Bei der Feuerwehr droht ein Ausbildungsloch
Gesamtkommandant der Freiwilligen Feuerwehr über Rückstau bei Lehrgängen und fehlenden Nachwuchs - Online kein voller Ersatz

Von Martina Birkelbach
Eberbach. Homeoffice, Videokonferenzen, Onlineschulungen. In vielen Bereichen ist das möglich geworden. Ein Brand kann natürlich nicht von zu Hause aus gelöscht werden, auch bei Unfällen muss die Feuerwehr vor Ort sein, aber mit Online-Seminaren und Theorie-Ausbildung rüsten jetzt die Feuerwehrschule des Landes Baden-Württemberg und der Kreisfeuerwehrverband des Rhein-Neckar-Kreises auf. "Das ist sehr spannend und interessant, wir haben das nun in verschiedenen Abteilungen ausprobiert. Nur leider reicht die Bandbreite in der Internetversorgung nicht bei jedem Kameraden zu Hause dafür aus", sagt Markus Lenk. Und er betont, dass das "niemals die Feuerwehrausbildung in allen Bereichen ersetzten und die Kameradschaft fördern" kann. Laut dem Gesamtkommandanten der Freiwilligen Feuerwehr (FFW) Eberbach gibt es seit 13. März vergangenen Jahres, mit einer kurzen Unterbrechung von rund zwei Wochen im Herbst, keinen Übungs- und Ausbildungsdienst mehr. Auch an der Landesfeuerwehrschule des Landes Baden-Württemberg in Bruchsal ist seit Frühjahr 2020 nur noch ein eingeschränkter Ausbildungsbetrieb möglich.
Die Feuerwehren sind als "systemrelevant" eingestuft. Zusammenkünfte sind nur noch auf den Einsatzdienst zu beschränken. Laut Lenk ist "normalerweise" im zweiwöchigen Rhythmus "Dienst nach Dienstplan" vorgesehen. Daran müssen die aktiven Kameraden regelmäßig teilnehmen, um zu Einsätzen ausrücken zu dürfen. Dazu kommen Sonderausbildungen, Lehrgänge und Seminare, "aber auch Tauglichkeitsnachweise, wie etwa im Bereich Atemschutz".
Ebenfalls ausgesetzt sind Fachlehrgänge, die sonst regelmäßig auf Standort-, Kreis- oder Landesebene stattfinden. Lenk: "Hier bildet sich ein immenser Rückstau und es entsteht ein Ausbildungsloch". Dieses "Loch" wird sich in zwei bis vier Jahren bemerkbar machen.
Auch auf den dringend benötigten Feuerwehr-Nachwuchs hat die Corona-Pandemie Auswirkungen. "Da wir derzeit keine öffentlichen Veranstaltungen – wie etwa den Tag der offenen Tür – durchführen können, finden wir keinen Nachwuchs. Vergangenes Jahr hat zudem kein Kindergarten und keine Schulklasse die Feuerwehr besucht. Wegen der Pandemie, aber auch wegen des Feuerwehrgerätehausumbaus, der nun abgeschlossen ist." Lenk betont: "Wir leisten eine hervorragende Jugendarbeit mit speziell dafür ausgebildeten Angehörigen, nur wir kommen an die Jugendlichen derzeit gar nicht ran". Und er sagt ganz ehrlich: "Wer will derzeit irgendwo eintreten, wenn er nicht vorbeikommen oder gesellschaftliche Veranstaltungen besuchen darf". Sollte sich jetzt jemand für die Feuerwehr entscheiden, ist das laut Lenk "sehr gut und erfreulich". Da aber keine Ausbildung stattfinden darf, kann der potenzielle Nachwuchs auch keinen Einsatzdienst leisten. Und so gibt es seit Ausbruch der Pandemie keine Neueintritte bei der Eberbacher Feuerwehr.
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"Echte" Trainingsstunden sind laut dem Gesamtkommandanten extrem wichtig, um "fit am Gerät für den Einsatz zu sein". Er erklärt: "Damit die Handgriffe im Einsatzfall sitzen. Wenn es um Zeit in einer absoluten Stresssituation geht. Da kann man nicht mehr nachdenken, wie das ablaufen muss, da muss alles passen". Zudem sind Übungsstunden auch wichtig, um sich untereinander kennenzulernen, sich abzustimmen und den kameradschaftlichen Teil zu stärken. "Denn beim Einsatz muss sich jeder auf den anderen verlassen können." Als Feuerwehrmann-Anwärter darf man, wie Lenk erläutert, schon mit zu Einsätzen ausrücken und sich in einem sicheren Bereich aufhalten bis der Grundlehrgang mit bestandener Prüfung abgelegt wurde. Idealerweise wird dazu noch ein "Funklehrgang" absolviert sowie ein Erste-Hilfe-Lehrgang mit dem Zusatz "Feuerwehr". Ohne diese Ausbildung ist für Neumitglieder keine weitere Ausbildung und kein vollständiger Einsatzdienst möglich. "Wir haben in allen Abteilungen jede Menge junge Kameraden, die auf diese Ausbildungen warten." Derzeit können auch die Jugendlichen "fast nichts" machen. "Wir versuchen, mit Aktionen wie Lernaufgaben in Kontakt mit unseren Jugendlichen zu bleiben. Das ersetzt aber keinesfalls die Jugendarbeit.

Die Onlineangebote der Feuerwehren laufen erst jetzt mehr und mehr an. Lenk: "Bis vor der Pandemie war die Onlineausbildung bei uns nicht sehr verbreitet. Dann ging es sehr schnell. Ich denke, auch die Feuerwehren stehen vor einem Umbruch. Es wird künftig ein sehr viel größeres Online-Angebot geben." Derzeit gibt es bereits erste Anträge auf Änderungen der Satzungen; "die meisten Satzungen sind, etwa auf das Thema Onlinejahresversammlung, noch nicht ausgerichtet". Lenk vermutet, dass sich in den nächsten Monaten sehr viel ändern wird, was seiner Meinung nach in einigen Bereichen auch sehr gut sein wird. "Um auch hier mit der Zukunft zu gehen, finde ich eine Mischung aus Online und Präsenz sehr wichtig. Völlig online ersetzen lässt sich eine Feuerwehrausbildung aber nicht." Die Einsatzbereitschaft der Feuerwehr hat zurzeit Priorität.
"Selbstverständlich tragen die Kameraden im Feuerwehrhaus, im Fahrzeug und beim Einsatz eine Maske." An den Einsatzstellen wird auf Abstand geachtet, was laut Lenk aber nicht immer funktioniert, da man bei einigen Tätigkeiten "zwangsläufig" nahe zusammen kommt. Nach jedem Einsatz werden die Fahrzeuge und Kontaktflächen im Feuerwehrhaus desinfiziert. Lenk: "Wieder einmal zahlt sich die Ortsteilstruktur mit den verschiedenen Abteilungen bei uns aus. Wir haben seit März 2020 alles strikt getrennt. Für den Fall, dass in einer Abteilung das Virus ausbrechen sollte, bleibt die andere einsatzbereit." Auch gibt es unter den Kommandanten keine persönlichen Treffen mehr.
Natürlich geht das Wissen "so nach und nach verloren", umso länger der Lockdown dauert. Deshalb ist es umso wichtiger, "das der Übungsbetrieb zum Frühjahr wieder kontinuierlich aufgenommen wird". Der Gesamtkommandant ist sich sicher, dass es in ein paar Jahren "eine Delle bei den Mitgliedern" geben wird, sollte es in einem Zeitraum von rund zwei Jahren zu keinen Neueintritten gekommen sein. Neue Mitglieder zu akquirieren wird "große Kraft" kosten. Lenk kann sich zurzeit noch nicht vorstellen, dass Kindergärten und Schulen "dieses und wahrscheinlich noch nächstes Jahr" gleich wieder Exkursionen zur Feuerwehr machen dürfen. "Da sind sicher andere Dinge wichtiger." Aber er ist optimistisch, dass nach dem Lockdown "neue Wege der Mitgliederwerbung" gefunden werden.
Auch wenn "Eintreten und gleich Mitmachen" derzeit nicht möglich ist, sind neue Mitglieder willkommen. Lenk rät, sich vorab zu informieren, wie eine Mitgliedschaft bei der Feuerwehr aussieht. "Es gibt ein paar Unterschiede zu einem Verein. Man tritt in eine Organisation ein, die derzeit aus mehr als 200 Angehörigen in den Bereichen Jugendfeuerwehr, Aktive Mannschaft und Alterswehr besteht." Lenk: "Wenn wir wieder dürfen, werden wir zeitnah mit allen Ausbildungen starten. Nur alles auf einmal kann auch nicht funktionieren, es wird seine Zeit dauern, bis wieder alles geregelt läuft."



