Für blinde Claudia

Schwetzingerin schreibt rührendes Kinderbuch

Elske Ebeling-Saeger aus Schwetzingen hat ein rührendes Kinderbuch geschrieben. Eine Geschichte als Halt im Leben.

08.01.2021 UPDATE: 10.01.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 57 Sekunden
Die Zeichnungen im Buch stammen von der Physikstudentin Leana Kaus. Foto/Repro: mio

Von Marion Gottlob

Schwetzingen/Heidelberg. "Heute möchte ich euch eine Geschichte vorstellen, die ich einem besonderen Menschen widme, meiner kleinen großen Claudia! Seit ihrer Geburt geht sie blind durchs Leben und ihre Welt ist daher dunkel. Sie ist auf Hilfe angewiesen." So beginnt Elske Ebeling-Saeger ihr neues Kinderbuch "Wie ein Käfer zwei blinde Freundinnen glücklich macht". Sie widmet ihr sechstes Buch Claudia, die nicht nur blind, sondern auch mehrfach behindert ist. Seit 42 Jahren verbindet die Autorin mit Claudia eine tiefe Liebe. "Diese Freundschaft gehört zu meinen Lebensaufgaben", sagt die Autorin.

Als sie Claudia begegnete, war die heute 44-Jährige zwei Jahre alt. "Sie wird in einem Heim für Menschen mit Behinderung fürsorglich betreut. Sie fühlt sich dort sehr wohl", weiß Ebeling-Saeger. In Nicht-Corona-Zeiten besucht sie ihren Schützling regelmäßig. Jedes Mal fragt Claudia ihren Gast: "Machen wir Gemütlichkeit auf dem Sofa?" Darauf antwortet Elske Ebeling-Saeger mit der Frage: "Und dann?" Claudia sagt: "Die Käfergeschichte!" Elske Ebeling-Saeger fragt mit einem Lächeln: "Muss das sein?" Claudia antwortet: "Ja, das muss sein!" So erzählt Ebeling-Saeger seit mehr als 20 Jahren die Käfer-Geschichte, die sie nun in ihrem Buch aufgeschrieben hat.

Der Held der Story ist ein kleiner, frecher, kecker, lustiger und neugieriger Silberkäfer mit roten Punkten, der an Claudias Silber-Kette hängt. An einem Sonntagnachmittag verlässt er seinen Platz und unternimmt eine große Reise zu Claudias Freundin Astrid.

So wird er zum Boten zwischen den blinden Freundinnen. Ganz nebenbei erfahren die kleinen Leser etwas über Claudia: Sie kann in den sieben Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Griechisch, Türkisch und Polnisch bis zehn zählen. Sie erkennt beim Hören von klassischer Musik die Komponisten und weiß, welches Stück gespielt wird. Allerdings, sie kann die Namen der Komponisten nicht aussprechen, sondern nur buchstabieren.

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Außerdem kennt Claudia alle Geschichten, die man ihr jemals vorgelesen hat, auswendig und verbessert Elske zum Beispiel, wenn sie etwas falsch liest oder anders erzählt. Dabei freut sie sich wie eine Schneekönigin und ruft: "Falsch – ich hab’s richtig gewusst!" Und sie hat jedes Mal Recht. So ist es auch mit den Liedern, die sie auswendig mit ihrer wunderschönen Stimme vorsingen kann.

Die Autorin Elske Ebeling-Saeger wurde in Helmstedt geboren und ist im Rheinland aufgewachsen. Nach einer einjährigen hauswirtschaftlichen Ausbildung entschied sie sich für eine weitere Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. "Ich hatte schon damals eine Schwäche für Kinder, die anders sind", sagt sie. Über mehrere Stationen kam sie nach Heidelberg und arbeitete im ersten Sonderschulkindergarten der Stadt. Dort lernte sie die damals zwei Jahre alte Claudia kennen: "Sie war so süß, so weich, so zart", erinnert sie sich.

Sie schrieb ihre erste Geschichte zum achten Geburtstag von Claudia. Als sie einen Verlag darum bat, die Geschichte zum Buch zu binden, sagte man ihr: Für ein einziges Exemplar lohne sich das nicht. Also ließ die Autorin 20 Exemplare binden. Der Verleger las die Geschichte "Glaubt ihr, dass ich glücklich bin" und war so begeistert, dass er das Buch einer Buchhändlerin empfahl. Die Buchhändlerin verwies die Autorin an die Rhein-Neckar-Zeitung. Kaum war der Artikel erschienen, meldeten sich Menschen über Menschen mit der Bitte um ein Exemplar.

In der Folge betreute Elske Ebeling-Saeger behinderte und nicht-behinderte Kinder und Senioren, Aussiedler- und Flüchtlingskinder. Zu den Senioren, die von ihr betreut wurden, zählte die Tochter des Heidelberger Pfarrers Hermann Maas. Unter den Kindern war ein stummes, autistisches Mädchen. Das Kind sprach nur ein einziges Mal, als es seiner Betreuerin zeigen wollte, wo in der Küche die Lieblingskekse waren: "Da oben."

Ebeling-Saeger hat zusätzlich eine Ausbildung zur Kinderspieltherapeutin absolviert. Seit neun Jahren ist die Rentnerin nun Lesepatin an einer Grundschule. Nicht sie liest vor, sondern die Kinder lesen. Sie lächelt: "Da bin ich streng." Man möchte es ihr kaum glauben, denn einige Kinder hätten am liebsten ihre Lesepatin an die nächste Schule mitgenommen.

Ihr erstes Buch veröffentlichte sie ohne Bilder, für das zweite Buch hatten behinderte Erwachsene Bilder gemalt. Die folgenden drei Bücher hat Physik-Studentin Leana Kaus anschaulich illustriert. Elske Ebeling-Saeger malt selbst ebenfalls Bilder. Die Autodidaktin hat schon mehrere Ausstellungen mitgestaltet. Übrigens: In Corona-Zeiten muss Claudia auf ihre Käfer-Geschichte nicht verzichten. Elske Ebeling-Saeger erzählt sie ihr am Telefon. Claudia lacht jedes Mal glücklich, wenn der Käfer in der Geschichte zu ihr zurückkehrt. Er flüstert ihr dann ins Ohr: "So, meine liebe kleine, große Claudia, nun bin ich immer für dich da und passe auf, dass alle Menschen lieb zu dir sind!"

Info: "Wie ein Käfer zwei blinde Freundinnen glücklich macht". Biografie Werkstatt Otto. 14 Euro. Erhältlich in Schwetzingen in den Buchhandlungen Kieser und in der Bücher-Insel sowie bei der Autorin unter Telefon 06202/4922 und Mail elskesaeger@gmx.de.

Elske Ebeling-Saeger mit ihrem Buch „Wie ein Käfer zwei blinde Freundinnen glücklich macht“. Foto: mio
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