RNZ-Corona-Podcast - Folge 57

"Präsenzunterricht ist klar zu bevorzugen"

Lehrer sind in der Pflicht, sagt Schulpsychologe Dickhäuser im RNZ-Corona-Podcast.

23.07.2021 UPDATE: 24.07.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 47 Sekunden
Die gesellschaftliche Spreizung hat während der Corona-Pandemie deutlich zugenommen, sagt Oliver Dickhäuser. Foto: Anna Logue

Von Benjamin Auber

Heidelberg. Prof. Oliver Dickhäuser (50) ist Lehrstuhlinhaber für Pädagogische Psychologie an der Universität Mannheim.

Herr Dickhäuser, wie wichtig ist der Präsenzunterricht, also der direkte Kontakt mit anderen Kindern, Lehrern und der Schulgemeinschaft?

Präsenzunterricht ist klar der zu bevorzugende Weg, um Lerninhalte zu vermitteln. Fern- und Wechselunterricht sind nicht in gleicher Weise wirksam. Das zeigt auch eine neue Meta-Analyse der Uni Frankfurt. Zu erklären ist dies auch dadurch, dass Eltern nicht die Experten für die Steuerung von Lernprozessen sind. Geöffnete Schulen sind außerdem Orte des sozialen Lernens und zentral für die Entwicklung der Kinder jenseits vom Erwerb von Fachwissen.

Wen treffen Einschränkungen hart?

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Tatsächlich hat die Pandemie dazu geführt, dass diejenigen Kinder es zusätzlich schwerer haben, die in sozial und ökonomisch schwächeren Familien leben. Gesellschaftliche Spreizung war vor Corona bereits ein Problem unseres Bildungssystems und dieser Effekt hat sich leider deutlich verstärkt.

Inwieweit häufen sich die Fälle von psychischen Problemen bei Kindern?

Es gibt dazu Daten aus der Copsy-Studie. Fast jedes dritte Kind hat mittlerweile psychische Auffälligkeiten wie Sorgen, Ängste oder psychosomatische Störungen. Das Risiko hat sich um 50 Prozent erhöht. Viele Familien berichten im Vergleich zum ersten Lockdown auch nicht von der Verbesserung ihrer Lage. Die Auffälligkeiten führen dazu, dass es mittlerweile große Schwierigkeiten gibt, für Kinder wenn nötig einen Therapie-Platz zu erhalten.

Welche Rolle spielen dabei die Lehrer? Sind sie auf diese Mammutaufgabe vorbereitet?

Studien machen deutlich, dass Lehrkräfte mit ihrem Handeln einen ganz wesentlichen Unterschied für das schulische Lernen machen. Es ist eine Berufsgruppe, die uns helfen kann, aus der Krise herauszukommen. Schulen müssen dabei besser ausgestattet werden, vor allem mit Blick auf die notwendige Zusatzförderung mit mehr qualifiziertem Personal.

Was halten Sie von dem Aktionsprogramm über zwei Milliarden Euro mit mehr Nachhilfe?

Die Leopoldina empfiehlt drei Punkte. Gezielte Lernförderung, um Kompetenzverluste dort und bei denen aufzuarbeiten, wo der Rückstand besonders groß ist. Ein wichtiges Feld ist zudem die integrierte Bewegungsförderung und drittens ein Frühwarnsystem für psychische Auffälligkeiten. Was das Finanzvolumen angeht: Bei elf Millionen Schülern sind zwei Milliarden Euro ein Betrag von rund 180 Euro für jeden. Bildungsökonomen schätzen, dass allein die Schließungen im Frühjahr 2020 Einkommensverluste von über 20.000 Euro je Kind nach sich ziehen werden. Das ist, vorsichtig gesagt, ein ziemliches Missverhältnis.

Wie blicken Sie auf die Frage von Impfungen von Schülern?

Wir sollten uns an wissenschaftlich basierte Empfehlungen wie die der Stiko halten, die bisher keine allgemeine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche abgegeben hat. Von Schülern können wir nicht erwarten, dass sie ein größeres individuelles Risiko für sich infolge der Impfung in Kauf nehmen, um die Gesellschaft zu schützen. Wir müssen das Thema auf einer vernünftigen Grundlage diskutieren, um nicht weitere Unsicherheiten zu schüren.

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