Mosbach

An der Gewerbeschule ist man vom Hin- und Her des Kultusministeriums genervt

Nicht nur die Verbindlichkeit fehlt - Versäumnisse beim Fernunterricht

14.01.2021 UPDATE: 15.01.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 47 Sekunden
Die Stühle bleiben oben, die Klassenzimmer – bis auf Ausnahmen – leer. Das gilt auch an der Gewerbeschule Mosbach, wo man die Corona-Schutzmaßnahmen mitträgt, aber auch deutliche Worte für die Vorgaben und „Planungen“ des Kultusministeriums findet. Symbolfoto: dpa

Von Heiko Schattauer

Mosbach. Holprig verlief der Schulstart zu Beginn dieser Woche. Schwächelnde Plattformen und Server, genervte Schüler und Lehrer – der verordnete Fernunterricht erfüllt zwar die verschärften Sicherheitsbestimmungen, nur in Teilen aber die Ansprüche eines wissensvermittelnden Austauschs. So mancher hatte die Restart-Probleme vorausgesagt. Auch Andreas Hoffner, Schulleiter der Gewerbeschule Mosbach, war nicht davon ausgegangen, dass das Homeschooling reibungslos anlaufen würde. Aber nicht nur die Anlaufprobleme machen ihn sauer. Hoffner ist zunehmend genervt von den Rahmenbedingungen, unter denen er und sein Kollegium zu arbeiten haben.

"Die fehlende Verbindlichkeit macht alle verrückt", beschreibt der Schulleiter. immer wieder müsse man seit Beginn der Coronapandemie neue Vorgaben ohne Vorlaufzeit umsetzen, immer wieder raube die Ad-hoc-Organisation viel Zeit und Nerven. "Die meisten Planungen waren in der Zeitung, bevor sie uns an den Schulen erreicht haben", bemängelt Hoffner zudem die Kommunikation vom Kultusministerium bis in die Schulverwaltungen.

Letztes Beispiel: Die Regelungen für Schüler der Abschlussklassen bzw. Schüler, die noch dringend Leistungsfeststellungen (Arbeiten etc.) zu absolvieren haben. Für die sehen die unmittelbar vor Ferienende getroffenen Vorgaben des Kultusministeriums nämlich Ausnahmen vor. Oder sie lassen zumindest die Option für Sonderregelungen offen, so ganz klar formulieren wollte man da nicht. "Ich kann doch nicht unentwegt hin- und herlavieren, wenn man im Ministerium keine klaren Entscheidungen vorgibt", sagt Andreas Hoffner.

Und hat sich deshalb inzwischen im Austausch mit seinem Kollegium auf eine schulinterne Regelung verständigt – die unterdessen auch wieder eine Menge organisatorischer Sonderarbeit mit sich gebracht hat: So hat man aus allen Klassen – an der Gewerbeschule sind es 55 in insgesamt neun Schularten – erfragt, in welchen Fächern noch welche Leistungsfeststellungen für das erste Schulhalbjahr ausstehen, und aufgrund dieser Daten einen Sonderplan für Präsenzstunden erstellt: Ab kommenden Montag werden demnach Schüler aus insgesamt 26 Klassen zeitweise und mit großem Abstand verteilt in die Unterrichtsräume zurückkehren, um diese nach Beendigung der jeweiligen Klassenarbeit umgehend wieder zu verlassen.

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Andreas Hoffner. Foto: rnz

Eine schnelle Rückkehr zum regulären Präsenzunterricht hält Hoffner aber nicht für sinnvoll: "24 Schüler und ein Lehrer, das sind 25 verschiedene Haushalte in einem Raum", verdeutlicht der Schulleiter. "Kontaktminimierung ist das nicht."

Überhaupt sieht er im Drängen des Kultusministeriums auf eine möglichst zeitige Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts vor allem eine Strategie, um Versäumnisse beim Fernunterricht zu kompensieren. "Da sind die Rahmenbedingungen einfach nicht geschaffen worden", beklagt Andreas Hoffner. Man habe versäumt, "ein bisschen Geld" in die Serverkapazität zu investieren. Zeit sei eigentlich genug gewesen, findet der Schulleiter aus Mosbach.

Dass die für den Fernunterricht favorisierten Moodle-Anwendungen nur zeitweise funktionieren, sei vor allem auch deshalb ärgerlich, weil man Schüler und Lehrer unter Eigenregie dafür ausgiebig geschult hatte. Was man aktuell an Verbesserungen für Moodle generiere, gehe zu Lasten anderer Anwendungen, die über den Server des Netzbetreibers für die baden-württembergischen Schulen laufen. "Das ist nur ein Verschieben von bestehenden Serverkapazitäten: Moodle läuft zeitweise, E-Mail und Intranet dafür langsamer." Unschöne Bestätigung liefert der Austausch Hoffners mit der RNZ – der muss unter anderem über den privaten E-Mail-Account laufen, da das Schul-Mailsystem zeitweise zusammengebrochen war.

Auch deswegen müssten er und seine Kollegen immer wieder Optionen parat haben oder eben suchen. "Ich bin ja froh, dass wir ein so kreatives Team haben", sagt Hoffner und verweist auf eilig eingerichtete Alternativplattformen, die man nutzt, um mit den Schülern in Austausch zu treten. "Der Kontakt mit den Schülern ist im Fernunterricht elementar, da muss ein Austausch stattfinden – sonst funktioniert das nicht." In einer Stunde Videounterricht würden im Schnitt rund 20 Fragen von Schülerseite gestellt – und dann eben auch beantwortet, konkretisiert Hoffner seine Erfahrungen.

Genutzt hat er zuletzt "gotomeeting". Auch wenn er damit datenschutzrechtlich in einer Grauzone unterwegs sei. Mit der Aussage des Ministerialdirigenten, man solle "datenschutzfreundliche" Plattformen nutzen, konnte Hoffner jedenfalls kaum etwas anfangen.

Ganz offensichtlich sei hingegen aufgrund unterschiedlicher Vorgaben das unterschiedliche Lernstandniveau der Schüler in Baden-Württemberg. Eine klare Forderung des Schulleiters in Richtung Landeshauptstadt: Überladene Lehrpläne modifizieren, Leistungsanforderungen und Prüfungen anpassen. Nur so könnte zumindest eine mittelfristige Verbindlichkeit wiederhergestellt werden.

Eine kurzfristige Verbindlichkeit hat man inzwischen selbst geschaffen: Bis Ende Januar wird es – abgesehen von den genannten, für die Notenermittlung relevanten Leistungsfeststellungen – keinen Präsenzunterricht für die rund 900 Schüler der Gewerbeschule Mosbach geben. Ob man für die Zeit danach zeitig eine Richtungsvorgabe aus dem Kultusministerium bekommt? Andreas Hoffner ist skeptisch. Als Pädagoge sollte man aber von Natur aus an Lerneffekte glauben – auch bei den Entscheidungsträgern in Sachen Lehren und Lernen.

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