Mathaisemarkt Schriesheim

Das war es dann für 2021

Die Absage des Bürgermeisters überraschte niemanden mehr. Karlheinz Spieß von der Winzergenossenschaft kritisiert jedoch die mangelnde Einbindung.

10.01.2021 UPDATE: 11.01.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 33 Sekunden
Der Mathaisemarkt wird dieses Jahr nicht stattfinden. Foto: Dorn

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Es lag lange in der Luft – aber nach langem Zögern und Ringen sagte am Freitagmittag Bürgermeister Hansjörg Höfer coronabedingt den Mathaisemarkt ab. Damit sind alle Hoffnungen auf die 442. Auflage des Festes – in welchem Rahmen auch immer – endgültig zerstoben. So fällt das Fest zum zweiten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg aus: 1991 war der Golfkrieg der Grund, die neuen Hoheiten wurden damals allerdings doch gekrönt – wenn auch im Zehntkeller. Allerdings machte Höfer noch ein wenig Hoffnung auf eine Wiederauflage im Sommer. Aber das liege an der weiteren Entwicklung der Pandemie.

Der Vorstandsvorsitzende der Winzergenossenschaft, Karlheinz Spieß, hadert auch nicht so sehr mit Höfers Entscheidung, sondern mit ihrem Zustandekommen: "Ich bin schon sehr enttäuscht, dass wir nicht eingebunden oder wenigstens angerufen worden sind." So habe es keine Sitzung des Markt- und Kulturausschusses gegeben, zumindest wurde er nicht dazu eingeladen. Inhaltlich habe er an der Absage nichts auszusetzen: "Ich sehe es doch genauso. Mich stört nur die Art und Weise, wie man mit den Organisatoren umgeht."

Hintergrund

Alternativlos

Micha Hörnle zum Mathaisemarkt

Von der Kanzlerin wird gerne gesagt, dass sie manche Entscheidungen für alternativlos hält. Und so ist es auch mit Bürgermeister Hansjörg Höfers Absage des

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Micha Hörnle zum Mathaisemarkt

Von der Kanzlerin wird gerne gesagt, dass sie manche Entscheidungen für alternativlos hält. Und so ist es auch mit Bürgermeister Hansjörg Höfers Absage des Mathaisemarktes. Man könnte vielleicht einwenden, dass die überfällig und vielleicht zu spät kam, denn spätestens mit dem zweiten Lockdown war klar, dass die Luft extrem dünn für die 442. Auflage des Fests werden würde. Das Straßenfest wurde schließlich unter ungleich (infektionsmäßig gesehen) günstigeren Bedingungen abgesagt. Dass Höfer so lange gezögert hat, ehrt ihn, denn er hat auch eine besondere Verpflichtung gegenüber den arg gebeutelten Schaustellern. Und er hat sich diese Entscheidung wirklich schwer gemacht: Vielleicht hätte es doch noch ein Fünkchen Hoffnung gegeben für ein Rummel ohne Festzelt – aber auch das ist momentan völlig illusorisch.

Allerdings wäre es – zumindest aus der Sicht mancher Organisatoren – vom Ablauf her korrekter gewesen, es hätte doch noch eine Sitzung des Markt- und Kulturausschusses zum Mathaisemarkt gegeben, und man hätte die Nachricht von der Absage nicht aus der Zeitung erfahren. Denn noch gibt es regelmäßige Sitzungen des Gemeinderates und der Ausschüsse, da wäre diese eine auch nicht mehr ins Gewicht gefallen. Und dann hätte man gemeinsam die einzig mögliche Entscheidung getroffen.

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Der Vorsitzende des Bundes der Selbstständigen (BdS), Rolf Edelmann, sieht es anders: "Ich wäre zu demselben Ergebnis auch ohne eine Markt- und Kulturausschusssitzung gekommen. Die hätte auch kein anderes Ergebnis gebracht." Denn für ihn ist klar, dass angesichts der aktuellen Coronalage eine Gewerbeausstellung oder eine Mittelstandskundgebung, die der BdS organisiert, "nicht durchführbar" gewesen wäre. Nicht nur wegen der Abstandsregelungen, sondern auch wegen der Kosten. Denn die wären bei deutlich weniger Besuchern explodiert und hätten in keinem Verhältnis zum Nutzen gestanden. Denn, so fragt sich Edelmann: "Wer wäre denn überhaupt noch gekommen? Wir würden mit einer leeren Gewerbeschau dastehen, vom großen Festzelt mal ganz zu schweigen." Und so hatte er bereits im Oktober, als die Coronafallzahlen wieder nach oben gingen und sich ein erneuter Lockdown andeutete, keine Hoffnung mehr gehabt, dass es in diesem Jahr etwas mit dem Mathaisemarkt werden würde.

Apropos Festzelt: Auch Ilona Böhm, die seit 2016 nach dem kurzen Zwischenspiel von Hans-Peter Küffner beim Mathaisemarkt "Hamel"-Wirtin ist, mag am Prozedere keine Kritik äußern. Sie erklärte gegenüber der RNZ, dass sie "zum größten Teil in die Entscheidung eingebunden" gewesen sei – auch wenn es schon länger keine Markt- und Kulturausschusssitzung mehr gegeben habe: Die letzte sei für den November anberaumt gewesen, hätte aber nicht mehr stattgefunden. Für sie war das Aus jetzt keine Überraschung: "Da war ja längst schon die Fastnacht abgesagt." Und auch an die lange Suche nach Alternativen habe sie nicht geglaubt: Denn als Mitte Oktober das Land die Maximalzahl der Veranstaltungsteilnehmer von 500 auf 100 absenkte, war ihr klar: Das war es nun. Mit 100 Gästen lässt sich kein Festzelt füllen. Fünf Wochen zuvor hatte Höfer schon im RNZ-Interview angekündigt: "Es ist klar, dass wir kein Festzelt mit 1700 Besuchern haben werden." Sie selbst überlebe im Moment vor allem deswegen, weil ihr Mann einen festen Job hat; alle ihre Festangestellten sind momentan in Kurzarbeit, und ansonsten sei Sparsamkeit die Devise. Von den groß angekündigten November- und Dezemberhilfen habe sie wenig gehabt: "Ein Tropfen auf den heißen Stein."

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Marktmeisterin Ariane Haas-Bruch war ebenso wenig in die Entscheidung der Mathaisemarkt-Absage eingebunden, aber im Grunde hatte sie damit gerechnet – und zwar auch schon Mitte Oktober wie ihre Kollegin Ilona Böhm, wegen der reduzierten Besucherzahlen. Und doch hatte sie immer eine Resthoffnung, dass es doch noch ein Wunder geben könnte. Noch Anfang Oktober war sie im RNZ-Interview ganz guter Dinge, denn sie hatte damals nicht mit einer Komplettabsage gerechnet. Zumal damals ja die Ausschreibungen an die Schausteller herausgegangen waren und zumindest für den Rummel eine gewisse Chance bestand. Natürlich sei der Mathaisemarkt nicht "systemrelevant", aber immer doch mehr als nur eine Veranstaltung: "Da stehen auch Existenzen dahinter. Das betrifft nicht nur die Schausteller an sich, sondern es geht auch um den Einzelhandel, bei dem wir bestellen."

"Für uns ist es eine Katastrophe", sagt die 46-Jährige, "für uns ist der Mathaisemarkt immer der Auftakt für die Saison." Denn ihr letztes Geld habe sie im Herbst bei Veranstaltungen in Karlsruhe und Mannheim verdient. Und einfach Bratwürste zu verkaufen, sei für ihren Betrieb mit zwei Autoscootern keine Alternative. Die Soforthilfen der Bundesregierung – Haas-Bruch: "Eigentlich wollen wir die gar nicht, wir wollen lieber unser eigenes Geld verdienen" – reichten gerade für die Miete der Lagerhalle, in der nun die acht Transporter und die zwei Wohnwagen stehen. Das Schlimmste sei noch nicht mal, dass die Einnahmen fehlten, sondern dass es im Moment keine Perspektive gebe. Aber klagen will sie auch nicht: "So viel Zeit habe ich noch nie mit meinen Kindern verbracht."

Und natürlich sind bei Haas-Bruch, die heute in Düsseldorf wohnt, viele Kindheitserinnerungen mit dem Fest verbunden. Schließlich war ihr 2014 verstorbener Vater Fritz Haas 31 Jahre lang Marktmeister. Sie erinnert sich noch gut an die Situation vor 30 Jahren, als eine knappe Mehrheit im Gemeinderat beschlossen hatte, wegen des Golfkriegs den Mathaisemarkt ausfallen zu lassen. Fritz Haas hatte damals für das Volksfest gekämpft, sich aber nicht durchsetzen können. "Damals war das Geschehen so weit weg", erinnert sie sich, "aber jetzt sind alle betroffen. Ein Großteil der Bevölkerung hat jetzt Angst."

Und wie sieht sie die Chancen für eine Neuauflage des Festes im Sommer? "Ich habe im RNZ-Interview vom Herbst nicht gesagt, dass der Mathaisemarkt im März stattfindet. Ich glaube, dass es dafür Möglichkeiten geben könnte – auch wenn Mathais dann nicht das Eis bricht. Mein Horoskop sieht ganz gut aus." Festzelt-Wirtin Böhm ist da skeptischer: "Das glaube ich nicht. Im nächsten Dreivierteljahr wird sich da nichts tun. Ein verkleinerter Mathaisemarkt wäre außerdem nichts Halbes und nichts Ganzes. Das Fest ist doch einmalig."

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