Die RNZ hat sich umgehört

Wie sieht es nach den Schul- und Kindergartenschließungen in der Region aus?

Von Notgruppen, Päckchen und Plattformen: Das Schulleben ruht - und geht doch weiter

18.03.2020 UPDATE: 19.03.2020 06:00 Uhr 4 Minuten, 22 Sekunden
Ein bisschen Unterricht gibt es noch: In den Notgruppen der Kindergärten und Schulen (wie hier am NKG in Mosbach) werden in Ausnahmefälle noch einige Schüler betreut und unterrichtet. Bei der Versorgung der Schüler zuhause mit Lernstoff hat man dagegen zum Teil mit infrastrukturellen Anlaufproblemen zu kämpfen. Foto: zg

Von H. Schattauer und S. Kern

Neckar-Odenwald-Kreis. Es ist still geworden in und an den Schulen und Kindergärten in der Region. Seit Dienstag sind die Einrichtungen, in denen es normalerweise so lebendig und quirlig zugeht wie kaum anderswo, geschlossen. Kindergartenkinder und Schüler müssen zuhause betreut werden, nur in Ausnahmefällen werden vereinzelt noch Kinder in Notgruppen an einigen Schulen unterrichtet.

"Es ist anders", beschreibt die Sekretärin des Auguste-Pattberg-Gymnasium, Melanie Demmler, die neue Situation an der Schule. Auch wenn Verwaltung und Schulleitung weiterhin im Dienst sind und auch Lehrer im Haus sind – das große Gebäude ist weitestgehend verwaist, das eigentliche Schulleben ruht. In der Notgruppe, die man für Schüler der Klassenstufen 5 bis 7 eingerichtet hat, wird aktuell nur ein Schüler unterrichtet, in der kommenden Woche soll ein zweiter hinzukommen, wie Schulleiter Dr. Thomas Pauer berichtet. Die Vorgaben, wer diesen Notdienst in Anspruch nehmen darf, seien von Schulträgerseite eben recht strikt.

Die seit Dienstag im heimischen Umfeld weilenden Schüler seien derweil mit Unterrichtsmaterial gut ausgestattet, so Pauer weiter: "Für diese Woche sind sie gut versorgt." Und ab der nächsten Woche soll dann auch der digitale Unterrichtsweg ohne größere Hürden beschritten werden können. Wie an vielen anderen Schulen auch, hatte man am APG am ersten Tag nach der Schulschließung mit Serverproblemen zu kämpfen, die eingerichtete Plattform konnte dem Aufrufaufkommen nicht stand halten. "Man hat uns einen neuen, stabileren Server bis Montag zugesagt", erläutert Schulleiter Pauer.

Überlastete Server gab’s auch am Nicolaus-Kistner-Gymnasium, wo Schulleiter Jochen Herkert kritisch anmerkt: "Die Digitalisierung ist eben doch nicht so weit wie man das gerne hätte. Das macht sich jetzt bemerkbar." Auch am NKG hat man einen Plattformwechsel vollzogen, der Mailaustausch Lehrer/Schüler soll nun besser (an)laufen. Auch Video-Unterricht sei eine Option. "Da sind wir dran", sagt Jochen Herkert. Vereinzelt seien Lehrer da auch schon via Skype o.ä. mit Schülern in Verbindung. Herkert selbst tauscht sich mit seiner Mathe-Abiturklasse über WhatsApp aus: "Da gibt es jeden Tag neue Aufgaben." Apropos Aufgaben: "Es ist eine gesellschaftliche und schulische Herkulesaufgabe, aber wir werden sie meistern und sie wird und voran bringen", findet Jochen Herkert. Aufgaben vor Ort lösen aktuell vier Schüler(innen), die in einer Notgruppe von Lehrern unterrichtet werden.

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Keine Anmeldung für die Notbetreuung gibt es in der Pestalozzi-Realschule in Mosbach. "Im Moment ist es hier relativ ruhig", sagt Schulleiter Marco Schirk. Er ist auch geschäftsführender Schulleiter der Mosbacher Schulen und weiß daher: "Die Notbetreuung hält sich bei den weiterführenden Schulen in Grenzen." Zu tun ist dennoch genug: "Es gibt immer mal wieder Anrufe, die E-Mail-Verteiler müssen durchgesehen und aktuell gehalten werden", so Schirk. Die Lehrer korrigieren die von den Schülern gelösten Aufgaben. "Wir haben natürlich die Aufgaben so zusammengestellt, dass die Schüler sich das selbst erarbeiten können", erklärt Schirk. Hinzu kommen mehrere Plattformen und auch Anbieter von Lernvideos (wie "Simple Club"), die ihre Inhalte ganzen Schulen kostenlos zur Verfügung stellen. "Aber auch da ist es natürlich die Aufgabe der Lehrer, zu überprüfen, welche Plattformen jetzt empfehlenswert sind und wovon die Schüler besser die Finger lassen sollten", sagt Schirk.

Dass die Schule sich selbst überflüssig machen könnte, das glaubt Schirk allerdings nicht: "Das gemeinsame Lernen, der Zusammenhalt im Klassenverband und auch der persönliche Kontakt sind nicht zu ersetzen. Zudem sind das aktuell alles nur Notfallprogramme", sagt Schirk. "Deswegen macht das digitale Lernen Schule sicher nicht überflüssig." Auch im Nachgang, wenn wieder ein geordneter Schulbetrieb möglich ist, seien die Lehrer gefragt. "Das, was sich die Schüler jetzt erarbeiten, wird hinterher nicht eins zu eins abprüfbar sein. Auch da ist pädagogisches Handeln nach Maß gefragt", betont Schirk.

In den Mosbacher Grundschulen hält sich die Notbetreuung auch noch in Grenzen: Aktuell sind es zwei Kinder in der Waldstadt-Grundschule, die anderen Grundschulen fragen den Bedarf aktuell noch ab oder haben erst für nächste Woche Anmeldungen, erklärt eine Sprecherin der Stadt. Bei der Notbetreuung müssen sich Kindergärten und Schulen nach den Vorgaben des Landes richten: Sie ist für Kinder gedacht, deren Eltern in der so genannten "kritischen Infrastruktur" arbeiten, also im Gesundheitswesen, im Bereich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr, im Bereich der Sicherstellung der öffentlichen Infrastruktur oder in der Lebensmittelbranche.

Mit aktuell sechs Kindern in der Notgruppenbetreuung berichtet die Grundschule Aglasterhausen von einer vergleichsweise starken Nachfrage. Neben Schulleitung und Sekretärin sind hier auch zwei Lehrer(innen) präsent. Am Mittwoch war sogar die Polizei vor Ort, um zu kontrollieren, ob die Kinder, die sich in der Schule aufhielten, auch notbetreuungsberechtigt sind. Die Grundschüler, die seit Dienstag zuhause sind, haben "alle ihr Päckchen mitbekommen", wie Sekretärin Irene Lenz in Bezug auf den Lernstoff erklärt.

Auf neue Vorgaben reagieren müssen auch die Kindergärten in der Region. "Die Erzieherinnen sind nicht frei gestellt", berichtet etwa Wolfgang Müller. Der Pfarrer der evangelischen Kirchen Kirchengemeinde Obrigheim repräsentiert den Träger der Kindergärten in Obrigheim und Asbach. Bis jetzt ist hier noch keine Notbetreuung erforderlich. "Die Erzieherinnen werden auch weiter besoldet und leisten jetzt Arbeit, die sonst oft liegen bleibt." Sie arbeiten etwa an der Konzeption der Einrichtungen oder an den Portfolios der Kinder, bereiten Elterngespräche vor oder putzen und misten aus. Team-Sitzungen werden (soweit nötig) im kleinen Rahmen und mit dem entsprechenden Sicherheitsabstand abgehalten.

"Ich persönlich habe die Situation mit dem Coronavirus relativ lange sehr harmlos eingeschätzt. Ich habe mich aber eines Besseren belehren lassen und bin froh, dass sich einige Dekane klar für die Aussetzung des Gottesdienstbetriebs ausgesprochen haben", sagt Müller. Er selbst möchte sich an die Empfehlungen der Experten des Robert-Koch-Instituts halten und seine Sozialkontakte auf das absolut Notwendige herunterfahren. Müller: "Im Nachhinein kann man natürlich sagen, das hätte alles etwas früher passieren müssen. Aber ich hoffe wirklich, dass sich jetzt die Einsicht durchsetzt, die Sozialkontakte zu reduzieren."

Die katholische Verrechnungsstelle in Obrigheim koordiniert die Angelegenheiten für 48 katholische Kindergärten (auch über die Landkreisgrenzen hinaus). Drei dieser Kindergärten sind komplett geschlossen: Einer, weil die Belegschaft zur Risikogruppe gehört, in den zwei anderen gab es Corona-Verdachtsfälle. "In 21 Einrichtungen wurde keine Notbetreuung angefragt", berichtet Klaus Muth, der die Verrechnungsstelle leitet. "In den 24 anderen Einrichtungen werden knapp 50 Kinder betreut", so Muth. Etwas Probleme bereite die Vorgabe der Landesregierung, keine Kindergärten zusammen zu legen. "In manchen Einrichtungen haben wir nur ein Kind."

Die Erzieherinnen müssen auch in den katholischen Kindergärten weiter arbeiten. "Viele haben sich die Arbeit aber auch mit nach Hause genommen", beschreibt Muth die Arbeitssituation der Erzieherinnen. Das Thema Elternbeiträge stehe bei der katholischen Kirche als Träger ebenso auf der Agenda wie bei den anderen Trägern. "Dazu können wir momentan leider noch nichts sagen", bittet Muth um Verständnis. Zur Schließung der Kindergärten und Schulen hat Muth ebenso eine klare Meinung wie Wolfgang Müller: "Ich denke, die Entscheidung war grundsätzlich richtig und klug. Ob es gut war, ob es nutzt, muss sich noch zeigen."

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