"Wir gehen mit_voran"

Mosbacher Händler und Wirte demonstrieren für offene Läden

Mitarbeiter des Einzelhandels, der Gastronomie und der Beautybranche beteiligten sich an der Aktion.

01.02.2021 UPDATE: 02.02.2021 06:00 Uhr 3 Minuten
Auch Mosbachs Oberbürgermeister Michael Jann nahm an der Kundgebung in Mosbach teil: Mitarbeiter der Einzelhändler in der Stadt, der Gastronomie und der Beautybranche wollten damit auf ihre Situation aufmerksam machen. Foto: Thomas Kottal

Von Stephanie Kern

Mosbach. Eigentlich dekoriert Els Wolf-Hebbinckuys Schaufenster, berät Kunden, stellt Outfits zusammen. Am Montag trug sie eine neongelbe Jacke, war Organisatorin einer Demo und machte Hunderte Bilder. Denn sie und ihre Kollegin Petra Rinderfeld hatten am Montag alle, die in der Mosbacher Innenstadt tätig sind, die wegen des Lockdowns schon lange keine Kunden mehr sehen konnten und in Kurzarbeit sind, aufgerufen, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. "Wir gehen mit_voran" hieß die Aktion, die von der Initiative "Freundschaftsdienst" angestoßen wurde. Etwa 70 vom Lockdown Betroffene reihten sich in der Stadt auf – mit Maske, Abstand und pinkfarbenem Plakat.

"Ich habe einfach Angst, dass Mosbach eine Geisterstadt wird", erklärt Wolf-Hebbinckuys, warum sie sich für die Demo einsetzte, rumtelefonierte und Menschen mobil machte. "Wir hoffen, dass unsere Chefs jetzt bald Unterstützung bekommen. Wenn es unseren Chefs gut geht, geht es auch uns gut", ist sie überzeugt. Was ihr am meisten fehlt, sind die Kunden und der Kontakt zu den Kolleginnen. "Wir haben so viel in die Hygiene investiert, haben uns an alle Regeln gehalten und bei uns war es auch nie so voll – und dann wurden wir eine Woche vor Weihnachten geschlossen!" Was besonders frustrierend sei: Über Alternativen habe man nie diskutiert – und keiner wisse, wann der Lockdown ein Ende hat.

Das betonen auch viele andere Teilnehmer der Demo. Simone Lazeta war eine von ihnen. Normalerweise arbeitet sie bei Uhren Pippig, aktuell ist sie in Kurzarbeit. Schlecht ginge es ihr damit. "Bei uns geht es doch nicht dicht an dicht zu, deshalb ist es für mich unverständlich, dass die kleinen Händler schließen mussten." Natürlich bange sie auch um ihren Arbeitsplatz. "Es ist nicht absehbar, wie lange der Lockdown noch geht, alles ist so ungewiss", beschreibt Lazeta ihre Gefühle.

Yvonne Sturm ist beim Schuhhaus Stadler beschäftigt. "Hier geht es um die Arbeitsplätze jedes Einzelnen, der hier heute in der Stadt steht", sagt Sturm. "Und um die Geschäfte in der Stadt!" Es fehle die Unterstützung. "Auf was können oder sollen wir planen?", fragt Sturm. Die Innenstadt veröde, wenn es so weitergehe. "Jeder hält das eine Zeit lang durch. Aber wie lange noch?", fragt Sturm in Richtung Politik.

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„Unsere Mama braucht ihre Arbeit“, sagten die Töchter von Rebecca Kegel. Foto: S. Kern

Rebecca Kegel stellt sich die gleichen Fragen. Die Mitarbeiterin von "Rigoros" kam mit ihren zwei Töchtern zur Demo. "Wir möchten, dass die Läden wieder öffnen können", sagt Kegel. Man habe das Hygienekonzept gut eingehalten, habe eine Wartezone eingerichtet, falls zu viele Kunden im Laden gewesen wären.

Auch Petra Jahn und Beate Dietrich waren bei der Demo beteiligt, beide haben einen Friseursalon, die eine in Obrigheim, die andere in Mosbach. "Mir liegt die Aktion heute am Herzen: Wir sind alle Geschäftsleute und stehen mit dem Rücken an der Wand", sagt Petra Jahn. Beate Dietrich betont: "Wir haben keine Lobby. Und wir müssen wirklich um unsere Existenz bangen." Man wisse nicht, wie es weitergeht, Hilfen habe man noch nicht einmal beantragen können. "Auch wir sind wichtig", betont Dietrich noch.

Mosbachs Oberbürgermeister Michael Jann, Citymanagerin Andrea Zorn und weitere Mitarbeiter des Stadtmarketings waren bei der Demo dabei. Cornelia Schulz ist eine von ihnen: "Wir beteiligen uns, weil wir wollen, dass unsere Stadt attraktiv bleibt, dass Mosbach so eine wunderschöne Stadt bleiben kann. Wir stehen voll dahinter!", erklärt sie.

Deutliche Worte findet Holger Schwing: "Wir als kleiner Teil der Gesellschaft sollen alle anderen retten und werden dafür von der Politik links liegen gelassen. Das ist eine Riesensauerei!" Auch er fragt sich, warum große Lebensmittelhändler ohne jede Begrenzung öffnen dürfen, die kleinen aber nicht. "Wir werden zur Schließung gezwungen und erhalten keinerlei Entschädigung", empört sich der Vorsitzende von Mosbach Aktiv. "Das ist eine politisch angeordnete Vernichtung von mittelständischen Existenzen." Ins Internet zu wechseln, wie es von der Politik verlangt werde, sei auch keine Lösung für die kleinen Händler. "Man verlangt uns etwas ab, das wir nicht leisten können. Wir leben von den Kunden und vom Miteinander mit ihnen."

Und dieses Miteinander fehle nicht nur den Angestellten in den Innenstädten, sondern auch den Kunden. Einige kamen zur Demo und zeigten so ihre Unterstützung. "Das hat mich wirklich gerührt", berichtet Els Wolf-Hebbinckuys. Manche Kunden hätten sie auch schon zu Hause angerufen. Für sie und ihren Chef Holger Schwing steht eine schwierige Woche bevor: Die Kleiderständer in den Geschäften sind voll, in der kommenden Woche ist der Termin für den Einkauf für April und Mai.

Doch: Keiner weiß, ob und wann die Geschäfte wieder öffnen dürfen. "Was kaufen wir ein, wie viel kaufen wir ein, kommt dann wieder ein Lockdown? Mit diesen Fragen fühlen wir uns im Stich gelassen", sagt Wolf-Hebbinckuys. Dass betreffe nicht nur die Chefs, sondern auch deren Angestellte. Das zeigte auch die Menschenkette, die sich durch die Mosbacher Innenstadt zog, eindrucksvoll.

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