Eppingen

Wird die Gartenschau 2022 ein Schlammprojekt? (Fotogalerie)

Der anhaltende Regen und die Sorge um ein Umspannwerk haben in Eppingen aus etlichen Gewächsen unfreiwillige Wasserpflanzen gemacht.

13.07.2021 UPDATE: 14.07.2021 17:59 Uhr 6 Minuten, 14 Sekunden
Foto: Buchner

Eppingen. (guz) Auf die vergleichsweise kleine Flut folgte ein großes mediales Interesse: Selbst im "Heute Journal" des ZDF waren am Dienstagabend Bilder des überfluteten Gartenschaugeländes vor der Silhouette Eppingens zu sehen, wobei allerdings fälschlicherweise von einer Landesgartenschau gesprochen wurde. Streng genommen ist und bleibt die Gartenschau natürlich eine "kleine", also ein "Grünprojekt". Derzeit ist es jedoch eher ein Schlammprojekt, nur eben ohne Besucher. Und es ist längst nicht ausgeschlossen, dass es 2022 ein Schlammprojekt mit Besuchern werden könnte.

Der anhaltende Regen hat wohl keine wirklich großen Schäden auf dem Gelände verursacht, so viel ist inzwischen erkennbar. Er hat aber etwas Entscheidendes unterspült: den Glauben, dass höchstens Corona der Schau im kommenden noch etwas anhaben könnte. Das Veranstaltungsgelände ist zugleich eine sogenannte Retentionsfläche, auf der sich das Wasser ausbreiten darf, und das Hochwasserschutzkonzept sieht vor, das Wasser aus den Rückhaltebecken an den Gewässern Elsenz und Hilsbach durch die Anlage zu leiten – Gartenschau hin oder her. Das stellte Bürgermeister Peter Thalmann am Dienstagabend im Technischen Ausschuss nochmals klar.

Dass das Areal überflutet werden kann, war wasserrechtliche Grundbedingung dafür, dass die Stadt für die Gartenschau überhaupt ins Gelände eingreifen durfte. "So wie’s (am Dienstag) durchgeflossen ist, wird’s auch weiter durchfließen", antwortete Thalmann auf einen Einwurf von Hartmut Kächele. "Die Bürger fragen sich, warum die Becken nicht richtig einstauen", hatte der SPD-Stadtrat zuvor festgestellt. Thalmann entgegnete, dass die drei Rückhaltebecken – das an der Raußmühle für die Elsenz und zwei weitere am Hilsbach – sehr wohl Wasser zurückgehalten hätten und zu 18 bis 20 Prozent gefüllt gewesen seien. Das gesamte automatisch arbeitende Schutzsystem sei aber darauf ausgelegt, genügend Stauvolumen in Reserve zu halten, deshalb sei der Durchfluss der Rückhaltebecken nicht verringert worden. "Kein Geschäftsführer eines Hochwasserzweckverbandes wird riskieren, einen Schieber von Hand zu schließen", betonte Thalmann, deutete aber dennoch Maßnahmen an: "Wir haben die Wasserstände aufgenommen und werden unsere Schlüsse daraus ziehen."

Die Schlüsse daraus ziehen heißt sicher nicht, für 2022 italienische Gondeln zu kaufen, sondern vielmehr die Schau so nachzujustieren, dass zumindest die empfindlichsten Beiträge und technischen Einrichtungen möglichst hochwassersicher sind, sofern das nicht ohnehin schon geschehen ist. Wie berichtet, waren beispielsweise Verteilerkästen am Dienstag nicht in Gefahr oder noch nicht unter Strom. Stühle und kleinere Pflanzen wären im Veranstaltungsjahr hingegen wohl weggeschwemmt worden, und die Trübung des Stadtweihers lässt zumindest die Vermutung zu, dass doch etwas Wasser aus der Elsenz in den künstlich angelegten See gelangt ist. Thalmann sagte hingegen, es habe keinen Überlauf gegeben, und zwischen Bach und Weiher seien noch 20 Zentimeter Luft gewesen.

Gerold Werner, Geschäftsführer des Hochwasserzweckverbandes Elsenz-Schwarzbach, bestätigte im Gespräch mit der RNZ Thalmanns Anmerkungen: "Ich würde mich nicht getrauen, die Schieber weiter zu schließen", sagte er, deutet jedoch an, dass dies durchaus möglich wäre. Dazu aber müssten alle Beteiligten an einen Tisch, vor allem die Aufsichtsbehörden von Landratsamt und Regierungspräsidium. Nur nach einem gemeinsamen Beschluss könne man während der Gartenschau von den ausgeklügelten Betriebsvorschriften abweichen, die es für jedes einzelne Rückhaltebecken gibt.

Das Ereignis am Dienstag sei noch weit von einem Extremhochwasser entfernt gewesen, und die Anlagen haben genau das gemacht, was sie machen sollen, nämlich das Wasser bremsen, aber nicht vollständig zurückhalten. erklärte Werner. Es könnte schließlich noch ein Starkregen hinterherkommen, und wenn die Becken dann bereits voll wären, schösse das neue Wasser unkontrollierbar über die Dämme und könnte enorme Schäden verursachen.

Ausgelegt ist das – noch nicht komplett fertiggestellte – Hochwasserschutzsystem zwischen Eppingen und Waldwimmersbach, zwischen Zuzenhausen und Wollenberg auf einen Starkregen, der statistisch nur alle 100 Jahre vorkommt. Das vom Dienstag sei maximal ein fünf- oder zehnjährliches Hochwasser gewesen, schätzt Werner. Bei einem 100-jährlichen wäre hingegen wohl das ganze Gartenschaugelände samt Stadtweiher überflutet worden. "Wir haben es halt mit der Natur zu tun", erinnert der Zweckverbands-Chef.

Falls es also 2022 wieder so stark regnen würde, müsste das Gartenschaugelände evakuiert, wohl mehrere Tage gesperrt und gereinigt werden. Was nicht ganz einfach ist: Wege und Sitzbänke kann man mit dem Dampfstrahler säubern, Tulpen und Veilchen allerdings nicht.

Das Hochwasser von 2016 hatte übrigens die Nord- und nicht, wie gestern berichtet, die Südstadt verwüstet. Der Autor hat offenbar eine ausgeprägte Nord-Süd-Schwäche und bittet um Entschuldigung.

Update: Mittwoch, 14. Juli 2021, 17.54 Uhr


Gartenschau-Gelände steht unter Wasser

Von Armin Guzy

Eppingen. "Gut, dass wir die Gartenschau verschoben haben." Stadtsprecherin Vanessa Heitz lässt das Vorhängeschloss einschnappen und blickt vielsagend auf ihre nicht mehr glänzenden Gummistiefel. Hinter dem Zaun, also dort, wo in diesem Jahr eigentlich tausende Besucher flanieren sollten, stehen weite Teile des Geländes unter Wasser.

Nun bahnt sich auch noch eine "Hochzeit" an, die die Stadt mit aller Macht und viel Geld seit zwei Jahren verhindern will: Die Elsenz und der eigens für die Gartenschau angelegte Stadtweiher sind sich am Mittag bereits so nahe gekommen, dass die unerwünschte Liaison unausweichlich scheint.

Wenn die erdbraune Brühe des Flüsschens in den klaren, vom Grundwasser gespeisten Weiher schwappt, wäre der Schaden noch größer, als er, obwohl noch nicht beziffert, ohnehin wohl schon ist. Das Gartenschaugelände in Eppingen ist am Dienstag teilweise abgesoffen.

Kurz nach 1 Uhr waren die ersten Notrufe bei der Feuerwehr eingegangen, von Eppingern, deren Keller nach anhaltendem Regen vollgelaufen waren. Gegen 4 Uhr ging’s dann richtig los. Mehr als 70 Liter Wasser pro Quadratmeter wurden gemessen, in der Kernstadt wurden Straßen und Wege überschwemmt, von den Feldern im Umland kam reichlich Erde mit, die Elsenz und das beschauliche Bächlein Hilsbach konnten die Wassermassen nicht mehr fassen und drei automatisch gesteuerte Rückhaltebecken schlossen ihre Schleusen, soweit es das komplexe Hochwasserschutzsystem zuließ.

Während die 2016 so stark vom Hochwasser betroffene Südstadt diesmal mit ein paar vollgelaufenen Kellern vergleichsweise glimpflich davonkam, bereitete das Umspannwerk der "Netze Südwest" in der Scheuerlesstraße den Einsatzkräften im Laufe der nassen Stunden zunehmend Sorgen. "Das war ganz knapp, heut’ Nacht", schildert Landwirt und Stauwärter Kurt Schlimm und zeigt mit dem Zollstock auf eine Markierung im Schacht des Dammes. Jetzt, am Vormittag, reicht das Wasser noch knapp an die Zwei-Meter-Marke, aber auch nur, weil etliche Pumpen seit Stunden Wasser auf der einen Seite einsaugen und auf die andere Seite schießen – und diese Seite ist leider Teil des Gartenschaugeländes.

Nachts war die 2,30-Meter-Kerbe im Schacht nicht mehr zu sehen gewesen; bei 2,50 Meter wäre das Wasser des Hilsbachs unkontrolliert in Richtung Umspannwerk geströmt. Die Transformatoren sitzen zwar erhöht auf Betonsockeln, aber der Technikraum hätte überflutet werden können, was dann die Stromversorgung der Region teilweise lahmgelegt hätte, da sind sich Schlimm und Feuerwehrkommandant Thomas Blösch einig, auch wenn ein Mitarbeiter des Netzbetreibers abwiegelt und "alles im grünen Bereich" sieht.

Der Damm wurde vor Jahren an- und dabei auf ein 100-jährliches Hochwasserereignis ausgelegt, eben weil die gesamte Elsenzaue bekanntermaßen Überflutungsgebiet ist. Dass dort dann auch mal Wasser steht, ist Teil des Hochwasserschutzkonzepts und an sich kein Problem – dass sich dort in diesem und – wegen der Verschiebung – auch im kommenden Jahr das Gartenschaugelände befindet, hingegen schon. Am Dienstag ragen dort neu gepflanzte Bäume und einzelne Skulpturen aus einer braunen Seenlandschaft, und dass sein zwölf Meter langes Schiffsskelett "Styx" tatsächlich einmal Wasser unter dem gebrochenen Rumpf haben würde, hätte sein Schöpfer Gunther Stilling wohl nicht im Traum gedacht. Während einige Enten den ganzen Trubel und das dumpfe Dauerdröhnen der Wasserpumpen schlicht ignorieren, ist ein Bisam auf einen Baumstumpf geflüchtet und wartet dort wohl, bis das Wasser abgelaufen und sein Bau wieder frei ist. Dann erst wird auch die Stadt eine Schadensbilanz ziehen können.

Das jedoch könnte dauern, schätzt Feuerwehrkommandant Blösch. Er hält ständig Kontakt zum Wetterdienst, denn für den Abend sind weitere Regengüsse in der Region angekündigt. Er hat schon mal die sechs Feuerwehrabteilungen in den Ortsteilen auf einen möglichen Einsatz vorbereitet – die Frauen und Männer der Kernstadtabteilungen sind seit Stunden auf den Beinen.

Blösch und Schlimm hoffen zwar, dass die Prognose nicht eintrifft – Landwirt Schlimm auch, weil der mobile Stall für seine 850 Freilandhühner direkt neben dem Gartenschaugelände steht –, vorbereitet aber sind sie, falls es doch anders kommt. Stadtsprecherin Heitz und das Gartenschau-Team sind es hingegen nicht: Sie können dann nur noch zuschauen, wie sich die Seenlandschaft weiter verbreitet und Elsenz und Stadtweiher sich vereinen. Dabei hatte man den Stadtweiher nach langer Diskussion im Gemeinderat für viel Geld extra als eigenständiges System geplant und mit einem Damm gegen die Elsenz abgeschirmt. Mit diesen Wassermassen hat jedoch niemand gerechnet.

Positiv ist, dass die große Bühne und zahlreiche Ausstellungsbeiträge noch nicht aufgebaut sind und weder die Trafo-Häuschen noch der "Schwanen" Schaden genommen haben. Ein paar neue Pflanzen und umfangreiche Reinigungsarbeiten werden jedoch sicher nötig sein. "Wir können nur fürs nächste Jahr draus lernen", sagt Heitz gegen 16 Uhr am Telefon, als es in Eppingen gerade nicht regnet und auch Elsenz und Stadtweiher noch in getrennten Betten weilen. "Gut, dass wir die Gartenschau verschoben haben", bekräftigt Heitz nochmals.

Update: Dienstag, 13. Juli 2021, 18.06 Uhr


Eppingen. (jubu) Hier verläuft eigentlich ein Fahrradweg: Anwohner stehen fassungslos vor dem gefluteten Areal der Gartenschau in Eppingen. Ein halbes Dutzend Flussbiber rettet sich auf einen Ast vor den Wassermassen. Nach heftigen Regenfällen in der Nacht stieg der Pegel der Elsenz auf bis zu 2,30 Meter an - die Lage spitzte sich immer weiter zu.

Zunächst wurde eine Hühnerwiese, dann das Gelände der Gartenschau geflutet. Anwohner hatten gegen vier Uhr die Feuerwehr gerufen, nachdem das Wasser sich auch an einer Böschung vor dem angrenzenden Elektrizitätswerk gesammelt hatte. Das Werk drohte von den Wassermassen überschwemmt zu werden. Mit mehreren Pumpen und Wasserwerfern waren die Feuerwehrkräfte stundenlang im Einsatz um ein weiteres Überfluten zu verhindern. Bereits in der Nacht waren sie wegen eines überfluteten Kellers alarmiert worden.

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