Neckarzimmern

Aus den Stolpersteinen wird ein Gedenkstein

Die Ideen des Künstlers Gunter Demnig und des Stolperstein-Kommitees in Neckarzimmern gehen zu weit auseinander

22.06.2020 UPDATE: 23.06.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden
Keine 16 Stolpersteine, stattdessen ein Gedenkstein, über den man auch an weitere Informationen gelangt. Neckarzimmern ändert seine Pläne, will aber der jüdischen Mitbürger gedenken. Foto: Dorothea Damm

Von Dorothea Damm

Neckarzimmern. Eigentlich wären sie im September schon verlegt worden. Aber jetzt wird nichts aus jenen 16 Stolpersteinen, die in Neckarzimmern an die jüdischen Einwohner erinnern sollten. Dabei stieß das Projekt im Dorf auf große Unterstützung. Bei einem gut besuchten Vortragsabend im vergangenen Jahr hatten die Initiatoren Rolf Ehlert und Ursula Staudinger darum geworben, eine Patenschaft für einen solchen Gedenkstein zu übernehmen.

Der Künstler Gunter Demnig verlegte bereits in vielen deutschen Städten jeweils vor dem ehemaligen Wohnhaus der Opfer des Nationalsozialismus einen Messingquaderstein in den Boden, um so an das Schicksal der Menschen, die aus Hass aus der Gemeinschaft gerissen wurden, zu erinnern. In Neckarzimmern hatte sich vor allem Rolf Ehlert darum bemüht, die Geschichte der ehemaligen Einwohner des Dorfes historisch aufzuarbeiten. Gleichzeitig hält Ursula Staudinger Kontakt zu den Hinterbliebenen einzelner Familien, die inzwischen meist weit weg von der Heimat ein neues zu Hause gefunden haben. Schnell fanden sich auch Förderer, die bereit waren, das Projekt finanziell zu unterstützen und auch der Gemeinderat stimmte der Verlegung der Steine zu.

Nun musste Bürgermeister Christian Stuber aber die Paten darüber informieren, dass das Projekt doch nicht umgesetzt werden kann. "Bedauerlicherweise sind die Vorstellungen des Künstlers und die der örtlichen Initiatoren nicht miteinander vereinbar", erklärt Stuber. Der Künstler Demnig, erwartet, dass neben den Steinen für die Menschen, die deportiert wurden oder der Euthanasie zum Opfer fielen, auch alle weiteren Familienmitglieder, die ab 1933 in Neckarzimmern gelebt haben und bereits vor der Deportation vor 80 Jahren verstarben oder ausgereist sind, einen solchen Stein bekommen. "Durch diese Künstleridee der Familienzusammenführung müssten weitere 17 Stolpersteine verlegt werden", schreibt Stuber an die Unterstützer des Projekts. Insbesondere Rolf Ehlert hatte lange versucht, das Stolperstein-Projekt für Neckarzimmern zu retten und an dem ursprünglichen Plan festzuhalten. "Ich habe Achtung und Bewunderung für ihr Werk", teilte er der "Stiftung – Spuren – Gunter Demnig" mit und bat darum, am ursprünglich abgesprochenen Plan festzuhalten.

Für Rolf Ehlert steht fest, dass das Leben nach 1933 für alle Einwohner jüdischen Glaubens sehr schwer war und jeder unter dem Nationalsozialismus leiden musste. Dennoch sei es für ihn ein Unterschied, ob ein Mensch an einer Krankheit starb oder ob er den Transport nach Gurs erleben musste. Das Komitee vor Ort einigte sich drauf, dass man der Ausweitung des Stolpersteinprojektes auf 33 Steine im Ortsgebiet nicht folgen würde. Ein Kompromiss mit dem Künstler Demnig ließ sich leider nicht erzielen und so wird es nun keine Stolpersteine in Neckarzimmern geben.

"Gleichwohl soll am Grundgedanken des Gedenkens an die jüdischen Mitbürger anlässlich des 80. Jahrestages der Deportation im Oktober festgehalten werden", so Stuber. Er bittet jetzt alle Spender darum, sich an einem Gedenkstein an zentraler Stelle vor dem Rathaus zu beteiligen. "Uns ist es wichtig, dass die Menschen, die hier gewohnt haben, nicht vergessen werden und dass wir uns an sie erinnern", sagt Ursula Staudinger, die auch bereits einen Entwurf des Betriebs Lackenbauer für einen solchen Stein erhalten hat. Auf Bronzeplatten soll an das Schicksal der 16 Einwohner Neckarzimmerns erinnert werden. Gleichzeitig soll mit Hilfe eines QR-Codes das ausführliche Dossier zugänglich gemacht werden, in dem Rolf Ehlert mit großem Engagement alle weiterführenden Materialien zusammengetragen hat. So werde zwar nicht vor dem jeweiligen Wohnhaus an die ehemaligen Mitbürger erinnert, sondern an zentraler Stelle. Dafür können interessierte Bürger aber mehr Informationen abrufen über die Menschen, deren Enkel und Urenkel heute die Mannschaft des Sportvereins verstärken könnten oder den Kindergarten oder die Grundschule besuchten.

Da der Gedenkstein insgesamt etwas teurer werden wird, als die Verlegung der 16 Stolpersteine, bitten die Initiatoren auch weiterhin darum, das Gedenkprojekt mit Spenden zu unterstützen. "Bedingt durch das Coronavirus konnte auch ein Konzert des evangelischen Kirchenchores noch nicht stattfinden, aber das wird natürlich nachgeholt", sagt Staudinger, die sehr glücklich darüber ist, dass so viele Menschen in Neckarzimmern bereit sind, sich mit der Vergangenheit des Dorfs auseinander zu setzen und sich für die Erinnerung einzusetzen.

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