Bis zu 15-geschossige Neubauten und eine Ring-Straßenbahn
Die Planungsteams präsentierten die Entwürfe. Eine Erweiterung ist nur auf jetzigem Gelände geplant.

Von Holger Buchwald
Heidelberg. Im Masterplanverfahren Neuenheimer Feld sind die größten Reizthemen vom Tisch: Wenn es nach den Entwürfen der beiden Planungsteams Astoc und Kerstin Höger geht, wird das Gewann Hühnerstein, das im Handschuhsheimer Feld liegt und für das die Universität bereits Baurecht hat, nicht bebaut – zumindest nicht bis 2050. Eine Seilbahn ist ebenso vom Tisch wie der Nordzubringer, also eine neue Straße durch das Handschuhsheimer Feld. Eine fünfte Neckarquerung von Wieblingen ins Neuenheimer Feld könnte es demnach höchstens als kleine Fuß- und Radbrücke geben, wie im Entwurf von Höger vorgesehen, Astoc kommt ganz ohne sie aus. Vor allem eine Ring-Straßenbahn auf derselben Trasse, die 2016 vom Verwaltungsgerichtshof gekippt wurde, ist für die verkehrliche Erschließung vorgesehen.

Am Donnerstagabend stellten die Planungsteams erstmals die Weiterentwicklung ihrer Entwürfe der Öffentlichkeit vor. 200 Zuhörerinnen und Zuhörer kamen ins Hörsaalzentrum Chemie. In den Spitzenzeiten waren weitere 65 via Zoom zugeschaltet. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Wie schaffen die Büros 868.000 Quadratmeter zusätzliche Bruttogeschossfläche im Neuenheimer Feld? Um eine Zukunftsperspektive im Campus zu haben, hatten die Universität, die Kliniken und die anderen wissenschaftlichen Einrichtungen diesen Flächenbedarf bis 2050 angemeldet. Sowohl Höger als auch Astoc sind zuversichtlich, dass sie das im bestehenden Neuenheimer Feld unterbekommen. Sie wollen dafür vor allem in die Höhe gehen – Höger sieht teilweise fünf- und sechsgeschossige Neubauten vor, während Astoc in einem Fall sogar mit 15 Geschossen plant. Parkplätze werden überbaut. Höger will die 7100 von den Projektträgern geforderten Stellplätze vor allem in Tiefgaragen unterbringen.
Wie gehen die Entwürfe mit den bestehenden Gebäuden um? Beide Teams möchten teilweise bestehende Bauten abreißen und die Flächen neu strukturieren. Besonders der Vorschlag von Astoc, auch die Chemischen Institute zurückzubauen und sie durch eine Blockbebauung zu ersetzen, stieß dabei auf Kritik (siehe unten).
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Gibt es Platz für eine neue Klinik? Im Höger-Entwurf wären nur kleinere Anbauten möglich. Sebastian Herrmann von Astoc könnte sich aber vorstellen, die Sportflächen der Universität in der Tiergartenstraße teilweise zu überbauen. Eine neue Thoraxklinik oder Orthopädie wäre somit in seinen Augen auf dem Gelände des "ehemaligen Stadions" möglich. Diesen Plan lehnt Klinikumschef Ingo Autenrieth ab, weil dieses Gebiet nicht an die unterirdischen Versorgungsgänge angeschlossen ist und auch die verkehrliche Anbindung nicht gewährleistet wäre. Vertreter der Sportvereine ärgerten sich, dass damit die Sportflächen im Freien im Neuenheimer Feld um ein Drittel reduziert würden. Auch Kerstin Höger meinte: "In einem wachsenden Campus brauchen wir künftig eher zusätzliche Sportflächen." Zudem dürfe das Areal nicht bebaut werden, es sei eine wichtige Kaltluftschneise.
Wie wird das Neuenheimer Feld städtebaulich gegliedert? Beide Teams haben einen ähnlichen Ansatz und sehen unterschiedliche Cluster mit einem eigenen Zentrum vor. Bei Höger heißen sie Innovationscampus, Universitätscampus, Klinikring, Neckarquartier, Lebens- und Versorgungsviertel sowie Sport- und Freizeitcampus.
Wie soll der Campus verkehrlich angebunden werden? Die Planungsteams konnten aus zehn unterschiedlichen Verkehrsvarianten auswählen, die allesamt durch das Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen und -systeme (IVAS) begutachtet worden waren. Astoc und Höger entschieden sich letztlich für dieselbe Variante: Im Kern ist ein enger Straßenbahnring geplant. Der Autoverkehr soll hingegen zum größten Teil von der Straße "Im Neuenheimer Feld" in den Norden verlagert werden. Die neue Straße beginnt an der Berliner Straße auf Höhe des Technologieparks. Bei Astoc stößt sie dann in den Süden und führt so zur Kopfklinik, während Höger die Straße weiter in den Westen führt. Sie trifft an den Sportflächen auf den Klausenpfad. Bei beiden Büros gibt es Mobilitätshubs, wo die Nutzer des Felds auf umweltfreundliche Pedelecs, Fahrräder oder Roller umsteigen können.
Und wie kommen die Patienten zum Klinikum? Dies war die größte Sorge des Leitenden Ärztlichen Direktors Ingo Autenrieth. Allein eine Million ambulant behandelter Patienten und unzählige mobilitätseingeschränkte Besucher machen es in seinen Augen unabdingbar, dass die Kliniken weiter mit dem Auto erreichbar sind. "Wie haben Sie die Patientenperspektive mit einbezogen?", wollte Autenrieth wissen. Sowohl Höger als auch Astoc betonten, dass sie Parkplätze explizit für Klinikbesucher reservieren wollen. Einige Straßen seien für diese und Rettungswagen reserviert. Wenn es nach Sebastian Herrmann von Astoc geht, dürfen auch Zoobesucher weiter mit dem Auto anreisen. Die Vorgabe der Projektträger von Stadt, Land und Uni war, dass 7100 Stellplätze im Neuenheimer Feld erhalten werden. Beide Planungsteams glauben aber, dass die Auto-Abstellflächen deutlich auf bis zu 5500 reduziert werden könnten.
Was ist mit einer neuen Neckarquerung? Über sie wurde am Donnerstagabend gar nicht geredet. In den Plänen von Höger ist aber eine Fuß- und Radwegebrücke von Wieblingen ins Neuenheimer Feld vorgesehen. Das Team Astoc, das in den vorangegangenen Entwürfen schon mal eine Neckarquerung eingeplant hatte, hat sich davon verabschiedet. Da sie umweltrechtlich kaum durchzusetzen wäre und eine Realisierung Jahrzehnte dauern könnte, müsse die verkehrliche Erschließung ohnehin ohne neue Brücke funktionieren.
Wurde der regionale Verkehr einbezogen? Obwohl viele Nutzer des Neuenheimer Feldes aus dem Umland kommen, steht diese Betrachtung noch aus. "Wir waren im Campus gefangen", bedauert Höger. Eine erweiterte Verkehrsbetrachtung war in dieser Prozessphase nicht vorgesehen.
Welches Freiraum-Konzept sehen die Entwürfe vor? Auch in diesem Punkt haben sich Höger und Astoc angenähert. Beide sehen ein grünes Nord-Süd-Band vom Handschuhsheimer Feld bis zum Neckar vor, das Fußgängern und Radlern auch als Verkehrsachse dient. Beide Büros messen dem Handschuhsheimer Feld und auch dem Hühnerstein, für den die Universität eigentlich schon Baurecht hätte, eine hohe Bedeutung bei. Er solle unbebaut bleiben.
Wird der Campus klimaneutral? Astoc und Höger geben ihr Bestes. Sowohl Photovoltaik-Anlagen, wo immer es geht, dezentrale Wärmepumpen und ein Anenergienetz sind geplant. Samy Schneider vom Stadtplanungsamt lobt die Anstrengungen, kommt am Ende aber zu einem ernüchternden Ergebnis: "Keiner der Entwürfe schafft hundertprozentige Klimaneutralität." Immerhin reduziere aber Astoc die CO2-Emission im Vergleich zu 2017 um 73 Prozent, Höger sogar um 85 Prozent. Und doch meint Schneider: "Beide Planungen haben Optimierungsbedarf."
Wie geht es nun weiter? Die Pläne und Präsentationen können im Internet unter masterplan-neuenheimer-feld.de studiert werden. Über diese Seite kann man sich auch bis 7. Oktober online beteiligen. Darüber hinaus sind Stadtteilgespräche und zwei öffentliche Sitzungen des Forums geplant, bevor die gemeinderätlichen Gremien über die Entwürfe diskutieren. Die endgültige Entscheidung soll der Gemeinderat im Frühjahr 2022 fällen.
Universitätsrektor sieht "Licht und Schatten"
Masterplan-Entwürfe: Stadt, Land und Uni haben einige Kritikpunkte
Heidelberg. (hob) So ausgefeilt die Entwürfe für den Masterplan Neuenheimer Feld auch sein mögen, sehen die Projektträger von Stadt, Land und Universität noch Diskussionsbedarf. Als Universitätsrektor Bernhard Eitel nach der Präsentation um eine Stellungnahme gebeten wird, sieht er "Licht und Schatten". Besonders kritisiert er, dass sowohl Astoc als auch Höger Gebäude im Wert von etlichen Milliarden Euro abreißen und die frei gewordene Fläche umstrukturieren wollen. Mit einer erschütterungsarmen Ring-Straßenbahn könnte er sich jedoch anfreunden, zumal der Autoverkehr in den Norden verlegt werden soll.
Bereits im Juli mussten die Planungsteams ihre Entwürfe abgeben. Die letzten beiden Monate nutzten die Projektträger unter Federführung des Stadtplanungs- und des Universitätsbauamts zur Vorprüfung. Samy Schneider von der Stadt und Damien Ertel von der Landesbehörde "Vermögen und Bau" stellten die Ergebnisse vor. Schneider kritisierte im Höger-Entwurf, dass die nördliche Erschließungsstraße nur zwölf Meter breit sein soll: "Es bleibt kein Platz für einen Fahrradweg. Der Querschnitt ist so gering, dass kaum Baumpflanzungen möglich werden. Fehlende Abbiegespuren führen zu Stau. Institutseingängen kann kaum angemessen Raum gegeben werden."
In den Augen von Ertel schafft es Höger auch nur, die geforderte Bruttogeschossfläche von 868.000 Quadratmetern zu liefern, indem sie 15 Prozent der Flächenzuwächse in die Untergeschosse verlegt. Dabei hatten die Projektträger als Obergrenze fünf Prozent festgelegt. Bei Astoc hingegen komme das Wohnen auf dem Campus nur in der Broschüre, nicht aber in den Plänen vor.
Teure Tiefgaragen und eine geringe Aufenthaltsqualität angesichts der hohen Gebäude sind weitere Kritikpunkte von Schneider und Ertel. Wenn Astoc die Chemischen Institute, den einzigen quer stehenden Gebäuderiegel im Neuenheimer Feld, abreißen wolle, ist dies aus Schneiders Sicht "unrealistisch". Denn er wird gerade generalsaniert, die Fertigstellung ist 2030 geplant.
Astoc sehe zudem, so Schneider, "unglaublich viele Baumpflanzungen" vor. Die Gebäude seien im Plan aber zu eng an den Baumbestand gesetzt worden. Zudem schränkten die vielen Neupflanzungen die Sichtbeziehungen ein. Bei beiden Teams müsse die Klinikentwicklung noch weiter bearbeitet werden.
Die Vertreter des Bündnisses Bürgerbeteiligung Masterplan Neuenheimer Feld zeigten sich am Rande der Veranstaltung zufrieden mit den Entwürfen, denn ihre Hauptforderung, den Hühnerstein nicht zu bebauen, wurde erfüllt. Zoodirektor Klaus Wünnemann hingegen war enttäuscht, dass keines der Teams die 2800 Quadratmeter für eine Erweiterung des Tiergartens übrig hatte. Den Platz würde er gerne unter anderem für eine Quarantäne-Station nutzen, um neue Tiere erst einmal von ihren künftigen Mitbewohnern zu isolieren und auf mögliche Krankheiten zu untersuchen. Er wünscht sich, dass die Familien auch langfristig mit dem Auto zum Zoo kommen können.



