Fehlender Dirigent: Heidelberger Sinfoniker kämpfen um ihre Existenz

Der Dirigent Thomas Fey fällt nach einem Unfall mindestens bis 2016 als Leiter der Heidelberger Sinfoniker aus. Bislang war er auch als Manager des Orchesters mit bis zu 65 freiberuflichen Musikern tätig. Nun werden die Künstler selbst aktiv. 

17.03.2015 UPDATE: 17.03.2015 09:05 Uhr 1 Minute, 49 Sekunden

Musiker des Heidelberger Sinfonieorchesters bei der Probe. Foto: Uwe Anspach

Von Christian Jung

Heidelberg. Die Heidelberger Sinfoniker sind in der größten Krise seit ihrer Gründung 1993: Ihr Dirigent Thomas Fey (55) fällt nach einem schweren Unfall aus. "Wir gehen davon aus, dass er mindestens bis Januar 2016 fehlen wird", sagt Orchester-Kassenwart und Kontrabassist Michael Neuhaus (47) und betont: "Diese Krise wollen wir nun als Chance nutzen."

Die für ihre historische Spielweise mit großer Detailfreudigkeit bekannten Sinfoniker spielten in den vergangenen Tagen vier Konzerte in Kufstein, Holzminden und zweimal im Schwetzinger Rokokotheater - und "liehen" sich dafür den Dirigenten Sebastian Tewinkel.

"Wir versuchen im Sinne von Thomas Fey zu spielen", betont die 51 Jahre alte Geigerin Britta Zeus. "Trotz unserer Probleme trauen wir uns zu, unser freies Orchester auf dem Markt zu erhalten", fügt Michael Tkacz (55) hinzu, der Kontrabass spielt.

So einfach ist das allerdings nicht: Das nächste Konzert des Orchesters von freischaffenden Musikern findet erst wieder Mitte Juli statt. Neben der künstlerischen Leitung des Klangkörpers mit seinem klassisch-romantischen Repertoire hatte Fey bisher auch komplett die Akquisition von Konzerten und die Sponsoring-Kontakte übernommen.

Michael Neuhaus versucht nun zusammen mit der Orchester-Agentin Lucia Ahlke neue Engagements für die Heidelberger Sinfoniker zu finden, die je nach Auftrag zwischen 15 und 65 Musiker umfassen können. "Kein Musiker ist direkt in seiner Existenz gefährdet. Viele von uns sind als Musiklehrer beschäftigt oder spielen in anderen Orchestern", sagt Neuhaus. Selbst veranstaltete Konzerte seien auf dem subventionierten Orchestermarkt jedoch sehr schwer zu organisieren.

"Damit sich ein Konzert finanziell auszahlt, benötigen wir ebenso Sponsoren. Am besten ist es, wenn wir mehrere Konzerte hintereinander spielen", sagt Lucia Ahlke. Dadurch würden die Kosten für das einzelne Konzert geringer. Neuhaus ergänzt: "Jedes Orchestermitglied überlegt gerade, wie wir neue Angebote und Projekte schaffen können. Wir können uns durchaus vorstellen, auch andere Musikepochen bis in die Gegenwart zu spielen."

Dass rät den auch Musikern Rolf Boldwin, der geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins. "Das Orchester sollte Nischen und neue Betätigungsfelder suchen, dabei aber das alte Repertoire nicht aufgeben", sagt Boldwin. Heidelbergs Kulturbürgermeister Joachim Gerner (SPD) erklärt, dass die Aufnahme einer "institutionellen Förderung" gerade im Gemeinderat diskutiert werde.

Bisher habe es in der Vergangenheit nur Projektfördermittel von der Kommune gegeben. "Zusätzlich wurden den Heidelberger Sinfonikern in einem Beratungsgespräch Ideen und Vorschläge für die Etablierung programmatischer Profil-Linien unterbreitet, mit denen gegebenenfalls die Erzielung zusätzlicher Drittmittel vorbereitet werden könnte", sagt Gerner. Dabei denke er etwa an Aufführungen von Gegenwarts-Komponisten.

Nach Mitteilung der Deutschen Orchestervereinigung hatte 2012 auch die "Westdeutsche Sinfonia" wegen fehlender Sponsoren Existenzsorgen - bis die Stadt Leverkusen schließlich die Förderung von vier Konzerten sicherstellte. "Musikern eines freien Orchesters ist daher zu empfehlen, stärker in die Organisationsstruktur eingebunden zu sein", sagt Geschäftsführer Harald Mertens. Eine Fixierung auf einen künstlerischen Leiter sei nicht zu empfehlen. Lieber sollte man sich gemeinsam um Eigeneinnahmen wie Kartenerlöse und Sponsoring sowie die private und öffentliche Förderung konzentrieren.

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