Schwetzingen

Das sind die urbanen Street-Art-Wandbilder

Von Spargel bis zum Jäger aus Kurpfalz, bei einer Themenführung lässt sich Vieles entdecken.

20.08.2021 UPDATE: 22.08.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 30 Sekunden
Sehr beindruckend: Das Kunstwerk „Lebenswerk“ das Ilse Fackel-Kretz zeigt.

Von Rolf Kienle

Schwetzingen. Es ist ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit: Die Gestaltung im urbanen Raum will entdeckt werden. Manchen Werken fällt es leichter, wie der Spargelbäuerin an der Mühlenstraße/Heidelberger Straße, andere, die man oft erst auf den zweiten Blick sieht, brauchen einen Hinweis. Dass Schwetzingen eigentlicher voller Street Art (Kunst im öffentlichen Raum) steckt, verrät jetzt die Führung "Spargel an der Wand", die zu einer ganzen Reihe von Werken führt. Eigentlich hat sie nur am Rand mit Spargel zu tun, aber der Titel macht die Sache für Schwetzingen-Besucher griffiger, auch wenn zur Führung ausnahmslos Einheimische kamen. Als Gästeführerin fungierte Kulturreferentin und Tourismus-Chefin Barbara Gilsdorf.

Zweimal geht es um das königliche Gemüse: Bei dem 18 Meter hohen Bild von Thomas Baumgärtel, der als Bananensprayer bekannt ist und auch schon als "deutscher Banksy" bezeichnet wurde, noch am deutlichsten. An der Fassade eines Mehrfamilienhauses im Grenzhöfer Weg mutierte seine Banane zum Spargel – bananengelb und doch eindeutig ein Spargel. Dazu der Slogan "Ohne Spargel ist alles Banane!" Das Bild entstand zum 350. Jubiläum des Spargelanbaus 2018.

Zu der Führung „Spargel an der Wand“ waren interessierte Schwetzingerinnen und Schwetzinger erschienen, die mehr über die Street Art in ihrer Stadt wissen wollten.

"Spargel in der Kunst ist nicht neu", verriet Barbara Gilsdorf. Schon in der römischen Antike sei er Kunstobjekt gewesen. Wer eine Idee von Baumgärtels Bananen sucht, dem sei die kleine Banane an der Fassade des Palais Hirsch empfohlen. Der Mann ist ansonsten gern hochpolitisch: Seine Banane im Rektum des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hat für mächtig Wirbel gesorgt.

Von ähnlicher Präsenz wie der Spargel am Grenzhöfer Weg ist das Bild mit dem Titel "Lebenswerk", besser bekannt als "Die Spargelbäuerin" an der Mühlenstraße. Künstler ist ebenfalls ein renommierter Street-Art-Vertreter. Hendrik Beikirch hat im koreanischen Busan ein 70 Meter hohes Porträt eines Fischers an die Wand gebracht. Es ist der Protest gegen die Vertreibung der Fischer aus dem Hafen. In Mannheim und Heidelberg hat er ebenfalls Großformatiges geschaffen.

Beikirch malt schwarz-weiß und hat eine ungewöhnlich ausdrucksstarke Bildsprache. Als Schwetzingen ihn einlud und Barbara Gilsdorf ihm verschiedene Plätze und Fassaden zeigte, befand er die Wand an der Mühlenstraße für die geeignetste. Da sei Verkehr, der Platz innenstadtnah und vor allem nicht in der Fußgängerzone, urteilte er damals. Spargelbäuerin Ilse Fackel-Kretz stand Modell, wobei sie sich zunächst von ihrer "Sonntagsseite" zeigte, dann aber selbst vorschlug: "Wollen Sie mich als Bäuerin sehen?" Mit Kopftuch und Kittelschürze. Beikirch wollte und malte. Es entstand ein Porträt von fast magischer Kraft. "Lebenswerk" ist ein Gewinn für Schwetzingen. Es wurde im Übrigen nicht aus Steuergeldern finanziert.

Eins der ebenfalls jüngeren großformatigen Bilder hat eine völlig andere Handschrift: Auf der Rückseite der Sporthalle in der Kronenstraße haben Christine Laube und Mehrdad Zaeri eine ganze Geschichte erzählt. Das Mannheimer Paar, Künstlername Surati, hat sich mit der Illustration von Kinderbüchern einen Namen gemacht, wurde aber auch in Mannheim mit großen Wandbildern bekannt. An der Kronenstraße hat "Surati" vor zwei Jahren das Bild "Ahnen/Urahnen" geschaffen; im Mittelpunkt stehen Menschen unterschiedlichen Alters und Herkunft. Sie stellen den Bezug zur Schule und dem Schloss gegenüber her. Es ist eine märchenhafte Darstellung mit viel Liebe zum Detail.

Gleich gegenüber hatte der Künstler Otto Mindhoff seine Galerie Xylon. Mindhoff, der vor zwei Jahren verstarb, die öffentliche Kunst der Stadt drei Jahrzehnte geprägt. Er war ein Schüler von HAP Grieshaber. Eins seiner Werke ist an der Einfahrt des Parkhauses Wildemannstraße zu sehen. Es gehört zu den Wandbildern, die vielleicht nicht auf den ersten Blick ins Auge fallen, aber dennoch von einer erstaunlichen Dominanz sind. Mindhoff schuf figürliche Bilder, die oft Menschen und Technik zeigen. Am Eingang des Parkhauses sind es Autos.

Ein anderer großer Sohn Schwetzingens ist ebenso mit Wandbildern vertreten, und zwar gleich mehreren. Heinz Friedrich, der 2018 verstarb, war bis in hohe Alter aktiv. Er hinterließ eine Reihe ausdrucksstarker Bilder. "Der Jäger aus Kurpfalz" gegenüber dem Rathaus gehört dazu. Es entstand 1984.

Friedrich hatte die Gabe, "Menschen exzellent darzustellen", schwärmte Gilsdorf. Die Szene an dem Privathaus in der Dreikönigstraße zeigt eine turbulente Jagd mit Pferd und Hunden. Ein Hirsch ist bereits erlegt; man bläst das Horn. Eine weitere Geschichte erzählte Heinz Friedrich in der Mannheimer Straße. Über den Schaufenstern des Farbengeschäfts Schäfer wird mit Farbe gezaubert. Der Pfau tut das mit seinem Gefieder, der Zauberkünstler und der Harlekin mit dem Papagei auf ihre Weise. "Die Farbe habe ich ihm aus dem Geschäft geliefert", erzählte Seniorchef Klaus Schäfer.

Ganz anders arbeitete Heinz Friedrich in der Hildastraße 4a, wo er ein Wandbild für den Geistlichen, Gelehrten und Lehrer Johann Peter Hebel anfertigte. Hebel, der 1826 in Schwetzingen starb, wurde auf dem alten Friedhof in der Hildastraße begraben. Der Friedhof wurde zwar später verlegt, aber Hebels Gedenkstein ist nach wie vor dort erhalten. Gleich daneben: das zweidimensionale schwarz-rot-gelbe Wandbild im Stil einer Druckgrafik. Hebel blickt ernsthaft und weise von der Wand herab, umgeben von Piktogrammen seiner Stationen, zuletzt dem kurfürstlichen Gesandtenhaus, dem heutigen Amtsgericht in der Zeyherstraße, wo er starb.

In der gleichen Straße, aber auch auf dem Messplatz, in der Friedrichstraße und an anderen Plätzen hat der Künstler Jens Andres seine ganz spezielle Straßenkunst hinterlassen – die blauen Ufos auf dem Asphalt. Dass er sie nicht "Ufo" nannte, sondern "Troublemaker" (Unruhestifter) lässt auf eine Absicht schließen: Er wollte Irritationen schaffen. Und wer beobachtet, welche Unsicherheiten entstehen, wenn Autofahrer hier parken oder dann doch lieber nicht parken, kann das nachvollziehen. Dürfen hier nur Ufos parken oder was soll das?

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