Baden-Württemberg

Gute berufliche Bildung, zu wenig Ganztagsbetreuung

Wirtschaftsnaher Schulvergleich sieht Baden-Württemberg im Länderranking auf Platz 5 - Lob für die Vorbereitung auf Unterricht in Corona-Zeiten

14.08.2020 UPDATE: 16.08.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden
Auch bei der Integration gibt es Probleme: Die Schulabbrecherquote bei ausländischen Jugendlichen liegt bei 18,5 Prozent. Foto: dpa

Von Oliver Schmale

Stuttgart. Baden-Württemberg hat bei der Bildung im Ländervergleich laut einer Studie wieder etwas an Boden gewonnen. Rang fünf belegt das Land in diesem Jahr beim Bildungsmonitor der arbeitgebernahen "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) – und rückte somit um einen Platz nach vorne. Die Studie wird vom Institut der deutschen Wirtschaft im Auftrag der Initiative erstellt und wurde am Freitag in Berlin vorgestellt. In dem Länderranking ist Sachsen der Spitzenreiter vor Bayern und Thüringen. Auf den letzten Plätzen liegen Sachsen-Anhalt, Bremen und Brandenburg. Insgesamt hat Baden-Württemberg etwas aufgeholt. Aber im Vergleich zu den Vorjahren besteht noch viel Potenzial für Verbesserungen. Der Südwesten liegt zum zweiten Mal seit Beginn der jährlichen Auswertung 2004 nicht auf einem der ersten vier Plätze.

> Ganztagsbetreuung: Beim Anteil der Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren in einer Ganztagsbetreuung kam der Südwesten 2019 mit 25,1 Prozent auf den niedrigsten Wert im Bundesgebiet und lag damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 46,9 Prozent. Auch bei den Grundschulkindern lag der Anteil der Ganztagsschüler im Jahr 2018 mit 18,9 Prozent deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 42 Prozent. Bei den Schülern der fünften bis zehnten Klassen lag der Anteil ebenfalls unter dem Durchschnitt.

Südwestmetall-Geschäftsführer Stefan Küpper sagte: "Dass Baden-Württemberg weiterhin Schlusslicht bei der Ganztagsinfrastruktur ist, verschlechtert die Chancengerechtigkeit zusätzlich und erhöht die Bildungsarmut." Der Mangel an Ganztagsangeboten sei auch schlecht für die Betriebe, die trotz Corona auf gute Fachkräfte angewiesen seien, sagte Marjoke Breuning, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) führte das schlechte Abschneiden bei der Ganztagsbetreuung auf eine lückenhafte Erfassung in der Studie zurück. Man biete mit der Ganztagsgrundschule ein durchdachtes Ganztagskonzept, hinzu kämen aber auch flexible kommunale Betreuungsangebote, die sich viele Eltern wünschten. "Leider werden sie bei einer strikten Ganztagsdefinition oft nicht erfasst, das entspricht dann aber nicht der Realität", erklärte Eisenmann. Dass Baden-Württemberg bei der Ganztagsquote vermeintlich schlechter abschneide, verwundere daher nicht.

"Es rächt sich nach wie vor, dass die CDU in Baden-Württemberg über Jahrzehnte aus ideologischen Gründen den Ausbau von Kinderbetreuung und Ganztagsschule verhindert hat", kritisierte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch, selbst Kultusminister zu Zeiten der grün-roten Koalition. "Anstatt an den Methoden der Studie zu kritteln, sollte Ministerin Eisenmann ihre Hausaufgaben machen."

> Integration: Die Schulabbrecherquote unter den ausländischen Jugendlichen wurde mit 18,5 Prozent angegeben. Sie ist also etwas höher als im bundesdeutschen Durchschnitt mit 18,2 Prozent. Deutlich schlechter hingegen sieht es bei der Studienberechtigungsquote von jungen Leuten mit ausländischen Wurzeln an allgemeinbildenden Schulen aus. Hier komme das Land auf eine Quote von 6,3 Prozent. Im Bundesdurchschnitt liege sie bei 9,2 Prozent, so die Autoren.

> Die Stärken: Trotz der Probleme bescheinigen die Autoren der Studie dem Land überwiegend eine gute Bildungsqualität. So blieben im Südwesten kaum Jugendliche ohne einen Ausbildungsplatz, und der Anteil erfolgreich abgeschlossener Ausbildungen sei vergleichsweise hoch. Es gebe viele Hochschulabsolventen, auch aus dualen Studiengängen und den Ingenieurwissenschaften.

Der Bildungsmonitor bescheinige ein hervorragendes System der beruflichen Bildung im Land, sagte Eisenmann. Auch die Förderung von Bildung in den sogenannten MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) werde positiv angemerkt.

> Corona-Krise: Positiv wird auch bewertet, dass sich das Land auf unterschiedliche Varianten des Unterrichts vorbereitet – sowohl auf den Regelbetrieb in der Schule als auch auf Fernunterricht. Wichtig sei dabei die Digitalisierung. Hier gebe es aber unterschiedliche Voraussetzungen. Die Planungen für den Unterricht in der Schule seien aber im Vergleich zu anderen Bundesländern besser möglich, da nur ein vergleichsweiser geringer Anteil der Lehrer älter als 60 Jahre sei.

Die Autoren der Studie heben positiv hervor, dass die grün-schwarze Landesregierung 300.000 Tablets und PCs anschaffen will, um sie Schülern auszuleihen, die keine haben. Bis zum Schulstart sollen die Geräte ausgeliefert sein.

> Weitere Forderungen: An alle Bildungspolitiker gerichtet forderte die INSM gestern unter anderem die Einstellung von mindestens 20.000 IT-Experten für die 40.000 Schulen im Lande. Tatsächlich hatten sich am Donnerstagabend schon mehrere Kultusminister mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chefin Saskia Esken und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) getroffen und weitere Hilfen für eine bessere Bildung vereinbart. Ziel soll es sein, hieß es aus Teilnehmerkreisen, dass jeder Lehrer einen Dienstlaptop bekommt und jedem Schüler ein günstiger Zugang zum Internet ermöglicht wird, der maximal zehn Euro im Monat kosten soll.

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