Hoffe-Klatsche gegen FCB

Rummenigge: "Das ist ein schwarzer Samstag" (Update)

Die klare Niederlage der TSG gerät zur Nebensache - Nichtangrifsspakt am Ende des Spiels – Polizei richtet Ermittlungsgruppe ein

29.02.2020 UPDATE: 29.02.2020 17:19 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden
Foto: APF​

Sinsheim. (dpa/pami/jog/nb) Dietmar Hopp und Karl-Heinz Rummenigge standen Schulter an Schulter am Spielfeldrand im strömenden Regen. Der Mäzen der TSG 1899 Hoffenheim und der Vorstandschef des FC Bayern - seit Jahren gute Freunde - beobachteten sichtlich ergriffen die bemerkenswerte Aktion ihrer Mannschaften. Nach wiederholten Hass-Plakaten gegen Mäzen Hopp ließen beide Teams die Uhr bei der Bundesliga-Partie am Samstag in Sinsheim fast eine Viertelstunde lang nur noch herunterlaufen - das da schon feststehende 6:0 (4:0) der Bayern spielte keine Rolle mehr. "Das ist ein schwarzer Samstag", sagte Rummenigge wenig später.

"So wie die Spieler das gemacht haben, das ist ein absolutes Zeichen", erklärte der Bayern-Boss. "Ich schäme mich zutiefst für diese Chaoten. Spätestens heute ist der Moment gekommen, wo die gesamte Bundesliga gegen diese Chaoten vorgehen muss. Wir müssen alle zusammenstehen. Wir haben viel zu lange die Augen zugemacht, was in den Kurven passiert. Das ist das hässliche Gesicht des Fußballs."

Hintergrund

Polizeipräsidium Mannheim richtet Ermittlungsgruppe "Kurve" ein (Update)

Die Polizei in Mannheim richtet nach den Beleidigungen gegen Mäzen Dietmar Hopp im Bundesliga-Spiel der TSG 1899 Hoffenheim gegen den FC Bayern München die

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Polizeipräsidium Mannheim richtet Ermittlungsgruppe "Kurve" ein (Update)

Die Polizei in Mannheim richtet nach den Beleidigungen gegen Mäzen Dietmar Hopp im Bundesliga-Spiel der TSG 1899 Hoffenheim gegen den FC Bayern München die Ermittlungsgruppe "Kurve" ein. "Den verbalen und nonverbalen Straftätern dürfen wir nicht das Feld überlassen. Deswegen gehen wir gezielt gegen Hass auch auf den Stadionrängen vor und nehmen konsequent die Ermittlungen gegen vermeintliche Straftäter auf", sagte Polizeipräsident Andreas Stenger am Sonntag in einer Pressemitteilung.

Am Montag teilte die Polizei mit, dass "Kurve" aus sieben erfahrenen orts- und szenekundigen Beamten bestehen soll. Darüber hinaus seien auch Videoauswerter und Kriminaltechniker Bestandteil der Ermittlungsgruppe, die beim Polizeirevier Sinsheim eingerichtet werde.

Die Videoaufzeichnungen der Bundesliga-Partie sollen ausgewertet werden, um vermeintliche Täter zu identifizieren. Hass-Plakate gegen Hopp hatten am Samstag in Sinsheim zu zwei Spielunterbrechungen geführt. Auch in anderen Stadien war Hopp beleidigt worden. Zuvor hatte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wegen eines Plakats mit Hopp im Fadenkreuz bereits für Anhänger von Borussia Dortmund eine zweijährige Auswärtssperre für die Spiele bei den Hoffenheimern ausgesprochen.

Die Polizei hatte bereits in der Vergangenheit gegen Anhänger ermittelt, die Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp beleidigt hatten. Der 79-Jährige selbst hatte schon mehrfach Anzeige gestellt. Es gab auch schon Verfahren, so wurden unter anderem Fans des 1. FC Köln zu Geldstrafen verurteilt. Die Ermittlungsgruppe werde sich aus erfahrenen szene- und ortskundigen Beamten zusammensetzen, hieß es. 

Polizeisprecher Norbert Schätzle betont im Gespräch mit der RNZ am Sonntag, dass man diese Gruppe nicht gründen wolle, "weil das Herr Hopp ist". Die Ereignisse am Wochenende seien lediglich der Auslöser gewesen. Es sei eine "neuere Qualität" entstanden. So hätten die szenekundigen Beamten beispielsweise auch wegen der Schmähgesängen der Hoffenheimer Fans gegen den RB Leipzig-Spieler Timo Werner ermittelt. "Da sind wir natürlich auch dran", sagte Schätzle. Der Leipzig-Stürmer habe damals allerdings keine weitere Verfolgung des Falls gewünscht. Vielmehr soll sich die Gruppe um alle Straftaten "rund um den Fußball im Sinsheimer Stadion" kümmern, also beispielsweise auch darum, wenn ein Spieler rassistisch beleidigt werden sollte. Es gehe gegen "Hass und Hetze im Stadion", sagte Schätzle. Was die Gruppe dann übernehme, werde "von Fall zu Fall" entschieden. Ermittlungen wegen des Verkaufs von überteuerten Tickets auf dem Schwarzmarkt gehörten aber beispielsweise nicht zu den Aufgaben. Im gestrigen Fall liege der Polizei noch nichts vor, sagte Schätzle. (fro/dpa)

Update: Montag, 2. März 2020, 17 Uhr

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Schiedsrichter Christian Dingert hatte die Partie zuvor wegen der entsprechenden Plakate im Block der Bayern-Anhänger zweimal unterbrochen. Die zweite Pause dauerte fast 20 Minuten, ehe die Teams nur noch symbolisch auf den Rasen zurückkehrten, sich den Ball hin und her spielten, Dehnübungen machten und miteinander sprachen. Im Kabinengang hatten beide Teams diese in der Bundesliga einmalige Reaktion beschlossen.

"Alle Beteiligten - Spieler, Schiedsrichterteam und die Verantwortlichen von Bayern München und der TSG Hoffenheim sowie sehr, sehr viele Stadion-Besucher - haben in dieser Situation vorbildlich gehandelt und damit ein klares Signal an einige selbsternannte Herrscher über die Fußball-Kultur gesetzt, derartige Entgleisungen nicht mehr zu dulden", sagte DFL-Chef Christian Seifert. "Jegliche Art von Hass darf keinen Platz haben. Dies muss der Anspruch des gesamten deutschen Profifußballs sein."

Die Bayern-Profis, Trainer Hansi Flick, Rummenigge und auch Vorstandsmitglied Oliver Kahn hatten vor der Kurve wild gestikulierend auf die Fans eingeredet, das Transparent wieder abzuhängen. Die Schmähungen gegen den Hoffenheimer Macher seien "schon lange nicht mehr hinnehmbar", sagte Seifert. Flick, einst selbst in Hoffenheim Trainer, äußerte nach dem Spiel: "Was heute passiert ist - so geht es einfach nicht weiter."

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Der FC Bayern wird Rummenigge zufolge "mit aller Schärfe" gegen die "Chaoten" vorgehen. Schon beim Hoffenheimer 1:1 in Gladbach war vergangene Woche die Partie unterbrochen worden, als Hopps Konterfei von Fans der Gastgeber in einem Fadenkreuz gezeigt wurde. Wegen Schmähgesängen gegen Hopp wurde an diesem Samstag auch die Partie von Dortmund gegen Freiburg kurzzeitig unterbrochen. Die verschiedenen Fangruppen spielten damit auf ein Urteil des DFB-Sportgerichts an, das den BVB mit einer Zwei-Jahres-Sperre für seine Fans für Gastspiele in Sinsheim belegt hatte.

Die ersten 75 Minuten der Partie vor 30.150 Zuschauern im ausverkauften Sinsheimer Stadion waren zuvor eine Demonstration der Stärke der Münchner, die auch ohne ihren verletzten Torjäger Robert Lewandowski den höchsten Saisonsieg einfuhren und ihre Führung in der Tabelle festigten.

Serge Gnabry mit seinem elften Saisontor nach nur zwei Minuten und Joshua Kimmich (7.) schockten die Kraichgauer. Joshua Zirkzee, der Ersatz für Toptorjäger Lewandowski, legte kurz darauf nach (15.). Der oft gescholtene Philippe Coutinho traf noch vor der Pause zum 4:0 (33.). Coutinho (47.) und der eingewechselte Leon Goretzka (62.) sorgten für den Endstand - bevor der Fußball zur Nebensache wurde.

"Leider ist das Ergebnis heute in den Hintergrund gerückt", twittere Bayern-Verteidiger Jérôme Boateng nach dem Spiel. "Wir stehen für einen respektvollen Umgang, Menschlichkeit und ein Miteinander im Fußball und in unserer Gesellschaft. Starkes Zeichen von beiden Mannschaften."

Update: Sonntag, 1. März 2020, 14.15 Uhr

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