten, sollte man danach verdienen können, ohne dass es einem vom Elterngeld abgezogen wird", sagt Krämer.

Die Petition beziehe sich auf sämtliche Berufsgruppen, denn "viele Frauen teilen die Erfahrung, die Johanna und ich gemacht haben", sagt sie. Das zeige auch die bisherige Resonanz. Am Mittwochnachmittag hatten Krämer und Röh schon über 47.000 Unterschriften gesammelt – und damit fast ihr für Ende April gesetztes Ziel von 50.000 erreicht. Bei dieser Anzahl an Unterschriften muss sich der Petitionsausschuss des Bundestags mit dem Anliegen befassen – und die Petenten dürfen es im Ausschuss persönlich vorstellen. "Johanna und ich werden von der Petition selbst nicht mehr viel haben, aber uns ist es wichtig, dass zukünftig selbstständige Frauen während ihrer Schwangerschaft entspannt sein können."

Bleibt die Frage, ob Krämer irgendwann ein zweites Kind möchte. Ausschließen möchte sie das nicht: "Ich würde mir schon ein Geschwisterkind für meine Tochter wünschen", sagt Krämer. Aber sie müsse erst wieder den Puffer, den sie während der ersten Schwangerschaft verbraucht hat, aufbauen. "Ich müsste hier sonst quasi bis zur Entbindung stehen und bei einer Risikoschwangerschaft könnte ich die Werkstatt gleich dicht machen", so Krämer. Sie habe schon vor der ersten Schwangerschaft gesagt, dass ihr das Geld egal sei – allerdings sei sie sich der Dimension der Belastung damals noch nicht bewusst gewesen.

Info: Krämers Petition läuft noch bis Ende April. Unterzeichnen kann man sie unter www.change.org/meinewerkstattbleibt 

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