Corona

Warum Hausärzte so ungern testen

Corona-Verdachtsfälle bedeuten großen Aufwand und Abstriche werden schlecht bezahlt.

03.11.2020 UPDATE: 04.11.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden
„Wir sind seit Monaten am Anschlag“, berichtet der Stuttgarter Hausarzt Cornelius Kübler aus der Praxis. Foto: privat

Von Susanne Kupke

Karlsruhe. Starkes Kopfweh, Gliederschmerzen und Fieber. Ist das Corona? Eine 59-jährige Karlsruherin will Gewissheit. Sie geht zum Hausarzt, um sich testen zu lassen. Doch der hält das nicht für nötig. Das Fieber ist nicht hoch. Er tippt auf einen grippalen Infekt. Ein Einzelfall? Der Stuttgarter Arzt Cornelius Kübler glaubt das nicht – erläutert aber auch die Zurückhaltung mancher Ärzte. Viele sind in der Grippe- und Corona-Saison schlicht an ihre Grenzen gelangt.

"Die Situation ist verheerend", sagt Allgemeinmediziner Kübler. Bis vor wenigen Tagen stand sein Telefon nicht still. Neben normalen Behandlungen machte er 20 bis 30 sogenannte PCR-Tests am Tag. PCR steht für Polymerase-Kettenreaktion. Dabei wird das Erbgut der Viren so stark vervielfältigt, dass es nachgewiesen werden kann. Nun ist seine Praxis wegen eines Corona-Falls geschlossen. "Vorsorgliche Quarantäne." Für Kübler, der sonst zwischen 40 und 50 Patienten am Tag behandelt, bedeutet das einen herben Umsatzverlust. "Die Praxiskosten laufen weiter."

Der Hausarzt ist der erste Ansprechpartner bei Erkältungssymptomen oder typischen Covid-19-Symptomen wie Geruchsverlust. "Er berät dann mit dem Patienten das weitere Vorgehen und überweist gegebenenfalls an eine Corona-Schwerpunktpraxis", erläutert der Hausärzteverband. 1136 Praxen wurden in den vergangenen Monaten zu Corona-Schwerpunktpraxen (CSP) ausgebaut – dabei handelt es sich um reguläre Haus- oder Facharztpraxen, die für Corona-Verdachtsfälle spezielle Sprechstunden vorhalten. Außerdem gibt es 17 Fieberambulanzen und 36 Abstrichstellen. Tendenz steigend.

"Es sollte daher keine Probleme damit geben, einen Test zu bekommen", sagt eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). 5000 Hausärzte im Südwesten gibt es. Es könnten so durchaus etwas mehr Schwerpunktpraxen sein. Der Hausärzteverband rief kürzlich niedergelassene Mediziner zur Einrichtung von mehr Schwerpunktpraxen auf.

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Die tragen Kübler zufolge ohnehin schon die größte Last: Die meisten Corona-Fälle würden von niedergelassenen Ärzten abgefangen. "Wir sind seit Monaten am Anschlag." Manche Hausärzte hätten kaum mehr Zeit für ihre Patienten und Mühe, sich finanziell über Wasser zu halten. "Es geht nur noch ums Durchschleusen." Der Ausbau zur Schwerpunktpraxis bedeutet noch mehr Arbeit.

Küblers Praxis ist an sich keine Corona-Schwerpunktpraxis. Doch er will auch nach der Quarantäne weiter testen: "Wenn ein Patient schon bei mir ist, will ich ihn nicht wegschicken. Warum soll ich das einem Kranken zumuten?" Doch er sagt auch: "Ich kann absolut verstehen, wenn Ärzte Corona-Verdachtsfälle wegschicken. Letztlich ist das nicht wirtschaftlich." Kübler ärgert sich in dem Zusammenhang, dass Reiserückkehrer die Tests kostenlos bekommen. "Das Geld sollte man lieber an die Ärzte verteilen."

Denn nur mit Testen ist es nicht getan. Vom Separieren der Corona-Verdachtsfälle über das Anziehen des Vollschutz-Anzugs und dem eigentlichen Testen bis hin zum Formularkram und den notwendigen Rückmeldungen an Patienten: "Es ist ein wahnsinniger Aufwand", weiß Kübler. Und das für acht Euro je Abstrich.

Dass Mediziner aus finanziellen Gründen Corona-Verdachtsfälle abwimmeln, schließt eine KVBW-Sprecherin nicht aus. Die Kassenärztliche Vereinigung fände es wünschenswert, wenn die Vergütung des Corona-Abstrichs auf 15 Euro angehoben werden würde. Sie geht im übrigen davon aus, dass es sich bei test-unwilligen Ärzten um Einzelfälle handelt. "Wir testen so viel wir können."

Wenn der Hausarzt nicht testen will, geschehe dies vielleicht auch aus Sorge um Personal und um andere Patienten, vermutet der Hausärzteverband. Neben dem hohen bürokratischen Aufwand gebe es mancherorts auch logistische Probleme: Können unterschiedliche Sprechstunden organisiert und Corona-Verdachtsfälle von anderen Patienten separiert werden?

Es gibt auch ältere Ärzte, die selbst zur Risikogruppe zählen. Wenn die keine Corona-Anlaufstelle sein wollen, dann hat auch ein Karlsruher Kinderarzt "volles Verständnis". Er selbst hat seine Praxis zur CSP ausgebaut. Täglich nimmt er zwischen 5 und 15 Tests ab.

Die 59-jährige Karlsruherin bestand bei ihrem Hausarzt auf einem PCR-Test. Er war positiv. Inzwischen geht es ihr besser. Nun ist ihr Mann an Covid-19 erkrankt. Die Praxis ihres Hausarztes musste in Quarantäne.

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