Heidelberg

Franziska Brantner holt historischen Sieg

Als erste Grüne gewinnt die 42-Jährige das Direktmandat im Wahlkreis Heidelberg. Wie der Wahlabend verlief: das Minutenprotokoll

26.09.2021 UPDATE: 27.09.2021 09:00 Uhr 4 Minuten, 19 Sekunden
Es war ein Jubel mit Verzögerung – aber dann kam er doch. Rund 150 Menschen feierten bei der Wahlparty der Grünen im Dezernat 16. Als klar wurde, dass Franziska Brantner zum ersten Mal das Direktmandat holt, war die Stimmung perfekt. Foto: Hentschel

Heidelberg. (dns/hob/jolapne/shy/rie) Erstmals holen die Grünen bei einer Bundestagswahl das Direktmandat im Wahlkreis Heidelberg. Mit 30,17 Prozent der Stimmen landet Franziska Brantner deutlich vor Alexander Föhr von der CDU (24,11 Prozent) und Elisabeth Krämer von der SPD (20,16 Prozent). Wie am Montag bekannt wurde, reichte es für Föhr über die Landesliste nicht für den Einzug in den Bundestag. Neben Brantner im Parlament ist zudem AfD-Kandidat Malte Kaufmann: Sein Listenplatz 7 reichte für den Einzug. Wie die Kandidaten auf den Wahlpartys ihrer Parteien mit Sieg und Niederlage umgingen – das Minutenprotokoll vom Wahlabend:

> 18 Uhr – Schweigen bei CDU und SPD, verzögerter Jubel bei den Grünen: Auf die 25 Prozent der Union bei der ersten Prognose folgt im "Goldenen Hirsch" in Schriesheim, wo die CDU ihre Wahlparty feiert, keine Reaktion. Die rund 60 Christdemokraten ertragen es schweigend. Auch im Dezernat 16 bei der Wahlparty der Grünen wissen die etwa 150 Gäste zunächst nicht richtig, wie sie reagieren sollen, als "ihr" Balken bei 15 Prozent stehen bleibt: ein kurzes Zögern, dann bricht doch Jubel aus. Richtig laut wird es aber erst, als die Prognose für die Wahlen in Berlin eingeblendet wird. Ein ähnliches Bild bei der SPD in der Hebelhalle: Bei den ersten Zahlen – bei denen CDU und SPD noch gleichauf sind – bleiben die 50 Sozialdemokraten ruhig. Groß ist zeitgleich die Bestürzung bei den Mitgliedern der Linken, die sich in der Geschäftsstelle der Partei in Bergheim treffen: Die Partei bangt um den Einzug in den Bundestag. "Oh nein", sagt Direktkandidatin Zara Kızıltas und hält sich sekundenlang die Hand vor den Mund: "Das ist hart." Die 22-Jährige hatte nur geringe Chancen, über die Landesliste ins Parlament einzuziehen – die sind jetzt auch weg. Die AfD macht als einzige Partei keine Party. Als die RNZ Kandidat Malte Kaufmann später am Telefon erreicht, sagt der 44-Jährige, um 18 Uhr hätten in seinem kleinen Kreis aus Familie, Freunden und Wahlkampfhelfern zwar nicht die Sektkorken geknallt – "aber wir haben uns sehr gefreut".

> 18.03 Uhr – Jetzt jubeln CDU und FDP: Die ersten Zahlen prognostizieren, dass Rot-Rot-Grün keine Mehrheit hat – bei der CDU in Schriesheim und der FDP im Goldenen Falken in der Heidelberger Altstadt wird jetzt zum ersten Mal laut gejubelt. Grünen-Kreischef Florian Kollmann freut sich indessen: "Das ist das beste Ergebnis, das Grüne bundesweit je hatten."

> 18.06 Uhr – Brantner schnappt sich das Mikrofon: Franziska Brantner tritt unter Jubel nach vorne – und bedankt sich erstmal: "Ihr seid das beste Team ever." Doch mit dem Ergebnis im Bund hadert sie: "Wir sind nicht ganz so weit gekommen, wie wir uns das gewünscht hätten. Aber wir sind überzeugt, dass das der richtige Weg ist und wir sind ein gutes Stück vorangekommen."

> 18.20 Uhr – Die CDU jubelt: Die ersten 67 Stimmen im Wahlkreis sind ausgezählt, aus einem Wahlbezirk in Schriesheim: Föhr führt mit 43 Prozent, Brantner hat nur 19,4. Als diese Zahlen auf der großen Leinwand im "Hirsch" erscheinen, jubelt der Saal.

> 18.36 Uhr – Grüne bejubeln SPD: Die erste Hochrechnung erscheint bei der ARD. Und die Heidelberger Grünen machen bei der Wahlparty keinen Hehl daraus, wen sie als Kanzler favorisieren würden: Als sie sehen, dass die SPD ganz knapp vor der CDU landet, bricht Jubel aus.

Als Alexander Föhr (CDU) im „Hirsch“ in Schriesheim ankam, gab es minutenlangen Applaus. Foto: rie

> 18.39 Uhr – Langer Applaus für Föhr: Der CDU-Kandidat, der die ersten Zahlen noch zu Hause verfolgt hatte, zieht mit seiner Frau Patricia im "Hirsch" ein. Seine Parteikollegen stehen auf, applaudieren eine Minute lang. Föhr hält eine kurze Rede und sagt: "Ich gebe zu, dieser Empfang hat jetzt sehr gut getan." Alle sollen sich einen schönen Abend machen. Und er erinnert daran: "Zur Demokratie gehört, dass man Wahlen gewinnt – und auch, dass man sie verliert." Aktuell schätzt er seine Chancen, in den Bundestag einzuziehen – über das Direktmandat oder über die Liste – noch auf 50 zu 50.

> 18.47 Uhr – Tränen bei der SPD: Jetzt ist auch SPDlerin Elisabeth Krämer bei ihrer Wahlparty angekommen. Lauter Applaus und viel Jubel begleiten die 28-Jährige vom Parkplatz in die Halle. Von Lothar Binding gibt es spontan eine feste Umarmung. Von Krämer selbst fällt in diesem Moment spürbar die Anspannung der vergangenen Tage ab. Als sie sich bei Binding, ihrem Team und ihrer Familie bedankt, fließen sogar ein paar Tränen. "Wenn man seit fünf Tagen nachts nur etwa drei Stunden schläft, dann wird man emotional", sagt sie lachend.

Für Elisabeth Krämer (SPD) gab es Applaus, eine feste Umarmung und Blumen. Foto: shy

> 18.50 Uhr – Föhr will abpfeifen: Alexander Föhr liegt – nach 17 von 353 ausgezählten Wahlbezirken – drei Prozentpunkte vor Franziska Brantner. Lächelnd meint er: "Jetzt abpfeifen." Dann betritt in Berlin Armin Laschet die Bühne, und dankt Angela Merkel für "16 gute Jahre". Der Saal im "Goldenen Hirsch" ist zwiegespalten: Die Hälfte applaudiert, die andere nicht. Als dann Annalena Baerbock in Berlin zur Rede ansetzt, schaltet die CDU den Ton wieder ab. Gelächter im Saal.

> 19 Uhr – Der AfD-Kandidat zieht in den Bundestag ein: AfD-Kandidat Malte Kaufmann kann sich inzwischen fast sicher sein, ins Parlament zu kommen, er sagt am Telefon: "Zu 99 Prozent habe ich es geschafft." Anderthalb Stunden später sagt er: "Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr."

> 19.22 Uhr – Die Spannung im Rathaus steigt: Oberbürgermeister Eckart Würzner verfolgt im recht leeren Neuen Sitzungssaal im Rathaus mit den FDP-Stadträten Karl Breer und Michael Eckert die Präsentation an der Leinwand. 156 von 353 Wahlkreisen sind ausgezählt. Beim Direktmandat zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf Rennen ab: 25,18 Prozent für Brantner, 24,75 Prozent für Föhr. Gabriela Bloem, Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik: "Das wird auch hier in Heidelberg eine spannende Wahlnacht." Bei der SPD hingegen weiß man jetzt schon, dass es für Kandidatin Krämer nicht reichen wird: "Das wäre eine große Überraschung, wenn sie reinkäme", sagt Kreisvorsitzender Sören Michelsburg.

> 19.36 Uhr – Brantner zieht davon: 210 von 353 Wahlbezirken sind ausgezählt, und Grünen-Kandidatin Brantner liegt schon 4 Prozentpunkte vor Föhr. Der sagt: "Das Rennen um das Direktmandat ist gelaufen."

> 20.22 Uhr – Trauer bei Lamers: "Ich bin traurig", kommentiert Karl A. Lamers, dass sein Nachfolger Alexander Föhr das Direktmandat nicht holen wird. Dann setzt er zu einem Loblieb auf Föhr, aber auch auf Brantner an, die er "menschlich und fachlich" hochschätze. Alexander Föhr ruft seine Konkurrentin derweil an und gratuliert ihr zum Wahlsieg, auch er wird sie in seiner Rede wenige Minuten später loben: "Sie ist eine tolle Kandidatin – das muss man einfach sagen." Und er konstatiert: "Das Ergebnis ist stark von Heidelberg dominiert. Dort haben wir einfach keine Chance momentan." Und tatsächlich: Würde man die Stimmen aus Heidelberg abziehen, hätte Föhr im Rest des Wahlkreises gewonnen. "Aber das bringt ja nix", sagt er.

> 21.20 – Alles ausgezählt, aber noch nicht alles klar: Als auch ein letzter Wahlbezirk in Ladenburg seine Ergebnisse abliefert, ist es offiziell: Franziska Brantner holt souverän das Direktmandat. Doch für Alexander Föhr wird es noch eine lange Nacht. Ob er doch noch in den Bundestag einzieht, steht wahrscheinlich erst weit nach Mitternacht fest.

Update: Montag, 27. September 2021, 09.39 Uhr

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